Rechtsanwalt Lars Rieck

IPCL Rieck & Partner Rechtsanwälte
20097, Hamburg
Rechtsgebiete
Urheberrecht und Medienrecht Gewerblicher Rechtsschutz Wettbewerbsrecht
27.10.2016

OLG Köln: Angabe einer Telefonnummer im Online-Handel nicht zwingend!

Das Oberlandesgericht Köln (Az. 6 U 180/15) hat am 08.07.2016 die Entscheidung des LG Köln bestätigt, dass der Betreiber eines Online-Shops seine Informationspflichten bereits dann erfülle, wenn er die technischen Möglichkeiten einer schnellen Kontaktaufnahme per E-Mail, Rückruf oder Online-Chat realisiere. Die Angabe einer Telefon- oder Faxnummer sei hierfür nicht zwingend notwendig. Die Revision ist unter dem Az. I ZR 163/16 vor dem BGH anhängig.

Was war geschehen?

Die Beklagte betreibt den Online-Shop amazon.de. Bestellt der Kunde in dem Online-Shop der Beklagten, erscheint vor Abschluss der Bestellung eine Seite, auf der der Verweis „kontaktieren Sie uns“ angeklickt werden kann. Anschließend sieht der Kunde ein Fenster mit mehreren Auswahlmöglichkeiten, und zwar:

  • Schicken Sie uns eine Email (Email)
  • Rufen Sie uns an (Telefon)
  • Einen Chat beginnen (Chat)

Klickt der Kunde die Schaltfläche „Rufen Sie uns an“ an, öffnet sich eine neue Seite, auf der die Beklagte die Möglichkeit bietet, den jeweiligen Kunden anzurufen (Rückrufoption). Alternativ wird auf „allgemeine Hilfsnummern“ verwiesen. Unter diesem Verweis finden sich Telefonnummern der Beklagten. Im Impressum der Beklagten wird keine Telefon- oder Faxnummer angegeben.

Die Kläger, nämlich der Dachverband von 16 Verbraucherzentralen und 25 weitere verbraucher- und sozialorientierter Organisationen haben darin einen Verstoß gegen verbraucherschützende Normen gesehen, nämlich gegen § 312d Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB. Denn die Beklagte informiere den Verbraucher vor Abschluss von Verträgen unzureichend über ihre Telefon- und Faxnummer, so die Kläger. Ein Rückrufservice sei nicht ausreichend.

Nachdem das LG Köln (Az. 33 O 233/14) die Klage gegen Amazon abgewiesen hat, befasste sich nun das OLG Köln als Berufungsgericht mit der Sache und bestätigte die Entscheidung des LG Köln.

Entscheidungsgründe

Nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGBGB muss der Unternehmer vor Vertragsschluss u.a. folgende Informationen zur Verfügung stellen:

  • Identität (etwa den Handelsnamen, Name des Vertreters etc.)
  • Anschrift des Ortes der Niederlassung
  • Telefonnummer und ggf. Faxnummer und Email – Adresse sowie
  • die Anschrift und die Identität des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt

Unter Bezugnahme auf Art. 6 der verbraucherschützenden Richtlinie 2011/83/EU muss der Verbraucher vor Vertragsschluss u.a. folgende Informationen zur Verfügung stellen:

  • Identität des Unternehmens (etwa der Handelsname)
  • Anschrift des Ortes der Niederlassung
  • Gegebenenfalls seine Telefonnummer, Faxnummer und Emailadresse, damit der Verbraucher schnell Kontakt zu ihm aufnehmen und effizient mit ihm kommunizieren kann
  • Anschrift und Identität des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt.

Die deutsche Umsetzung der Verbraucherrichtlinie durch Art. 246a EGBGB weicht von dem Wortlaut der Verbraucherrichtlinie ab. Zum einen muss Telefonnummer, Faxnummer und Emailadresse laut Verbraucherrichtlinie nur gegebenenfalls angegeben werden, und zum anderen fehlt in der deutschen Umsetzung die Begründung, dass die Angaben eine schnelle Kontaktaufnahme zur effizienten Kommunikation ermöglichen sollen.

Das OLG Köln bestätigt nun die Entscheidung des LG Köln, dass die Verpflichtung zur Angabe von Informationen zur Kontaktaufnahme nicht zwingend eine Telefonnummer umfassen, und stützt sich dabei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof aus dem Jahr 2008 (EuGH, NJW 2008, 3533 [Rz. 40]). Außerdem ergebe sich eine solche Verpflichtung auch nicht aus Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG (Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt). In anderen Normen zu anderen Sachverhalten sei eine Telefonnummer allerdings zwingend anzugeben, so dass daraus der Schluss gezogen werden könne, dass der Gesetzgeber unterschiedliche Formulierungen verwende, weil er damit auch eine inhaltlich abweichende Regelung treffen wollte.

Da es dem Gesetzgeber vor allem auf eine schnelle Kontaktaufnahme und effiziente Kommunikation ankomme, komme es entscheidend darauf an, dass der Unternehmer ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung stelle, um diese Voraussetzungen zu erfüllen.

Das Rückrufsystem, sowie der Chat oder die Kontaktaufnahme via Email der Beklagten genüge diesen Anforderungen. Eine Telefonnummer oder Faxnummer sei somit nicht zwingend erforderlich.

Praxistipp

Wir halten die Entscheidung des OLG Köln für überzeugend. Das OLG Köln legt die deutsche Umsetzung der europäischen Verbraucherrichtlinie zugunsten der Vollharmonisierung des Verbraucherrechts richt(ig)linienkonform aus.

Entscheidend ist auch nicht der Wortlaut allein, sondern vor allem auch Sinn und Zweck der Norm. Werden Sinn und Zweck der Norm erfüllt, weil dem Verbraucher hinreichende Möglichkeiten zur schnellen und effizienten Kontaktaufnahme geboten werden, ist es nicht einzusehen, weshalb auf eine Telefon- oder Faxnummer bestanden wird. Zu berücksichtigen ist auch, dass Amazon offenbar dargelegt hat, dass ihr Kommunikationssystem bei verschiedenen Vergleichstests deutlich besser abgeschnitten haben soll, als die anderer Unternehmen mit konventionellen Hotlines für ihren Kundenservice. Dies wurde von der Gegenseite auch nicht bestritten.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Zudem halten andere Gerichte die Angabe der Telefonnummer etwa in der Widerrufsbelehrung bzw. im Wiederufsformular für zwingend, soweit eine Telefonnummer verfügbar ist (so OLG Frankfurt, Beschluss v. 4.2.2016, Az. 6 W 10/16 und OLG Hamm, Beschl. v. 24.3.2015, Az I-4 U 30/15). Es bleibt daher abzuwarten, wann der BGH über das Erfordernis der Angabe einer Telefonnummer entscheidet.

Daher empfehlen wir, weiterhin sowohl Telefon- als auch Faxnummer in Ihren Verbraucherinformationen vorzuhalten. Sollte dies ausnahmsweise nicht möglich sein, haben Sie zumindest das OLG Köln auf Ihrer Seite. Darüber hinaus emfehlen wir eine fachmännische Beratung, da die rechtlichen Anforderungen an Shop-Betreiber für einen Laien kaum noch zu überschauen sind.

Haben Sie Fragen? Gleich anrufen: Tel. 040 / 41 16 76 25

RA´in Inge Seher, Foto: Michael Bernhardi

RA´in Inge Seher, Foto: Michael Bernhardi

IPCL Rieck und Partner Rechtsanwälte – Schnell. Kompetent. Bundesweit

„Alles im Grünen Bereich.“