Rechtsanwalt Mathias Klose

93049, Regensburg
Rechtsgebiete
Strafrecht Sozialrecht Arbeitsrecht
13.04.2013

Gleiche Unfallversicherungsbeiträge für Bäckereien und Konditoreien

Die Klägerinnen sind zwei Unternehmen des Konditoreigewerbes. Eine Klägerin stellt Konditoreiwaren in industrieller Fertigung, die andere als handwerklich geprägter Betrieb her. Beide Unternehmen wurden von der beklagten Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) für das Jahr 2005 nach dem neuen Gefahrtarif zu der Gefahrtarifstelle 1 mit Gefahrklasse 6,0 veranlagt. In dem Gefahrtarif wurden die Gewerbezweige "Herstellung von Back- und Konditoreiwaren" erstmals zusammengefasst, was bei den "Nur-Konditoren" zu einer erheblichen Beitragssteigerung führte. Hiergegen wandten sich die Klägerinnen und machten geltend, der Gefahrtarif sei rechtswidrig, weil beide Gewerbezweige zu derselben Tarifstelle veranlagt werden. Diese seien weiterhin getrennt zu veranlagen, weil die Risiken signifikant voneinander abwichen.

 

In der Revisionsinstanz hat der 2. Senat des Bundessozialgerichts am 11. April 2013 den Gefahrtarif 2005 der Beklagten gebilligt.


 
Die Unfallversicherungsträger setzen die Gefahrklassen durch ihre Vertreterversammlungen als autonomes Recht in einem Gefahrtarif fest (§ 157 Abs .1 SGB VII, § 33 Abs. 1 SGB IV).Bei der Bildung von Gefahrklassen steht der Vertreterversammlung als Satzungsgeber ein selbständig auszufüllender Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu. Die hier mittelbar angegriffene Regelung im Gefahrtarif 2005 hält sich noch im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums. Sie entspricht den Vorgaben der gesetzlichen Ermächtigungsnormen (§§ 157, 158 SGB VII, 33, 34 SGB IV). Werden in einer Tarifstelle verschiedene Gewerbezweige zusammengefasst, dürfen die Belastungsziffern der einzelnen Zweige statistisch nicht signifikant von der durchschnittlichen Belastungsziffer der Tarifstelle abweichen. Das ist hier (noch) nicht der Fall. Für den Gefahrtarif 2005 wäre bei getrennter Veranlagung für die Herstellung von Konditoreiwaren die Gefahrklasse 4,0 vorzusehen gewesen. Die Abweichung der Gefährdungsrisiken der Konditoreien zu der festgesetzten Gefahrklasse erreiche zwar ein Ausmaß von ca. einem Drittel. Damit hält sich der Normgeber unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Ausgleichs aber gerade noch im Rahmen seines Regelungsspielraums.

 

Auch die Grundrechte der Klägerinnen sind nicht verletzt. Der Schutz der allgemeinen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) schließt eine Zusammenführung von Tarifstellen oder die Überführung von sich wandelnden Gewerbezweigen in andere Tarifstellen grundsätzlich nicht aus. Auch war bei der Prüfung, ob den Klägerinnen Vertrauensschutz gemäß Art 2. Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG zustand, zu berücksichtigen, dass der Gefahrtarif jeweils nach Ablauf seiner Geltungsdauer zwingend neu festzulegen ist und das Gesetz selbst eine maximale Geltungsdauer eines Gefahrtarifs von 6 Jahren vorsieht. Die Regelungen des Gefahrtarifs halten sich auch in den durch Art 3 Abs. 1 GG gesetzten Grenzen einer zulässigen Typisierung.

 

BSG, 11.04.2013, Az. B 2 U 4/12 R, B 2 U 8/12 R; PM 9/13 v. 11.04.2013