Beleidigt der Arbeitgeber einen seiner Angestellten, ist es grundsätzlich eine zulässige und nicht zu beanstandende Reaktion des Angestellten, wenn dieser mit den Worten „Pass bloß auf, was du sagst, Junge!“ antwortet. In einem solchen Fall dürfe ein Arbeitnehmer unmissverständlich deutlich machen, dass er eine Fortsetzung oder weitere Verbreitung derartiger Beleidigungen nicht hinnehmen werde, so das Landesarbeitsgericht Köln in einer aktuellen Entscheidung.
Der klagende Arbeitnehmer ist seit 1995 bei der Beklagten angestellt. Im Jahr 2009 kam es zwischen dem Kläger und dem Junior-Geschäftsführer der Beklagten zu einer Auseinandersetzung, wobei die Einzelheiten streitig blieben, der Arbeitnehmer aber die oben zitierte Warnung aussprach. Hintergrund dieses Streits war ein Telefonat der Ehefrau des Klägers mit der Steuerberaterin der Beklagten, in welchem es um einbehaltene Lohnpfändungen ging.
Mit der Begründung, der Kläger habe den Junior-Geschäftsführer tätlich angegriffen und bedroht, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß zum nächst möglichen Zeitpunkt. Daraufhin erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. In seinen Augen sei die Kündigung unrechtmäßig gewesen, denn er habe den Junior-Geschäftsführer der Beklagten weder tätlich angegriffen, noch bedroht. Außerdem habe dieser die Ehefrau des Klägers beleidigt, indem er sagte, sie habe sich der Steuerberaterin gegenüber asozial verhalten. Die Beklagte hielt dagegen, der Junior-Geschäftsführer habe lediglich die Einschätzung der Steuerberaterin wiedergegeben.
Das Arbeitsgericht kam in der ersten Instanz zu dem Ergebnis, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam, die ordentliche Kündigung jedoch wegen Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes wirksam ist. Mit der hiergegen beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegten Berufung hatte die Beklagte keinen Erfolg.
Nach Ansicht des Gerichts bestand kein hinreichender Grund für die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Insoweit könne dahinstehen, ob der Junior-Geschäftsführer der Beklagten die Ehefrau des Klägers selbst als „asozial“ bezeichnete oder nur eine Äußerung der Steuerberaterin wiedergegeben hat. Er habe sich jedenfalls der Mittäterschaft oder Beihilfe zu einer tatbestandlichen Beleidung schuldig gemacht.
Diese Beleidigung seiner Ehefrau habe der Kläger nicht hinnehmen müssen. Vielmehr durfte er deutlich machen, eine Fortsetzung oder weitere Verbreitung derartiger Beleidigungen nicht hinzunehmen. Aus diesem Grund stelle die streitgegenständliche Äußerung des Klägers eine nicht zu beanstandende und unmissverständliche Warnung an die Adresse des Junior-Geschäftsführers dar, von weiteren Beleidigungen oder von Weiterverbreitungen von Beleidigungen abzulassen.
Weiter könne sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, durch die Warnung sei die Autorität des Junior-Geschäftsführers angezweifelt und dieser abgewertet oder gar bedroht worden. Vielmehr beruhe die Autorität, die die Leitungspersonen in einem Betrieb grundsätzlich in Anspruch nehmen können, auf ihrem korrekten und rechtmäßigen Auftreten im Betrieb. Hieran fehle es. Indem der Junior-Geschäftsführer den Kläger beziehungsweise dessen Ehefrau beleidigt hatte, habe er sich bereits selbst seiner Autorität beraubt.
Ergänzend führte das Landesarbeitsgericht aus, dass selbst wenn man von einer Pflichtwidrigkeit des Klägers ausginge, die durchzuführende Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers ausfallen würde. Angesichts des rechtswidrigen Vorverhaltens der Beklagten und des Junior-Geschäftsführers der Beklagten könne jedenfalls kein Überwiegen des Kündigungsinteresses festgestellt werden.
LAG Köln, Urt. v. 30.12.2011
Az.: 5 Sa 825/10
Anmerkung: Die Entscheidung zeigt, dass sich grundsätzlich niemand Beleidigungen gefallen lassen muss. Trotzdem bleibt bei Äußerungen am Arbeitsplatz Vorsicht geboten, denn es gibt keine klaren Grenzen, wann der Arbeitgeber eine Äußerung hinzunehmen hat und wann eine solche zur Kündigung rechtfertigt.