Was es mit Upload-Filter, Link-Steuer und den aktuellen Beschlüssen des EU-Parlaments zum Urheberrecht auf sich hat, erklären wir im folgenden Artikel.
Am Mittwoch, den 12.09.2018 beschloss das EU-Parlament eine Reform des Urheberrechts. Das Parlament stimmte einem Entwurf zu, dessen scheinbar ebenso hehres wie nachvollziehbares Ziel war, dem Urheberrecht auch im Internet Geltung zu verschaffen. So sagte der Berichterstatter Axel Voß: „Das heutige Votum ist ein großer Schritt hin zu einem durchsetzbaren Urheberrecht auch im digitalen Bereich“.
Dem beruflich mit Urheberrecht befassten Juristen sträuben sich bereits an dieser Stelle die Haare. Schließlich stammt ein Großteil der Abmahnungen, mit denen er sich in seiner Mandatsarbeit befasst, aus Rechtsverletzungen im Internet.
Rechtsfreier Raum Internet?
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, auch nach alter Gesetzeslage nicht. Etwa mit § 19a UrhG, dem Recht auf öffentliche Zugänglichmachung, besteht schon seit geraumer Zeit ein einklagbares Recht des Urhebers, das anderen verbietet, sein Werk im Netz zugänglich zu machen. Ähnlich schützt das UWG auch heute schon vor wettbewerbsverzerrenden Äußerungen. Auch das Markenrecht findet selbstverständlich im Internet Anwendung.
Was also steckt wirklich hinter dem Gesetz mit den angeblich hehren Absichten? Unter den Schlagwörtern Upload-Filter und Link-Steuer sickerte im Vorfeld durchaus schon in die Berichterstattung durch, dass hier viel Schlimmeres droht als nur ein bisschen neues Urheberrecht.
Kurz gesagt bedeutet Upload-Filter, dass das bisherige „Notice-and-Takedown“-Verfahren durch eine Vorabkontrolle ersetzt werden soll. Die Link-Steuer ist die Einführung eines europäischen Leistungsschutzrechtes für Presseverleger nach deutschem Vorbild, obwohl schon das deutsche Vorbild recht einhellig von Juristen zerrissen wurde. Oder um es mit den Worten des Kieler Urheberrechtsprofessors Haimo Schack zu sagen: „Am besten schafft man deshalb dieses rundum sinnlose Leistungsschutzrecht wieder ab.“
Massive Proteste im Vorfeld
Im Vorfeld der Entscheidung sah sich das EU-Parlament mit einer Protestwelle gigantischen Ausmaßes konfrontiert. Der Protest führte zunächst dazu, dass der erste Entwurf des Gesetzes nicht bereits im zuständigen Ausschuss durchgewunken wurde, sondern im Parlament diskutiert werden musste. Damit hatten die Gegner des Entwurfs Zeit gewonnen.
Hunderttausende Bürger schrieben den Sommer über Mails oder riefen ihre Abgeordneten an, gegen den Entwurf zu stimmen. Wie mittlerweile üblich, wurde derartiger Protest von den Befürwortern als „gezielte Desinformationskampagne“ diskreditiert, die man zum Anlass nahm, nun erst recht für den Entwurf zu kämpfen. Wie desinformiert wohl stattdessen viele Abgeordnete waren, konnte man sehen, als eine schwedische Zeitung den Berichterstatter Axel Voss nach Details aus dem Entwurf fragte, die dieser offensichtlich nicht einmal wusste.
Der Protest führte aber immerhin zu hitzigen Diskussionen im EU-Parlament, die dazu führten, dass der Entwurf minimalst entschärft wurde: So wurden etwa Upload-Filter zwar beschlossen, aber nicht mehr so genannt.
Upload-Filter – die bisherige Rechtslage
Was sind nun die Upload-Filter, die beschlossen, aber nicht so genannt wurden?
Bisher galt im Internet das im Telemediengesetz festgelegte „Notice-and-Takedown-Verfahren.“ Das bedeutete, dass Plattformen wie YouTube oder Facebook ihren Nutzern frei erlauben können, sämtliche Inhalte hochzuladen. Die Plattformen haften auch nicht dafür, wenn urheberrechtlich geschützte oder sonstige gesetzeswidrige Inhalte hochgeladen werden. Erst wenn der Plattformbetreiber darüber informiert wurde, dass ein gesetzeswidriger Inhalt online stand, musste er diesen entfernen.
