Heute gibt es endlich Antworten auf einige drängenden Fragen von Fotografinnen & Fotografen zur DSGVO (siehe unten). Mein Artikel zu den möglichen Auswirkungen der Anwendbarkeit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ab dem 25. Mai 2018 auf weite Bereiche der Fotografie hat für etwas Wirbel gesorgt. Zwar gilt die DSGVO bereits seit fast 2 Jahren. Auch gab es schon vorher einige Artikel von Kollegen, die die möglichen Auswirkungen auf Öffentlichkeitsarbeit und Fotografie skizzierten & Änderungen bzw. Klarstellungen durch den Gesetzgeber anmahnten. Doch erst kurz vor Ultimo wird offenbar auch dem Letzten klar, dass er sich endlich um Datenschutz kümmern muss.
Reaktionen
Die Reaktionen auf meinen Artikel reichten von Danksagungen von Betroffenen für die Zusammenfassung & kollegialer Zustimmung über Berge von Nachfragen zu konkreten Einzelfällen oder grundsätzlichen Fragestellungen bis hin zu geradezu empörten Reaktionen involvierter Politiker und Vorwürfen wie „Panikmache!“ oder „Der will ja nur Geld damit verdienen“.
Diesen Vorwürfen halte ich entgegen: Ja genau, denn das ist mein Beruf. Oder anders: Meines Erachtens lassen die Normen der DSGVO zahlreiche Auslegungen zu. Deshalb ist es meine Aufgabe als Berater, Betroffene auch und gerade auf die möglichen Folgen des Worst Case bzw. der für die Betroffenen schlechtest möglichen Auslegung hinzuweisen. Ich bin nun einmal hauptberuflicher Bedenkenträger und möchte niemals hören: „Das hättest du mir aber sagen müssen“. Auch zeigt die Vergangenheit, dass nicht selten Gerichte Normen ganz anders auslegen, als Politiker sie gemeint haben wollen. Wie oft wurde z. B. die Störerhaftung im Bereich Filesharing „abgeschafft“? Zweimal? Dreimal?
Viel Traffic, wenig Zeit
Außerdem kann ich gelassen darauf hinweisen, dass ich durch den oben genannten Artikel bislang kein einziges Mandat gewonnen und keinen einzigen Cent verdient habe. Zwar haben wir seit einer Woche täglich etwa das Hundertfache des normalen Traffic auf unserer Website und zig Anfragen per E-Mail & Telefon. Wir kommen aber wegen weiter eintreffender Anrufe und E-Mails kaum dazu, zu antworten bzw. etwaige Mandate anzunehmen und zu bearbeiten. Deshalb habe ich mich auch dazu entschlossen, die zahlreichen Nachfragen zu sammeln, nach wiederkehrenden Schwerpunkten zu gewichten und daraus Frequently Asked Questions (FAQs) zu machen.
Bitte entschuldigen Sie, dass es etwas gedauert hat. Es war & ist viel zu tun (siehe oben). Daneben möchten auch noch eine Kanzlei geführt und bestehende Mandate bearbeitet werden. Dieser Artikel wurde denn auch im DSGVO-Erholungsurlaub vorerst fertiggestellt, weshalb manche Antworten etwas kürzer als gewünscht ausfallen mögen. Ich werde mich bemühen, die Antworten baldmöglichst ausführlicher zu fassen.
Politiker vs. Juristen
Einer der „Väter“ der DSGVO, der ehemalige EU-Parlamentarier Jan Albrecht und sein Mitarbeiter haben in einer Diskussion auf Twitter darauf hingewiesen, dass sich durch die Anwendung der DSGVO „nichts ändere“. Das KUG gelte quasi einfach weiter. Das möchte ich insbesondere für Fotografinnen & Fotografen sowie uns alle hoffen. Vielen Dank für die Stellungnahmen & Hinweise. Ich habe aber weiter meine Zweifel.
