Der Bundestag hat am 16.5.2013 das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte angenommen, das zum 1.7.2014 in Kraft treten soll. Wir haben alle wesentlichen Änderungen aus Sicht des Schuldners zusammengestellt:
Überblick über die Änderungen
Verkürzug des Verfahrens
Verkürzung des Verfahrens auf drei Jahre, wenn 35% der Forderungen + Verfahrenkosten bezahlt werden oder auf fünf Jahre, wenn nur die Verfahrenskosten gezahlt werden können (mehr…)
Schuldenbereinigungsversuch
Obwohl in einigen Entwürfen der Wegfall des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs in aussichtslosen Fällen vorgesehen war, soll nunmehr in allen Fällen ein Schuldenbereinigungsverfahren durchgeführt werden.
Planverfahren
Auch in Verbraucherinsolvenzverfahren soll durch das Planverfahren eine weitere Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung des Verfahrens eingeführt werden (mehr…)
Arbeitspflicht
Die Arbeitspflicht des Schuldners besteht nunmehr im gesamten Verfahren (mehr …)
Unterhalt und Steuern
Hinterzogene Steuern und die Forderung aus der Verletzung von gesetzlichen Unterhaltspflichten fallen nicht mehr unter die Restschuldbefreiung (mehr …)
Versagungsgründe
Versagungsgründe müssen nicht mehr im Schlusstermin geltend gemacht werden (mehr …)
Schutz von Genossenschaftsanteilen
Genossenschaftsanteile sollen wie die Kaution geschützt werden
Wegfall des Abtretungsprivilegs
Bislang waren Gläubiger mit einer Gehaltsabtretung 2 Jahre lang privilegiert. Dies schlug in der Praxis auch in die außergerichtliche Schuldenbereinigung durch.
Einführung
Die neuen Regelungen sollen zum 01.07.2014 in Kraft treten. Die Regelungen für das Insolvenzplanverfahren sind auch auf laufende Verfahren anwendbar. (mehr…)
Verkürzung der Wohlverhaltensperiode
Kernstück der neuen Regelung ist aus Sicht der Schuldner natürlich die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode. Danach kann die Restschuldbefreiung bereits nach drei Jahren erteilt werden, wenn der Schuldner 35 % der Forderungen sowie die Verfahrenskosten berichtigt hat.
In den früheren Gesetzesentwürfen war eine Quote von 25 % der Forderungen vorgesehen. In der Praxis wurde bereits die Quote 25 % als unrealistisch betrachtet, da die meisten Schuldner kaum der Lage sein dürften, eine derart hohe Quote zu erfüllen. Üblicherweise erreichen die Gläubiger in einem Verbraucherinsolvenzverfahren während der Laufzeit von sechs Jahren eine Quote im einstelligen Prozentbereich. Auch auf dem Verbraucherinsolvenztag in München wurde eine Quote von 25 % als unrealistisch hoch eingeschätzt. Grundsätzlich privilegiert eine Quotenregelung Schuldner mit einem höheren Einkommen, denn nur über ein höheres Einkommen können überhaupt pfändbare Beträge erwirtschaftet werden. Natürlich kann dies politisch gewollt sein.
Natürlich stellt sich die Frage, ob die 35 % aus der Gesamtverschuldung oder lediglich aus den angemeldeten Forderungen zu errechnen sind.
Dies kann je nach Fall einen großen Unterschied machen, da in der Praxis nicht alle Gläubiger ihre Forderungen tatsächlich anmelden werden.
Beispiel:
Bernd K., ehemaliger Bäckermeister ohne Angestellte, hat neun Gläubiger. Er hat Schulden beim Finanzamt in Höhe von 35.841,00 €, bei seiner Krankenkasse in Höhe von 2.481,00 €, bei Lieferanten A 45.000,00 € und bei den übrigen Gläubigern weitere 20.000,00 €.
Insgesamt betragen die Forderungen 103.322,00 EUR. 35% hieraus wären 36.162,70 EUR.
Bernd Kaufmann stellt Antrag auf Restschuldbefreiung. Das Finanzamt, die Krankenkasse und ein paar der Kleingläubigern melden ihre Forderungen an. Insgesamt werden Forderungen in Höhe von 41.823 € angemeldet. 35% hieraus wären 14.638,05 EUR.
Nur angemeldete Forderungen, die in der Schlussverzeichnis aufgenommen wurden, werden bei der Ermittlung der Quote berücksichtigt. Falls es kein Schlussverzeichnis gibt, werden Forderungen berücksichtigt, die festgestellt wurden oder deren Gläubigern Feststellungsklage erhoben oder den vor Antragstellung rechtshängigen Rechtsstreit wieder aufgenommen hat.
