Rechtsanwalt Mathias Klose

93049, Regensburg
Rechtsgebiete
Strafrecht Sozialrecht Arbeitsrecht
19.11.2013

Elektronische Gesundheitskarte verfassungsgemäß

Versicherte sind verpflichtet, zum Nachweis ihres Versicherungsschutzes ab dem 1. Januar 2014 die elektronische Gesundheitskarte zu benutzen. Es besteht kein Anspruch gegen die Krankenkassen auf Ausstellung eines anderweitigen Versicherungsnachweises. Sowohl die Nutzungspflicht als auch die Speicherung der Personaldaten auf der Karte sind durch ein überwiegendes Interesse der Versichertengemeinschaft gedeckt. Sie sichern eine effektive Leistungserbringung und Abrechnung. Das obligatorische Foto erleichtert die Identitätskontrolle und verhindert damit einen Missbrauch der Karte. Zum 1. Januar 2014 wird die Nutzung der seit Jahren umstrittenen elektronischen Gesundheitskarte Pflicht für alle Versicherten. Bereits seit einigen Monaten wehren sich Versicherte vor allem wegen datenschutzrechtlicher Bedenken auch vor dem Sozialgericht Berlin gegen die Einführung der Karte. Bisher wurden die entsprechenden Rechtsschutzanträge wegen fehlender Dringlichkeit abgewiesen. Erstmals lehnte das Gericht einen Antrag nun auch aus inhaltlichen Gründen ab.
Der in Berlin wohnende Antragsteller war noch im Besitz einer alten Krankenversichertenkarte, die zum 30. September 2013 ungültig wurde. Trotz mehrfacher Aufforderung weigerte er sich, seiner Krankenkasse zur Anfertigung der neuen elektronischen Gesundheitskarte die angeforderten Personalangaben und ein Lichtbild zu übersenden. Zur Begründung gab er an, die „biometrisch angelegten Krankenkarten“ nicht nutzen zu wollen und verwies auf die dagegen erhobene öffentliche Kritik.

Am 21. Oktober 2013 rief der Antragsteller im Rahmen eines Eilverfahrens das Sozialgericht Berlin an. Er beantragte, die Krankenkasse zu verpflichten, ihm eine Bescheinigung über seinen Versicherungsschutz auszustellen, die er anstelle der elektronischen Gesundheitskarte bei seinen Ärzten vorlegen könne. Mit Beschluss vom 7. November 2013 wies die 81. Kammer des Sozialgerichts Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück.

Der Antragsteller sei gesetzlich verpflichtet, ab dem 1. Januar 2014 zum Nachweis seines Versicherungsschutzes die elektronische Gesundheitskarte zu nutzen. Diese Nutzungspflicht beschränke zwar die allgemeine Handlungsfreiheit des Antragstellers, sei jedoch durch das Interesse der Solidargemeinschaft an einer effektiven Leistungserbringung und Abrechnung der Behandlungskosten gerechtfertigt.  Der Antragsteller sei auch zur Mitwirkung verpflichtet. Ohne die Übersendung der Personaldaten und eines Lichtbildes könne die Krankenkasse seine Karte nicht erstellen. Bei der Erweiterung der Krankenversicherungskarte zur elektronischen Gesundheitskarte ändere sich nichts am Umfang der Daten, die zwingend auf der Karte enthalten seien. Weder die Speicherung dieser Daten noch das Foto verletzten das Sozialgeheimnis des Antragstellers oder sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (abgeleitet aus Art. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 Grundgesetz). Das Allgemeininteresse an der Darstellung des Lichtbildes und der Speicherung der Daten überwiege erheblich das Individualinteresse des Antragstellers. Der damit verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung müsse hingenommen werden. Die zwingend anzugebenden Personaldaten beträfen keine höchstpersönlichen oder sensiblen Verhältnisse des Versicherten. Das Versicherungssystem könne im übrigen nur funktionieren, wenn sich alle Versicherten bei der Inanspruchnahme von Leistungen ausweisen würden.

Der Umstand, dass die elektronische Gesundheitskarte technisch geeignet sei, weitere Angaben und Funktionalitäten aufzunehmen, stehe der Nutzung nicht entgegen. Zum einen seien diese erweiterten Möglichkeiten noch gar nicht eingeführt. Zum anderen sei die erweiterte technische Nutzung laut Gesetz nur bei entsprechender Zustimmung der Versicherten zulässig.

Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 7. November 2013 (Az. S 81 KR 2176/13 ER); PM vom 15.11.2013