Übrigens: Wie Kollege Dr. Carlo Piltz am 30. April 2018 meldete, hat der europäische Gesetzgeber gerade jetzt & damit rund einen Monat vor Anwendbarkeit doch noch Änderungen am Wortlaut der DSGVO vorgenommen. Während viele davon bloße Beseitigung von Rechtschreibfehlern und Unklarheiten waren, sollen auch gravierendere Änderungen mit entsprechenden Konsequenzen darunter sein. Nach dem, was ich bisher gesehen habe, ist der Bereich Fotografie davon jedoch nicht betroffen. Sämtliche bereits gedruckte und verkaufte Literatur mit Bezug auf die seit rund zwei Jahren geltende DSGVO dürfte damit aber verramscht werden können. Wer bereits Fachbücher & vor allem Gesetzestexte gekauft hat, wird sich ärgern. Die Verlage wird es freuen.
Abschließend: Natürlich werden am 25. Mai 2018 nicht die Rollkommandos der Datenschutzbehörden Hausdurchsuchungen durchführen. Gerade norddeutsche Datenschutzbehörden sind aber dafür bekannt, gerne das ein oder andere Exempel zu statuieren, siehe Facebook Like-Button in Schleswig-Holstein etc. Auch kenne ich die „Kreativität“ einiger meiner Kolleginnen & Kollegen, was Gründe für Abmahnungen angeht.
Die häufigsten Fragen:
(Disclaimer: Diese FAQs sind „Work in progress“ und werden nach und nach bearbeitet sowie bei Neufassung der DSGVO Bedarf & freier Zeit aktualisiert. Deshalb können und wollen wir keine Haftung dafür übernehmen. Darüber hinaus kann die Beantwortung der folgenden Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen. Bei konkreten Fragen zu Ihrem Einzelfall wenden Sie sich deshalb bitte an spezialisierte Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte Ihres Vertrauens.)
Q: Gilt die DSGVO auch rückwirkend, also für Fotos, die vor dem 25. Mai 2018 angefertigt wurden?
A: Meines Erachtens ja. Zwar wurden die Fotos in der Vergangenheit angefertigt. Die Datenerhebung hat also bereits vor Anwendbarkeit der DSGVO stattgefunden. Die Datenspeicherung dauert jedoch an. Auch werden jegliche Verarbeitungsvorgänge in der Zukunft wie die Verlagerung an einen anderen Speicherort, die Weitergabe und allgemein die Nutzung in der Zukunft Datenverarbeitungsvorgänge darstellen und damit unter die DSGVO fallen.
Q: Darf ich in der Vergangenheit gekaufte Stock Fotos mit Personen in Zukunft noch benutzen?
A: Ja. Aber siehe oben Rückwirkung.
Q: Können Einwilligungen von vor 25. Mai 2018 auch widerrufen werden?
A: Ja.
Q: Reicht es, wenn ich Gesichter unkenntlich mache (verpixeln, schwarze Balken o. ä.)?
A: Meines Erachtens nein bzw. nicht unbedingt. Auch bereits in der Vergangenheit galt im Bereich des Kunsturhebergesetz (KUG): Ein Foto kann in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen, wenn die Person erkennbar ist. Erkennbar kann eine Person aber nicht nur am Gesicht sein, sondern auch anhand anderer Körpermerkmale, wie z.B. Frisur, Silhouette, individuelle Tätowierungen oder ähnliches. Dabei bitte auch bedenken, dass hochauflösende Fotografie heutzutage schon ermöglicht, aus einem normalen Foto unter bestimmten Umständen sogar die Fingerabdrücke der fotografierten Person zu generieren, wie z. B. bei der Bundesverteidigungsministerin von der Leyen geschehen. Auch galt bereits bei Anwendung des KUG, dass die Person nicht tatsächlich erkannt worden sein, sondern lediglich die Erkennung fürchten muss. Ich gehe davon aus, dass diese Maßstäbe des KUG in Bezug auf die „Erkennbarkeit“ in der DSGVO jedenfalls bei Fällen, die in Deutschland ausgefochten werden, übertragen werden.