Der Gedanke hinter dem sogenannten Providerprivileg war zum einen, dass es dem Plattformbetreiber nicht zumutbar ist, sämtliche Inhalte, die ihre Nutzer den lieben langen Tag online stellen, vorab zu kontrollieren. Zum anderen sollte es auch dem Nutzer möglich sein, ohne Vorabkontrolle zu kommunizieren. Das entspricht auch der grundgesetzlich geschützten Kommunikationsfreiheit.
Upload-Filter – die neue Rechtslage
Im neuen Entwurf wird mit dem fast schon berüchtigten Artikel 13 nun der Spieß umgedreht: Plattformbetreiber sollen urheberrechtlich geschützte Werke auf ihren Plattformen zwangsweise lizenzieren, statt sie bei Warnung entfernen zu müssen. Für die lobbystarken Vertreter der Unterhaltsindustrie ist das natürlich bequemer, weil sie sich nicht mehr um die Vermarktung ihrer Produkte kümmern müssen, sondern einfach bei jedem illegalen Upload Geld vom Plattformbetreiber bekommen.
Insofern liegt der „Schwarze Peter“ jetzt beim bisher privilegierten Provider: entweder er zahlt für die Nutzungsmöglichkeit, oder er verhindert proaktiv, dass der Inhalt online gestellt wurde. Win-win dagegen für die Verwerter.
Für Fälle, in denen die Plattformbetreiber keine Lizenzvereinbarungen schließen wollen, sieht der jetzt angenommene Gesetzesentwurf vor, dass Betreiber und Verwerter bzw. Urheber zusammenarbeiten sollen, damit der Inhalt nicht mehr online steht. Das bedeutet im Ergebnis wieder Upload-Filter, auch wenn dieser Fall im Gesetz gar nicht geregelt ist. Denn wenn es ansonsten zu einer zwingenden Lizenzierung kommt, sammeln sich beim Plattformbetreiber sehr schnell Lizenzzahlungen in gewaltiger Höhe an. Angesichts der Masse an ständig hochgeladenem Material ist eine Überwachung auf geschützte Inhalte schlicht nicht anders möglich, als mit Upload-Filter.
Allerdings: YouTube kontrolliert bereits sehr engmaschig, ob geschützte Songs oder Videos online gestellt werden. Wer gezielt solche Inhalte verbreiten will, nutzt bereits heute Plattformen von eher zweifelhafter Natur, wie die Pirate Bay. Für diese Fälle greift bereits heute sehr urheberfreundliche Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs in Fällen von „offensichtlich rechtswidrigen Plattformen.“ Und gerade die, deren Geschäftsmodell das Teilen von geschützten Inhalten ist und die Webadressen im Südpazifik haben, werden auch weiterhin keine Uploadfilter einsetzen.
Heimspiel für die Big Player
Kurz gesagt, trifft das also nur die Plattformen, die eigentlich nicht gezielt rechtswidrige Inhalte verbreiten, sondern bei denen das ein unerwünschter Kollateralschaden ist. Diese Plattformen müssen jetzt einen erheblichen Mehraufwand betreiben, um sämtliche Medien ihrer Nutzer vorab zu kontrollieren, statt ihn einfach zu löschen, sobald er gemeldet wird. Das ist eine dramatische Erschwerung jedes Geschäftsmodells im Internet, das in irgendeiner Weise Nutzerkommunikation zulässt – wie es viele Blogs, Spiele, Lernapps und dergleichen inzwischen tun.
Dazu kommt, dass die Kommunikationsfreiheit der Nutzer massiv eingeschränkt wird. Nicht zu Unrecht wird befürchtet, dass viele legale Inhalte damit ebenfalls den Filtern zum Opfer fallen. Für Filter ist es kaum möglich, Inhalte zu erkennen, die nach dem Urheberrecht oder nach dem Grundgesetz legal sind.
Zudem ist Google mit seinen Filtern für YouTube aktuell der einzige Anbieter, der bereits ein solches Filtersystem entwickelt hat. Das neue Gesetz wird also eine Plattform stärken, die bereits jetzt Quasi-Monopolist ist. Denn andere Plattformen werden entweder bei Google anfragen müssen, ob sie eine Lizenz für den Filter bekommen, oder selbst mühsam solche entwickeln – was Jahre und Zehntausende Euro kosten könnte.
