Grundsätzlich kommt einer ordnungsgemäß ausgefüllten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein hoher Beweiswert zu, da deren Richtigkeit zunächst vermutet wird. Bestehen jedoch aufgrund von Tatsachen, die der hierfür darlegungs- und beweispflichtige Arbeitgeber vorgetragen hat, ernsthafte Zweifel an einer tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, kann dies dazu führen, dass der ausgestellten Bescheinigung nur noch ein geringer oder kein Beweiswert mehr zukommt. In dem Fall obliegt es dem Arbeitnehmer, für die Richtigkeit seiner Arbeitsunfähigkeit weiteren Beweis anzubieten.
Dies gelang kürzlich dem klagenden Arbeitnehmer im vom Landesarbeitsgericht Mainz zu entscheidenden Verfahren nicht, sodass ein entsprechender Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach der ersten Instanz nun auch in der zweiten Instanz verneint wurde.
Im der Entscheidung zugrunde liegenden Fall reiste der Kläger zu Beginn seines Urlaubs (genehmigt 13.07.2009 bis 31.07.2009) in sein Heimatland Türkei. Im August 2009 erschien der Kläger nicht zur Arbeit. Er legte bei der Beklagten ein Attest eines türkischen Krankenhauses nebst deutschsprachiger Übersetzung vor, wonach sich der Kläger vom 27.07. bis 30.07. in stationärer Behandlung befand. Nach dessen Entlassung wurden 30! Tage Bettruhe empfohlen, anschließend sei der Kläger wieder arbeitsfähig.
Für den Monat August 2009 zahlte die Beklagte dem Kläger keine Entgeltfortzahlung. Nach erfolgloser Aufforderung zur Auszahlung zog der Kläger vor das Arbeitsgericht. Nachdem das Arbeitsgericht Ludwigshafen die Klage abwies, legte der Kläger beim Landesarbeitsgericht Mainz Berufung ein, blieb jedoch auch dort erfolglos.
Beide Instanzen verneinten einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), da dem Kläger der Nachweis der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht gelang. Durch die von der Beklagten vorgetragenen Tatsachen wurde der Beweiswert der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigung erschüttert.
So ergaben sich erste Zweifel daraus, dass der Kläger für den überwiegenden Krankheitszeitraum zweimal erfolglos Urlaub bei der Beklagten beantragt hatte (bei der Beklagten dürfen in der Ferienzeit nur drei Wochen Urlaub genommen werden) und dass die Arbeitsunfähigkeit in der letzten genehmigten Urlaubswoche eingetreten ist. Zweifel ergaben sich auch aus dem Umstand, dass unstreitig bereits Anfang 2009 eine vom Kläger vorgelegte Folgebescheinigung nach einer Untersuchung durch den ärztlichen Dienst nicht anerkannt worden ist.
Darüber hinaus ergaben aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung selbst Zweifel. Gemäß dieser Bescheinigung wurde während des viertägigen Krankenhausaufenthaltes die notwendige Behandlung angewendet und abgeschlossen. Nach der Entlassung des Klägers wurde ihm 30 Tage Bettruhe empfohlen, anschließend sei er wieder arbeitsfähig. Nach Ansicht des Gerichts sei eine solch lange Bettruhe ungewöhnlich, wenn doch die Behandlung abgeschlossen wurde. Zweifel ergeben sich außerdem aus dem Umstand, dass in der Bescheinigung trotz der Schwere der Erkrankung, die eine einmonatige Bettruhe erforderlich macht, keinerlei Kontrolluntersuchungen vorgesehen waren. Letztlich bestehen auch deshalb Zweifel, weil die Bescheinigung bereits prognostiziert, dass der Kläger nach Ablauf der 30-tägigen Bettruhe der Kläger wieder arbeitsfähig sein würde.
Mithin oblag es aufgrund der Beweiswerterschütterung hinsichtlich der Bescheinigung dem Kläger, die Arbeitsunfähigkeit auf andere Weise zu beweisen. Dies gelang ihm nicht. Weder trug er Einzelheiten bezüglich seiner Erkrankung vor, noch entband er seinen behandelnden Arzt von dessen Schweigepflicht. Andere Beweismittel hat der Kläger nicht angeboten.
LAG Mainz, Urt. v. 24.06.2010
Az.: 11 Sa 178/10