Q: Wie muss ein DSGVO-konformes Model Release, wie müssen AGB und Einwilligung künftig gestaltet sein?
A: Wir arbeiten gerade an der Erstellung von DSGVO-konformen Model Releases, AGB & Einwilligung-Formularen. Ich gehe aber davon aus, dass diese höchst individuell gestaltet werden sein müssen, nicht zuletzt deshalb, weil eine Einwilligung in die Datenerhebung und Verarbeitung per Anfertigung eines Fotos ebenso wie alle anderen Datenverarbeitungsvorgänge im Rahmen der DSGVO informiert & freiwillig erfolgen muss. Die abgebildeten Personen müssen deshalb Zweck, Art & Umfang der mit dem Foto geplanten Maßnahmen, wie z.B. eine Veröffentlichung im Internet, kennen. All die geplanten Maßnahmen sollten deshalb in einem schriftlichen Einwilligungsformular angegeben werden, auch wenn für die Einwilligung im Bereich der DSGVO nach Ansicht vieler Experten keine Schriftform erforderlich ist. Fotografinnen & Fotografen sollten sich aber für den Fall einer späteren Auseinandersetzung absichern, weshalb ich unbedingt die Schriftform empfehle. Da die Anfertigung solcher Einwilligungsformular höchst individuell ist, kann sie nicht im Rahmen dieser allgemeinen Fragen und Antworten geschehen. Wenn Sie den Entwurf auf Ihren Fall angepasster Formulare wünschen, so wenden Sie sich gerne direkt an unsere Kanzlei.
Q: Kann ich der DSGVO entgehen, wenn ich nur noch analog fotografiere?
A: Schwierig, spätestens wenn die Bilder z. b. katalogisiert & verschlagwortet werden ist die DSGVO m. e. Wieder anwendbar.
Q: Kann ich der DSGVO entgehen, wenn ich die Erstellung von EXIF-Daten u. ä. verhindere oder sie sofort lösche?
A: Das dürfte m. E. nicht ausreichen.
Q: Kann mir bei Veranstaltungen (Sport, Konzert, Hochzeit etc.) der Veranstalter helfen, z. B. mit Zutrittbedingungen, die eine „automatische“ Einwilligung von jedem Anwesenden fordern?
A: Nein, ich fürchte, das wird nicht ausreichen, ist aber bis auf Weiteres wohl die einzige Lösung für das Dilemma der Event-Fotografen. So wird im Konfliktfall wohl nicht Unterlassung, eventuell aber zumindest Schadensersatz vermieden werden können. Garantiert ist das aber selbstverständlich nicht.
Q: Kann ich mich vom Veranstalter / Kunden von jeglicher Haftung freistellen lassen?
A: Nein, siehe oben. Auch wer keinen Schadensersatz leisten muss, wird unter Umständen unterlassen müssen.
Q: Kann eine Veranstalter / Kunde z. B. vertraglich jegliche Haftung auf mich abwälzen?
A: Das wird spätestens jetzt sicher häufig gefordert werden, darauf sollten sich, schon wegen der unsicheren Rechtslage, Fotografinnen & Fotografen nicht einlassen. Versucht wird es schon, wie mir Betroffenen berichtet haben.
Q: Reichen Akkreditierung oder Presseausweis, um in den Genuss des Presseprivilegs bzw. Medienprivilegs zu kommen?
A: M. E. nicht, da man damit nicht zwingend unter das Medienprivileg von Presse & Rundfunk fällt. Es wird aber sicher hilfreich sein, um ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen zu können.
Q: Welche Rechte haben erkennbar Abgebildete in Zukunft?
A: Betroffene, also z.B. erkennbar Abgebildete auf Fotos, haben umfangreiche Rechte gegen den Erheber und Verarbeiter ihrer Daten, also z.B. Fotografen.