Um der Internetwirtschaft wenigstens ein bisschen entgegen zu kommen, wurden nun Ausnahmen für Kleinunternehmer vorgesehen – ein Fortschritt gegenüber dem ersten Entwurf. Wie hoch genau die Grenze gesteckt ist, wird aber wohl den Mitgliedsstaaten überlassen.
Die Kommunikationsfreiheit im Internet bleibt dagegen weiter auf der Strecke. Man merkt, dass Nutzer keine Lobby haben.
Leistungsschutzrecht für Presseverleger
Wie oben bereits angedeutet, bedeutet das Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Artikel 11, auch bekannt als Link-Steuer oder „link tax“, kaum Veränderung für Deutschland, auch wenn das neue Recht noch etwas strenger ist. Als wäre es nicht schlimm genug, dass ein Gesetz fortgilt, das zu Recht von Juristen wegen seiner Sinnlosigkeit, Gefahr für Grundrechte und Bevorzugung der Presseverleger verrissen wurde.
Leistungsschutzrechte sind ähnlich wie Urheberrechte gestaltet, nur dass sie nicht eine geistige Leistung mit einem Anspruch aus geistigem Eigentum belohnen. Stattdessen belohnen sie die Leistung des Verwerters, der eine urheberrechtsfähige Leistung an die Allgemeinheit verteilt und dafür erheblich finanziell in Vorleistung geht. Das ist beispielsweise bei Filmproduzenten durchaus einzusehen. Beim Lichtbildner (aka jeder, der den Auslöser seiner Handykamera drücken kann), muss man sich dagegen fragen, ob das nicht etwas aus der Zeit gefallen ist.
Und genauso verhält es sich mit dem erst wenige Jahre alten Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Hier wird das an und für sich sinnvolle Leistungsschutzrecht missbraucht, um den durch Google News verlinkten Presseunternehmen ein paar Groschen zuzuschustern.
Presseverleger erhalten einen gesetzlichen Vergütungsanspruch, wenn ihre Texte digital genutzt werden. Dabei sind reine Verlinkungen, „die von individuellen Wörtern begleitet werden“, ausgenommen. Ebenso ausgenommen sind private, nicht kommerzielle Nutzungen. Dies geschah wohl, um der absehbaren Wut der Internetnutzer zu begegnen, die das Leistungsschutzrecht als „Linksteuer“ kritisierten.
Der Unterscheid zischen gut & gut gemeint
Dennoch: der Anwendungsbereich des Leistungsschutzrechts bleibt weit. Aber er trifft die Falschen.
Denn er soll zwar offensichtlich Google News treffen, aber erfasst sind damit natürlich ebenfalls Blogger, die regelmäßig Artikel als Quellen zitieren. Ebenso erfasst sind die Verbreitungen von Artikeln mit Zitaten und/oder Überschrift mittels Social Media, vor allem auf Twitter geschieht dies häufig.
Nicht zuletzt ist dabei zu beachten, dass die Verlage ja ein ureigenes Interesse daran haben, bei Google gelistet zu werden. Gerade wenn Menschen verschiedene Artikel zu demselben Thema suchen, bietet sich Google an. Insofern führte das bisherige Leistungsschutzrecht für Presseverleger bereits dazu, dass Zeitungen, die versuchten, die Lizenzgebühren bei Google einzufordern, schlicht nicht mehr gelistet wurden.
Zwangslizenzen im Internet? Keine gute Idee!
Das EU-Parlament versucht hier also in doppelter Weise Zwangslizenzen zu etablieren, um die Verwertungsrechte von geschützten Werken zu sichern. Strukturell nichts Neues, das deutsche Urheberrecht kennt gesetzliche Vergütungsansprüche schon lange.
Allerdings bringen diese Regelungen eine gefährliche Schieflage mit sich. Der Schutz von Verwertungsrechten ist wichtig, aber nicht so wichtig, dass man dafür die freie Kommunikation im Internet komplett ruinieren darf.
Insgesamt haben die Abgeordneten des EU-Parlaments hier also im Grunde allen einen Bärendienst erwiesen.
Was letztlich hinter dem hehren Slogan, dem „Urheberrecht auch im Internet Geltung verschaffen“ steckt, sind Einzelinteressen von lobbystarken Gruppen, die sich von den neuen Regelungen individuelle Vorteile versprechen oder diese auch tatsächlich haben.
Für das freie Internet dagegen könnte das tatsächlich das Ende bedeuten.
(Autorin: Corinna Bernauer mit Lars Rieck)
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