Neckargemünd, den 19. Juni 2015 - Einen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Anlageberatung muss man nicht unbedingt im Wege einer Klage geltend machen. Alternativ dazu bieten sich auch Beschwerden etwa bei Ombudsleuten an, wie zum Beispiel beim Bundesverband deutscher Banken, dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband oder den Beschwerdestellen regionaler Sparkassenverbände. Nicht immer ist jedoch der Berater oder das Beratungsunternehmen einem Verband mit einer solchen Schlichtungsstelle angeschlossen. Für solche Fälle kann ein Schlichtungsantrag auch bei einer staatlich anerkannten Gütestelle gestellt werden. Allen Schlichtungs- und Güteanträgen gemein ist, dass die Stellung eines Schlichtungs- oder Güteantrags bei ihnen die Verjährung des Schadensersatzanspruchs hemmt. Allerdings reicht der Antrag als solcher hierzu nicht ohne weiteres aus, wie eine Entscheidungsserie des BGH zeigt.
Nicht individualisierte Mustergüteanträge
Eine Vielzahl von solchen Schlichtungsanträgen wurde in der Vergangenheit Kapitalanlegern von dritter Seite (Vereinen und Rechtsanwälten) zur Verfügung gestellt, um damit die Hemmung der Verjährung ihres Schadensersatzanspruchs zu bewirken. Bereits in der Vergangenheit haben diverse Oberlandesgerichte, etwa Frankfurt, Düsseldorf, Karlsruhe oder Bamberg sich schon mit solchen Anträgen beschäftigt, auch solchen, die von Rechtsanwälten für ihre Mandanten eingereicht wurden. Teilweise wurde dabei solchen unbestimmten Anträgen die Hemmungswirkung abgesprochen.
BGH formuliert Mindestanforderungen an den Inhalt von Güte- und Schlichtungsanträgen
Unter der Überschrift "Keine Verjährungshemmung durch Mustergüteanträge" hat der III. Zivilsenat des BGH am 18. Juni 2015 in vier Verfahren klargestellt, welchen Anforderungen ein Güteantrag in Anlageberatungsfällen zu genügen hat. Der von der Kanzlei Nittel & Minderjahn schon lange kritisierten Praxis, mit Musteranträgen zu arbeiten, wird damit endgültig ein Riegel vorgeschoben. Rechtsanwalt Michael Minderjahn dazu: "Wir fanden es schon immer bedenklich, geschädigten Kapitalanlegern ein Muster an die Hand zu geben, ohne dass sie gleichzeitig angehalten wurden, in dem Antrag ganz individuell die Beratung zu schildern und klarzustellen, wie es in ihrem Fall zu der jeweiligen Vermögensanlage gekommen ist."
Ein wirksamer Güte- oder Schlichtungsantrag muss nach den Entscheidungen des BGH zumindest folgende Angaben enthalten:
- möglichst genaue Bezeichnung der Vermögensanlage,
- Benennung der Zeichnungs- bzw. Investitionssumme,
- Bezeichnung mindestens den Beratungszeitraum,
- der Ablauf der Beratung soll "im Groben" umrissen werden,
- Beschreibung des geltend gemachten Anspruchs, so dass der Gegner erkennen kann, welcher Anspruch erhoben wird.
Wohlgemerkt: Dem Anleger wird nicht abverlangt, die einzelnen Pflichtverletzungen selbst schon genau zu bezeichnen. Vielmehr ist es so, dass sich viele Pflichtverletzungen aus dem Sachverhalt ergeben, auch solche, die ein juristischer Laie regelmäßig gar nicht kennen kann.
Schlichtungsanträge nach wie vor zur Hemmung der Verjährung geeignet
Für die Anleger ist dies deshalb so wichtig zu beachten, weil die Hemmung der Verjährung außerhalb eines Rechtsstreits oft sehr wichtig ist, vor allem dann, wenn etwa die Finanzierung eines Rechtsstreits weder geklärt noch gesichert ist. Hier bieten Schlichtungs- oder Güteanträge die Möglichkeit, mit geringem finanziellem Aufwand die Hemmung der Verjährung zu bewirken.
Wir raten dringend dazu, die Anforderungen an eine Beschwerde bei einem Ombudsmann oder einen Schlichtungsantrag bei einer Gütestelle nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Schon deshalb, weil gerade in der Anlageberatung jede Pflichtverletzung einer gesonderten Verjährung unterliegt, empfehlen wir stets sich zumindest von einem spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen. Das kostet auch nur sehr überschaubare Beträge, dürften sich aber oftmals lohnen.
Anwaltshaftung für fehlerhafte Güte- oder Schlichtungsanträge
In den Streitfällen, die der Bundesgerichtshof jetzt entschieden hat, steht für die Geschädigten fest, dass sie auch dann keinen Anspruch mehr geltend machen konnten, wenn wirklich Pflichtverletzungen vorlagen. Das ist sicher eine herbe Enttäuschung. Vermutlich wird dies jetzt vielfach zum Anlass genommen werden, diejenigen, die zu den Musteranträgen geraten haben, in die Haftung zu nehmen.
Sollten Ihr Anspruch bereits von einem Gericht mit der Begründung abgewiesen worden sein, der von Ihrem Rechtsanwalt gestellte Güte- oder Beschwerdeantrag sei nicht geeignet die Verjährung zu hemmen, müssen Sie sich rechtzeitig darüber Gedanken machen, ob Sie ihn ausreichend mit Informationen versorgt haben. Im zweiten Schritt stellt sich erst die Frage, ob hier nicht ein Haftungsfall im Rahmen der so genannten Anwaltshaftung vorliegt.
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