In einem von IPCL Rieck & Partner durch zwei Instanzen erstrittenen Urteil entschieden Amtsgericht Stade (Az. 61 C 821/16) und Landgericht Stade (Az. 2 S 20/17), dass ein berechtigtes Interesse zur Beweissicherung durch Fotos das Recht am eigenen Bild einer abgebildeten Person aus § 22 KunstUrhG überwiegen kann. Weder Unterlassung noch „Schmerzensgeld“ sind vom Fotografen geschuldet, wenn die Bilder nur in einem Gerichtsverfahren als Beweise genutzt werden.
Der Fall:
Zwischen den Eigentümern zweier Doppelhaushälften war es in der Vergangenheit wegen Renovierungsarbeiten am Dach zu Streitigkeiten gekommen. Diese wurde auch vor Gericht ausgetragen – ein Nachbarschaftsstreit par excellence. Es ging um nicht genehmigte Arbeiten an einem Dach-Teil & um überhöhte Handwerker-Abrechnungen. So hatte der Handwerksbetrieb Stunden für gleich mehrere Handwerker & ein komplettes Baugerüst berechnet. Diese hohen Kosten wollte der Eigentümer der einen Doppelhaushälfte als Auftraggeber gerne z. T. auf die Eigentümerin der anderen Doppelhaushälfte abwälzen. Sie & ihr Lebensgefährte konnten aber zu keinem Zeitpunkt mehrere Handwerker oder ein Baugerüst beobachten. Sämtliche Arbeiten waren lediglich von einem einzigen Handwerker mit einer Anstell-Leiter ausgeführt worden. Auch waren sie mit den ausgeführten Arbeiten weder zufrieden noch hielten sie sie für erforderlich. Darüber & über die gesamte Höhe der Handwerker-Rechnungen stritt man deshalb vor Gericht. Dem Handwerksbetrieb waren durch die Eigentümerin der anderen Doppelhaushälfte mittlerweile jegliche Arbeiten an ihrem Dach-Teil verboten worden.
Als sich erneut ein vom Eigentümer der anderen Doppelhaushälfte beauftragter Handwerker am Dachübergang & damit auch am Dach-Teil der Eigentümerin der anderen Doppelhaushälfte zu schaffen machte, wollte deren Lebensgefährte dies zur Beweissicherung für das bereits laufende Gerichtsverfahren dokumentieren. Obwohl ihm von dem Handwerker sogar körperliche Gewalt angedroht wurde, ließ sich der Lebensgefährte der Eigentümerin nicht beirren. Er fertigte Fotos vom Dach & von den Tätigkeiten des Handwerkers an. Auf einigen der Aufnahmen war der Handwerker bei seinen Tätigkeiten auf einer Leiter auf dem Dach zu sehen. Abgebildet war er mit seinem ganzen Körper von hinten und teilweise im Profil.
Unstreitig zwischen den Parteien wurden die Fotos nur als Beweise in das erwähnte Gerichtsverfahren eingeführt. Sonst wurden sie nicht genutzt oder gar veröffentlicht.
Die Abmahnung:
Kurze Zeit später erhielt der Lebensgefährte der streitigen Eigentümerin eine Abmahnung im Namen eines ihm namentlich unbekannten Handwerkers. Der Handwerker meinte, sich auf den in das Gerichtsverfahren eingeführten Fotos wieder zu erkennen. Die Einführung in das Gerichtsverfahren als Beweismittel stelle eine Veröffentlichung der Fotos dar. Darin habe er niemals eingewilligt. Dies stelle deshalb einen rechtswidrigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar. Sein Recht am eigenen Bild aus § 22 KunstUrhG sei verletzt. Neben der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung forderte der Handwerker darüber hinaus wegen der angeblichen Rechtsverletzung Wiedergutmachung des angeblichen immateriellen Schadens, vulgo Schmerzensgeld, wegen der Nutzung der Bilder im Gerichtsverfahren in Höhe von 1.500,- Euro.
Wie der Handwerker überhaupt von der Nutzung der Fotos in einem Gerichtsverfahren erfahren hatte & wie er an die in der Abmahnung abgebildeten Fotos gekommen war, blieb unklar. Pikanterweise kam die Abmahnung aber von dem gleichen Anwalt, der auch den anderen Hauseigentümer in dem Nachbarschaftsstreit vor Gericht vertrat. Die streitige Eigentümerin & ihr Lebensgefährte witterten schon deshalb den wohl wahren Zweck der Abmahnung: Die für das Gerichtsverfahren als Beweismittel ausschlaggebenden Fotos sollten ausgeschaltet werden. Denn darauf war zu sehen, dass weder mehrere Handwerker noch ein Gerüst zur Durchführung der Arbeiten eingesetzt waren. Auch war deutlich zu sehen, dass sich der Handwerker an dem Dach-Teil der anderen Doppelhaushälfte zu schaffen machte. Der abgemahnte Lebensgefährte der Eigentümerin ließ sich daraufhin von IPCL Rieck & Partner beraten. Er verweigerte auf unser Anraten hin die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Die 1. Instanz:
Kurze Zeit später klagte der Handwerker vor dem Amtsgericht Stade gegen den Lebensgefährten der Eigentümerin auf Unterlassung, Auskunft, Schmerzensgeld & Ersatz seiner Anwaltskosten.
