Ausgehend von § 121 BGB wurde dem Begriff "unverzüglich" bislang, im Allgemeinen und rechtsgebietsübergreifend die Bedeutung "ohne schuldhaftes Zögern" beigemessen. Ohne "schuldhaftes Zögern" handelt jemand dann, wenn er nicht sofort, aber innerhalb einer nach den umständen des Einzelfalls angemessenen Frist handelt.
Die 4. Kammer des Sozialgerichts Regensburg hält an dieser Definition offensichtlich nicht fest und will wohl nur ein sofortiges Handeln als "unverzüglich" behandeln:
Der Autor beantragte für einen Mandanten im Bereich des SGB II (Hartz IV) den Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 86b Abs. 2 SGG) und beantragte für das einstweilige Rechtsschutzverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Anwaltsbeiordnung. Zur Glaubhaftmachung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wurde die formularmäßige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verwendet und dem Gericht zusammen mit der Antragsschrift am 08.10.2015 übersendet.
Mit Telefax vom 20.10.2015 wies das Sozialgericht darauf hin, dass die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unvollständig sei und stellte die "unverzügliche Erledigung" anheim; eine konkrete Frist wurde nicht gesetzt.
Am selben Tag wurde dem Mandanten dieses Telefax übermittelt zusammen mit einer neuen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und der Bitte, die Erklärung nochmals und vollständig auszufüllen.
Am 21.01.2015 übersandte der Mandant dann die - vollständig ausgefüllte - Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an die Kanzlei, wo sie 22.10.2015 einging.
Am selben Tag, also am 22.10.2015 und nur rund 48 Stunden nach Hinweis des Gerichts auf die Unvollständigkeit der bisherigen Erklärung wurde die neue Erklärung an das Sozialgericht Regensburg übersendet.
Zu spät.
Das Gericht ging offenbar davon aus, dass die Nachbesserung des unvollständigen Antragsformulars nicht mehr unverzüglich war. Jedenfalls hat es mit Datum vom 22.10.2015 neben dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch den PKH-Antrag abgelehnt. Die vollständige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sei dem Gericht nicht rechtzeitig vorgelegt worden.
Die Reaktion auf einen gerichtlichen Hinweis nach zwei Tagen (!) ist nach Ansicht der 4. Kammer des Sozialgerichts Regensburg schon nicht mehr "unverzüglich". Die Reaktion hätte wohl am selben oder spätestens am Tag nach Zugang des Hinweises erfolgen müssen.
Schade, dass das Gericht sich nicht dazu verhält, wie dies in der täglichen (Anwalts-) Praxis umsetzbar sein soll angesichts von Krankheit, Urlaub, Postlaufzeiten, Fortbildung, anderweitigen Verhandlungs- oder Besprechungsterminen oder der Bearbeitung von sonstigen Fristsachen. Es mag die Kammervorsitzende überraschen: Aber der Rechtsanwalt an sich hat üblicherweise mehr als ein Mandat zu betreuen!
Dass diese Entscheidung - im Interesse von Anwälten und Bürgern - hoffentlich keinen Bestand haben kann, liegt auf der Hand. Und falls doch muss diese Bearbeitungsgeschwindigkeit künftig auch der Maßstab für die gerichtliche Fallbearbeitung sein, was dann zumindest wieder im Interesse der rechtsuchenden Bürger wäre, von der Realität jedoch weit entfernt sein dürfte.
Artikel
05.11.2015