- So haben sie das Recht auf transparente Information, also darüber, was zu welchem Zweck mit den personenbezogenen Daten gemacht werden soll und zwar bevor es tatsächlich passiert. Schon zu diesem Zeitpunkt muss auch darüber informiert werden, wie lange die Daten gespeichert werden sollen bzw. unter welchen Kriterien sie gelöscht werden. Die Betroffenen müssen darüber hinaus auf ihr Auskunfts-, Berichtigungs-, und Löschungsrecht hingewiesen werden sowie darauf, dass eine Einwilligung jederzeit grundlos widerrufen werden kann und darauf, dass Sie ein Beschwerderecht bei der Aufsichtsbehörde haben.
- Wie eben bereits ausgeführt, haben die Betroffenen auch ein umfangreiches Auskunftsrecht gegen den Datenerheber und -speicherer, also insbesondere über Zweck der Verarbeitung, Kategorien personenbezogener Daten, Empfänger der Daten, geplante Speicherdauer etc.
- Weiter haben Betroffene das Recht auf Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Datenverarbeitung.
- Schließlich können die Abgebildeten der Datenverarbeitung widersprechen bzw. ihre eventuell gegebene Einwilligung jederzeit grundlos widerrufen.
Q: Was droht Fotografen bei Verstößen gegen die DSGVO?
A:
- Da Betroffene tatsächliche oder vermeintliche Verstöße gegen ihre Rechte bei der zuständigen Aufsichtsbehörde melden können, drohen zunächst Maßnahmen der Aufsichtsbehörde bis hin zu Bußgeldern. Diese werden gegenüber Fotografen sicherlich nicht die in Rede stehenden Millionen Euro-Höhen erreichen. Viele Fotografen dürften aber auch bei wesentlich geringeren Bußgeldern in wirtschaftliche Nöte kommen. Ob und wie aktiv die Datenschutzbehörden werden, bleibt abzuwarten. Viele der genannten Rechte der abgebildeten galten auch schon bisher, ohne dass die Datenschutzbehörden große Aktivitäten entfaltet hätten. Dies ist bietet aber umgekehrt keine Sicherheit, dass dies in Zukunft so bleiben wird. So sind beispielsweise norddeutsche Datenschutzbehörden dafür bekannt, ab und zu Exempel zu statuieren und auch gegen Unternehmen vorzugehen, siehe Facebook-Like-Button in Schleswig Holstein.
- Daneben können sowohl Mitbewerber als auch Betroffene persönlich Abmahnungen wegen der Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen aussprechen. In welchem Umfang aus Wettbewerbsrecht gegen Datenschutzverstöße vorgegangen werden könnte, haben Kollegen bereits an anderer Stelle diskutiert. Aber auch Abgebildete könnten selbst oder per Anwalt gegen Fotografen bzw. Foto-Verwerter vorgehen, nicht zuletzt um Unterlassung und eventuell sogar Schadensersatz für illegale Verwertungen zu fordern. Ob sich daraus eine Abmahnwelle gegen Fotografen entwickelt, bleibt abzuwarten.
Q: Gilt das alles auch für Aufnahmen im Ausland?
A: Auf jeden Fall, wenn die Aufnahmen innerhalb der EU angefertigt und/oder gespeichert & verarbeitet werden.
Q: Müssen Kinder & Eltern einwilligen?
A: Schon bei Anwendung des KUG galt: Einsichtsfähige Kinder müssen neben ihren Eltern/Erziehungsberechtigten einwilligen!
Q: Gilt das alles auch für Film / Videos?
A: Ja. Abbildung ist Abbildung. Beim Film ist der mögliche Eingriff sogar noch größer & damit schwerer, da nicht nur ein Abbild der Person an einem bestimmten Ort, sondern auch ihres Verhaltens über einen bestimmten Zeitraum gespeichert wird.