In der Klageerwiderung bestritt IPCL Rieck & Partner schon, dass der nur namentlich genannte, dem Beklagten unbekannte Kläger überhaupt auf den streitigen Fotos abgebildet sei. Schließlich hatte sich der damals tatsächlich fotografierte Handwerker nicht vorgestellt. Auch wurde dem klagenden Handwerker & seinem Anwalt durch Rechtsanwalt Lars Rieck erläutert, dass die bloße Verwendung von Fotos einer Person als Beweismittel in einem Gerichtsverfahren keinen Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild aus § 22 KunstUrhG darstelle. Vielmehr besteht ein so genanntes berechtigtes Interesse, wenn die Fotos als Beweismittel benötigt werden. Auch ist die Einführung in ein Gerichtsverfahren, in dem die Fotos lediglich dem Gericht und der Gegenseite offenbart werden, gem. schon jahrzehntelang herrschender Rechtsprechung nicht mit einer Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung i. S. d. § 22 KunstUrhG gleichzusetzen (vgl. z. B. KG Berlin NJW 1980, 89; OLG Schleswig NJW 1980, 352; LG Oldenburg, Urteil vom 05.06.1986, Az. 5 O 536/86; Urteil vom 22.03.1990, Az. 5 O 3327/89; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, § 22 KUG, Rn 9).
Das Urteil:
Das Amtsgericht Stade kam zu dem gleichen, für den Handwerker als Kläger niederschmetternden Ergebnis wie Rechtsanwalt Lars Rieck. Es wies die Klage ab. Der Kläger sei schon nicht aktivlegitimiert, also zur Klage berechtigt. Weder sei sein Gesicht auf den streitgegenständlichen Fotos zu erkennen noch ergebe sich aus den Merkmalen der abgebildeten Person, dass es sich um den Kläger handele. Dabei setzte sich das Amtsgericht Stade mit jedem einzelnen Bild sehr ausführlich auseinander, vermochte jedoch keinerlei Erkennbarkeit des Klägers zu bejahen.
Mangels Aktivlegitimation ohne Not, setzte sich das Amtsgericht Stade jedoch noch ausführlich mit der angeblichen Verletzung des § 22 KunstUrhG auseinander. Auch hier kam es zu einem vernichtenden Urteil. Selbst wenn der klagende Handwerker erkennbar gewesen wäre, hätte er die Nutzung der Bilder in einem Gerichtsverfahren nicht verbieten dürfen.
Zwar stellt das Einreichen der Lichtbilder bei dem Landgericht Stade in dem anhängigen Parallelrechtsstreit nach Auffassung des Gerichts tatbestandlich ein Verbreiten dar. Insoweit war der Beklagte jedoch wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt. Damit entfällt die grundsätzlich indizierte Rechtswidrigkeit. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen ist gegeben, da die Interessen der Lebensgefährtin des Beklagten in dem Parallelrechtsstreit, vermittelt über den Beklagten, der die Lichtbilder angefertigt hat und insoweit im Lager seiner Lebensgefährtin steht, zu Beweiszwecken vorrangig gegenüber eventuellen Rechten am eigenen Bild der abgebildeten Person zu bewerten sind. Der Eingriff – die Erkennbarkeit des Klägers auf den Lichtbildern an dieser Stelle einmal unterstellt – in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht am eigenen Bild des Klägers ist als äußerst niederschwellig anzusehen. Die Fotoaufnahmen greifen im Sinne der so genannten Sphärentheorie lediglich in die Sozialsphäre des Klägers ein. Sie zeigen – den Vortrag des Klägers an dieser Stelle als zutreffend unterstellt – den Kläger bei der Ausführung seiner beruflichen Tätigkeit. Er ist vollständig bekleidet. Er übt seine Tätigkeit in der Öffentlichkeit aus, wie sie von jedermann von der öffentlichen Straße aus zu sehen ist. Die Sozialsphäre ist insoweit dadurch gekennzeichnet, dass sie einen starken Bezug nach außen aufweist, wie es gerade bei der Tätigkeit des Klägers im Freien der Fall ist. Selbst wenn man darin also einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers erblickte, so müssten dessen Interessen jedenfalls im Rahmen einer Interessenabwägung zu Gunsten der Interessen der Lebensgefährtin des Beklagten vermittelt über den Beklagten zum Zwecke der Beweissicherung in dem genannten Parallelrechtsstreit zurücktreten. Die Relevanz der Beweismittel für das dortige Verfahren zeigt sich schon darin, dass sich ein gerichtlich bestellter Sachverständiger mit den vom Beklagten zur Verfügung gestellten Lichtbildern auseinandersetzen soll, um hieraus Rückschlüsse auf den Umfang der Dachdeckerarbeiten zu ziehen. Es ist in dem Zusammenhang auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte bzw. dessen Lebensgefährtin insoweit andere Möglichkeiten zu Beweissicherung gehabt hätten.
