Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer darüber zu belehren, dass es schwieriger ist, sich von einem Aufhebungsvertrag zu lösen, als gegen eine fristlose Kündigung vorzugehen.
Nachdem die Mitarbeiterin eines Warenhauses dabei beobachtet wurde, wie sie sich nach Feierabend aus einem Eimer unter dem Pult in der Kosmetikabteilung zwei Päckchen Taschentücher einsteckte und zwei weitere Päckchen ihrer Nichte gab, wies der Geschäftsleiter des Warenhauses in einer anschließenden Anhörung im Beisein des Betriebsratsvorsitzenden darauf hin, dass das Arbeitsverhältnis entweder durch Aufhebungsvertrag oder durch fristlose Kündigung beendet werde.
Daraufhin unterzeichnete die Mitarbeiterin einen Vertrag über die Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.13.2009, obwohl der Betriebsratsvorsitzendete andeutete, dass der Betriebsrat einer Kündigung wohl nicht zustimmen werde. Einige Tage später ließ den Aufhebungsvertrag durch ihren Anwalt anfechten (wegen Drohung mit einem empfindlichen Übel) und widerrief darüber hinaus vorsorglich ihre Vertragserklärung.
In erster Instanz stellte das Arbeitsgericht Potsdam fest, dass das Arbeitsverhältnis entgegen das Aufhebungsvertrages über den 31.12.2009 fortbestanden habe, und verurteilte den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens(ArbG Potsdam, Urt. v. 20.05.2010 – Az.: 8 Ca 155/10).
Mit seiner gegen dieses Urteil vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingelegten Berufung hatte der Arbeitgeber Erfolg. Zwar habe in dem Hinweis des Geschäftsleiters, das Arbeitsverhältnis werde entweder durch fristlose Kündigung oder durch Aufhebungsvertrag beendet, eine Drohung gelegen. So sei der für eine Drohung erforderliche Nötigungswille sei zum Ausdruck gekommen und es habe sich nicht um einen schlichten Hinweis auf verschiedene rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten gehandelt. Jedoch sei die Mitarbeiterin nicht widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe ihrer Vertragserklärung bestimmt worden, wie es § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB verlangt.
Gemäß der Rechtsprechung des BAG läge eine widerrechtliche Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung nur dann vor, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Nicht erforderlich sei, dass ein Kündigungsschutzprozess gegen die Kündigung erfolglos gewesen wäre. Nur wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Fall ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er nach Ansicht des BAG die außerordentliche Kündigung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu veranlassen. Damit ist die Drohung mit einer Kündigung nur dann widerrechtlich, wenn der Arbeitgeber selbst nicht an seine Berechtigung glaubt oder seine Rechtsauffassung nicht mehr vertretbar ist.
Im hier vorliegenden Fall durfte der Arbeitgeber von der Wirksamkeit einer etwaigen Kündigung ausgehen. Das Verhalten der Mitarbeiterin wäre als wichtiger Grund geeignet, eine Abmahnung nicht erforderlich gewesen. Indem die Mitarbeiterin für ihre Nichte und sich selbst jeweils zwei Päckchen einsteckte, habe sie mit dieser auf Verschaffung eines privaten Vorrats gerichteten Verhaltensweise einen solchen Grad an Eigennutz und Unzuverlässigkeit offenbart, dass es einem verständigen Arbeitgeber nicht verdacht werden konnte, das Arbeitsverhältnis zu ihr fristlos beenden zu wollen, so die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts.
Letztlich führe die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitnehmers nicht dazu, dass der Arbeitgeber darüber belehren muss, dass es schwieriger ist, sich von einem Aufhebungsvertrag zu lösen, als gegen eine fristlose Kündigung vorzugehen.
LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 05.11.2010
Az.: 6 Sa 1442/10