Rechtsanwalt John Miehler

Miehler & Müller Rechtsanwälte GbR
80333, München
Rechtsgebiete
Insolvenzrecht Strafrecht Zivilrecht
27.01.2014

Warum Gläubigervergleiche überbewertet sind

Ich möchte Ihnen in diesem Beitrag nahebringen, dass ein Gläubigervergleich in Ihrem Fall ein Fehler sein könnte, der Sie Zeit und Geld kostet. Dies klingt natürlich seltsam, da wir die Insolvenzvermeidung durch Gläubigervergleich anbieten.

Die Vermeidung der Insolvenz ist in der Regel das oberste Ziel

Kaum ein Schuldner kommt in unsere Kanzlei und sagt, er möchte schnellstmöglich in die Insolvenz. Tatsächlich bringt eine Insolvenz auch eine Reihe von gravierenden Unannehmlichkeiten:

  • öffentliche Bekanntmachung
  • Eintragung in der Schufa und anderen Auskunfteien
  • ein gerichtliches Verfahren mit vielen Förmlichkeiten
  • Gefahr der Versagung der Restschuldbefreiung
  • Forderungen, die nicht in die Restschuldbefreiung fallen (unerlaubte Handlung, Geldstrafen, …)
  • Treuhänder und Gerichtskosten
  • Berufliche Nachteile zB Verlust der Zulassung bei Rechtsanwälten

Ein Gläubigervergleich vermeidet diese Nachteile.

Problem 1 : zuerst brauchen Sie die Zustimmung aller Gläubiger

Neulich konnten wir einen Vergleich feiern, bei dem durch eine Einmalzahlung von 3.000,00 EUR ein Betrag in Höhe von 123.341,56 EUR erledigt wurde. Der Fall wies aber ein paar Besonderheiten auf:

  • der Schuldner war in Rente, pfändbares Einkommen war für die Gläubiger nicht mehr zu erwarten
  • die Gläubiger hatten jahrelang erfolglos versucht zu vollstrecken
  • es handelte sich um eine Einmalzahlung durch Verwandte
  • es gab nur 3 Gläubiger

In vielen anderen Fällen ist die Zustimmung der Gläubiger schwer bis überhaupt nicht zu erhalten. Die häufigsten Probleme sind:

  • viele Gläubiger (je mehr Gläubiger um so wahrscheinlicher wird es, dass einzelne Gläubiger die Zustimmung versagen)
  • Ratenzahlungsangebot (manche Gläubiger erhalten Kleinstraten. Die angebotenen 0,43 EUR monatlich decken nicht einmal die Kosten der Buchhaltung)
  • Zahlungsversprechen des Schuldners wurden in der Vergangenheit nicht eingehalten
  • Junger Schuldner (Gläubiger hoffen auf eine Einkommensteigerung)

Natürlich sind Gläubigerverhandlungen mit einem deutlich höherem Aufwand verbunden als die Vorbereitung einer Verbraucherinsolvenz durch einen Schuldenbereinigungsplan. Die Zustimmung der Gläubiger ist meist nur durch persönliches Verhandeln am Telefon zu erreichen. Dieser erhöhte Aufwand schlägt sich auch in den Kosten nieder.

Wir raten daher unseren Mandanten nur dann zu einer Vergleichslösung, wenn wir realistische Erfolgsaussichten sehen.

Problem 2 : das Leben ist nicht planbar

Dies ist kein Einzelfall:

Wir hatten nach zähem Ringen für einen ehemals selbständigen Architekten eine Einigung mit allen Gläubigern, inclusive dem Finanzamt, erzielt. Einige Male hatte es ausgesehen, als ob die Verhandlungen scheitern würden. Der Vergleich sah eine Ratenzahlung und einen Verzicht auf einen Teil der Forderung vor, sobald eine bestimmte Summe bezahlt wurde.

Wir richteten ein Treuhandkonto ein und die Zahlungen des Schuldners wurden von uns entsprechend der Vereinbarung an die Gläubiger verteilt. Alles lief prächtig.

Nach 2 1/2 Jahren trennte sich die Frau des Schuldners. Der Schuldner musste seinen Arbeitsplatz wechseln und einen Einkommensverlust in Kauf nehmen.

Wegen des Unterhalts und der getrennten Haushaltsführung konnten die Raten nicht mehr bezahlt werden und die Gläubiger haben die mühsam erkämpfte Vereinbarung (berechtigt) gekündigt. Die vereinbarte Anpassungsklausel griff nicht. Der Architekt musste nun doch in die Insolvenz.

Durch den Vergleich hat er nicht nur 2 1/2 Jahre verloren. Um die Insolvenz zu vermeiden, hat er den Gläubigern etwas höhere Zahlungen angeboten, als in einem Insolvenzverfahren erforderlich gewesen wären. Trotzdem werden die Zahlungen nicht auf die Dauer eines Insolvenzverfahrens angerechnet. Es bleibt bei der üblichen Dauer der “Abtretungsphase”.

Ich hätte gleich in die Insolvenz gehen sollen. Trotz Vergleich spürte ich immer noch die Gläubiger im Nacken, weil ich jeden Monat die Angst hatte, die Rate nicht stemmen zu können. Eigentlich hat mich nur mein Stolz davon abgehalten, Insolvenz zu beantragen. Jetzt hab ich endlich meine Ruhe.

In einem Insolvenzverfahren hätte der Schuldner seinem Treuhänder eine Mitteilung gemacht. Der Einkommensrückgang hätte das Verfahren ansonsten nicht beeinträchtigt.

Ein Vergleich kann nicht alle Eventualitäten abdecken. Natürlich wird versucht, Anpassungsklauseln zu vereinbaren. Doch kein Gläubiger stimmt einem Ratenzahlungsverglich zu, der keine Kündigungsmöglichkeit vorsieht, wenn nicht bezahlt wird.

Fazit

  1. Wegen der erhöhten Kosten sollte nur dann ein Gläubigervergleich angestrebt werden, wenn es hierfür auch Erfolgsaussichten gibt.
  2. Eine Einmalzahlung ist bei den Gläubigern beliebter und bietet dem Schuldner auch eine bessere Sicherheit.
  3. Bei einer Ratenzahlung trägt der Schuldner immer die Gefahr, dass die Vereinbarung später nicht mehr eingehalten werden kann und dennoch ein Insolvenzverfahren durchgeführt werden muss.

Wir helfen Ihnen Ihnen gerne bei der realistischen Abschätzung, ob ein Vergleich für Sie die optimale Lösung ist.