Auch dem Ansinnen des Handwerkers auf Schmerzensgeld erteilte das Amtsgericht Stade eine deutliche Absage:
Soweit der Kläger ein Schmerzensgeldanspruch in Höhe von mindestens 1500 € geltend macht, legt das Gericht diesen Antrag als auf Zahlung einer geldwerten Entschädigung gerichtet aus. Denn im Rahmen des Persönlichkeitsschutzes werden nur ausnahmsweise Geldansprüche zugebilligt, wobei es sich nicht um ein Schmerzensgeld im Sinne von § 253 BGB, sondern um eine geldwerte Entschädigung wegen Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG handelt. Die Verletzung des Rechts am eigenen Bild kann danach nur in Ausnahmefällen einen Anspruch auf Ersatz von immateriellen Schäden begründen. Nicht jede Verletzung des Persönlichkeitsrechts vermag einen Anspruch auf Geldentschädigung auszulösen. Erforderlich ist vielmehr, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Bei der Gesamtabwägung aller Umstände muss ein unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung zu bejahen sein. Wie bereits ausgeführt, läge hier – den übrigen Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt – bereits kein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers vor. Allein seine Sozialsphäre wäre betroffen. Der Kläger ist bei seiner beruflichen Tätigkeit-die Erkennbarkeit des Klägers auf den Lichtbildern unterstellt – abgelichtet worden, wobei er sich in Berufskleidung und in keiner Weise in irgendeiner ehrenrührigen Position oder Tätigkeit befunden hat. Eine geldwerte Entschädigung ist insbesondere bei einer so berufsbezogenen Tätigkeit und Veröffentlichung nicht gerechtfertigt.
Folgerichtig habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Auskunft oder Freistellung von Rechtsanwaltskosten und müsse stattdessen selbst sämtliche Kosten des Rechtsstreits tragen.
Die 2. Instanz:
Dieses eindeutige Urteil wollte der klagende Handwerker offenbar nicht auf sich sitzen lassen. Möglicherweise spielten auch die o. g., sachfremden Erwägungen zur Ausschaltung von Beweismitteln im dem Parallelverfahren vor dem Landgericht Stade eine Rolle. Jedenfalls legte der Handwerker das Rechtsmittel der Berufung ein und ging in die zweite Instanz vor das Landgericht Stade. Schon eine Woche nach Eingang der Berufungsbegründung riet die zuständige Kammer bei dem Landgericht Stade dem Kläger und Berufungskläger in einem ausführlich begründeten Beschluss zur Rücknahme der Berufung.Die Ausführungen und Ergebnisse des Amtsgerichts Stade seien nicht zu beanstanden. Die geltend gemachten Ansprüche stünden dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Weitere drei Wochen später nahm der Handwerker die Berufung zurück, womit das Urteil des Amtsgerichts Stade rechtskräftig wurde. Sämtliche Kosten der beiden Instanzen hat damit der klagende Handwerker zu tragen.
Fazit:
Nicht jede unerwünschte Aufnahme ist eine Persönlichkeitsrechtsverletzung. Auf die Verbreitung bzw. öffentliche Zurschaustellung ohne Einwilligung des Abgebildeten kommt es an. Auch eine solche kann aber unter bestimmten Umständen zulässig sein, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt und dass Recht am eigenen Bild des Abgebildeten zurückstehen muss.
Auch rechtfertigt nicht jede Verletzung des Rechts am eigenen Bild die Zahlung einer geldwerten Entschädigung. Dies ist nur bei schwerwiegenden Eingriffen in den Intimbereich des Abgebildeten zu bejahen, z.B. bei der unerlaubten Verbreitung von ohne das Wissen des Abgebildeten angefertigten Nacktfotos o. ä.
- Haben Sie Fragen zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Recht am eigenen Bild aus § 22 KunstUrhG?
- Wurde Ihr Recht am eigenen Bild durch Foto- oder Filmaufnahmen verletzt?
- Wird Ihnen als Fotograf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vorgeworfen?
Wir stehen Ihnen gerne mit unserem gesamten Sachverstand zur Verfügung. Rechtsanwalt Rieck ist u. a. Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und als solcher auf das gesamte Bild- und Persönlichkeitsrecht spezialisiert.
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