In einem aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt (Beschluss vom 24. Juli 2024 – 21 W 146/23) hat der Senat über eine Anfechtung einer Erbausschlagung entschieden. Dabei ging es insbesondere um die Frage, wann ein Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses berechtigt, eine Erbausschlagung anfechten zu können.
1. Ausgangslage des Falles
Im vorliegenden Fall hat die Tochter der Erblasserin, die Beteiligte zu 1), das Erbe zunächst ausgeschlagen. Sie hatte seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter und nahm aufgrund der Informationen der Polizei und eigener Nachforschungen an, Ihre Mutter hätte in prekären Verhältnissen gelebt und kein Aktivvermögen. Die Erbausschlagung beruhte auf der Annahme, dass der Nachlass überschuldet und kein wertvolles Vermögen vorhanden sei. Solche Gründe führen häufig dazu, dass Erben sich entscheiden, das Erbe auszuschlagen. Später stellte sich jedoch heraus, dass im Nachlass erhebliche Vermögenswerte vorhanden waren. Aufgrund dieses Irrtums hat die Beteiligte zu 1) die Erbausschlagung angefochten und einen Alleinerbschein beantragt.
2. Rechtliche Grundlagen für die Anfechtung einer Erbausschlagung
Nach § 1944 BGB kann eine Erbschaft ausgeschlagen werden. Jedoch gibt es die Möglichkeit, diese Entscheidung nachträglich zu korrigieren, wenn die Erbschaft aufgrund eines Irrtums ausgeschlagen wurde. Um eine Erbausschlagung anzufechten, ist es erforderlich, dass der Irrtum eine „verkehrswesentliche Eigenschaft“ des Nachlasses betrifft. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Erbe fälschlicherweise von einer Überschuldung des Nachlasses ausgeht, obwohl tatsächlich Vermögen vorhanden ist.
3. Entscheidung des Gerichts
Das OLG Frankfurt entschied, dass die Beteiligte zu 1) berechtigt war, die Erbausschlagung anzufechten, da sie sich über die Zusammensetzung des Nachlasses geirrt hatte. Der Irrtum über das Vorhandensein von Aktiva wie einem Girokonto und Sparguthaben war kausal für ihre Entscheidung, das Erbe auszuschlagen. Wäre ihr dieses Vermögen bekannt gewesen, hätte sie das Erbe nicht ausgeschlagen.
Das Gericht stellte klar, dass ein Irrtum über den Wert des Nachlasses selbst nicht ausreicht, um eine Erbausschlagung anzufechten. Entscheidend ist, ob der Erbe über die tatsächlichen Vermögensgegenstände und Schulden des Nachlasses falsch informiert war.
4. Praxistipps für Erben: Erbausschlagung anfechten
Für Erben ist es wichtig, sich vor der Entscheidung zur Ausschlagung des Erbes umfassend über den Nachlass zu informieren. Eine vorschnelle Erbausschlagung kann erhebliche finanzielle Nachteile mit sich bringen, insbesondere wenn Vermögenswerte übersehen werden. Sollte sich nachträglich herausstellen, dass der Nachlass doch wertvolle Vermögensgegenstände enthält, besteht die Möglichkeit, die Erbausschlagung anzufechten.
Dabei müssen jedoch klare Voraussetzungen erfüllt sein: Der Irrtum muss sich auf eine wesentliche Eigenschaft des Nachlasses beziehen, wie etwa das Vorhandensein von Aktiva oder Schulden. Es reicht nicht aus, lediglich den Wert des Nachlasses falsch einzuschätzen.
5. Fazit
Der Beschluss des OLG Frankfurt bietet wichtige Hinweise für Erben, die eine Erbausschlagung anfechten möchten. Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit, sich gründlich über den Nachlass zu informieren, bevor eine Erbausschlagung erfolgt. Ein Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses kann die Grundlage für eine Anfechtung bilden, wenn dieser Irrtum wesentlich und kausal für die Entscheidung war.
Erben, die eine Erbausschlagung anfechten möchten, sollten sich rechtzeitig juristisch beraten lassen, um sicherzustellen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind und die Fristen eingehalten werden.
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