Das heißt, nur Gläubiger, die ihre Forderungen auch anmelden werden bei der Quote von 35 % mitberücksichtigt.
Der Schuldner kann im Regelfall nicht vorhersehen, ob und welche Gläubiger ihre Forderungen anmelden. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die Krankenkassen, das Finanzamt und öffentlich-rechtliche Forderungen im angemeldet werden. Kleingläubiger melden ihre Forderungen im Regelfall nicht an.
Viele Stimmen aus dem Lager der Gläubiger sehen in der Verkürzung der Dauer der Restschuldbefreiung ein Signal an Schuldner, einfach weiter Schulden zu machen, da lediglich 35 % der Forderungen zurückzuzahlen sein.
Schuldnervertreter aus der Praxis sind kritisch, ob tatsächlich viele Schuldner von der Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung des Verfahrens nach drei Jahren Gebrauch machen können.
Verkürzung auf 5 Jahre bei Zahlung der Verfahrenskosten
Weiter soll das Verfahren auf fünf Jahre verkürzt werden, wenn der Schuldner zwar nicht in der Lage ist, innerhalb von drei Jahren die Quote von 35 % zu erfüllen aber immerhin die Verfahrenskosten bezahlen kann.
In der Praxis dürfte diese Regelung in einer Vielzahl der Fälle zu einer Verkürzung der Wohlverhaltensphase führen.
Einführung des Planverfahrens
Bislang gibt es das Planverfahren lediglich im Regelinsolvenzverfahren. Dort hat sich diese Möglichkeit anscheinend bewährt und soll nunmehr auch in Verbraucherinsolvenzverfahren Anwendung finden.
Mit der geplanten Einführung des Gesetzes zum 1.7.2014 steht die Möglichkeit des Planverfahrens nicht nur den neuen Marke sondern auch den laufenden Verfahren zur Verfügung.
Durch den Insolvenzplan kann abweichend von der Insolvenzordnung eine verbindliche Regelung mit den Gläubigern getroffen werden. Auch so kann unabhängig von der 35 % Quote eine vorzeitige Beendigung des Insolvenzverfahrens erzielt werden. Den Schuldnern steht daher eine neue Möglichkeit zur Verfügung, vorzeitig das Verfahren zu beenden und schuldenfrei zu werden.
Arbeitsverpflichtung für gesamtes Verfahren
Nunmehr soll künftig für das ganze Verfahren die Arbeitspflicht des Schuldners gelten. Bislang bestand die Verpflichtung des Schuldners nicht in der Insolvenzphase, sondern erst in der Wohlverhaltensphase, also nach dem Schlusstermin.
Allerdings kann bereits jetzt, wenn der Schuldner eine angemessene Tätigkeit ausübt und sich nicht um eine Arbeitsstelle bemüht die Stundung der Verfahrenskosten widerrufen werden (§ 4c InsO). Dies hat dann zur Folge, dass der Schuldner die Verfahrenskosten sofort begleichen muss. Kann er dies nicht, wird das Verfahren vorzeitig beendet.
Mit dieser Regelung schließt der Gesetzgeber lediglich eine Lücke, die wohl im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren übersehen wurde.
Verstößt der Schuldner gegen den Arbeitsverpflichtung, stellt dies einen Versagungsgrund dar, der die Restschuldbefreiung kosten kann.
Unterhaltspflichtverletzung und Steuerstraftaten
Bislang galten Steuerstraftaten nach der Rechtsprechung nicht als „unerlaubter Handlungen“, sondern als Verletzung der Steuerabführungspflicht. Damit war es grundsätzlich möglich, dass hinterzogene Steuern gleichwohl in die Restschuldbefreiung fielen.
Nunmehr werden Steuerstraftaten den unerlaubten Handlungen gleichgestellt. Das hat zur Folge, dass hinterzogene Steuern nicht mehr in die Restschuldbefreiung fallen und auch danach weiter vollstreckt werden können.
Gleiches gilt für die Verletzung von gesetzlichen Unterhaltspflichten. Auch hier hat sich der Staat ein Sonderprivileg geschaffen, da viele Unterhaltsansprüche auf den Staat übergehen, wenn dieser Leistungen erbringt.
Versagungsantrag
Gläubiger müssen etwaige Versagungsaträge nicht mehr im Schlusstermin stellen, sondern können dies jederzeit bis zum Schlusstermin schriftlich beantragen.
Viele Versagungsaträge sind daran gescheitert, dass die Gläubiger nicht im Schlusstermin erschienen sind und dort den Antrag gestellt haben.
Auch eine nachträgliche Geltendmachung von Versagungsanträgen ist vorgesehen, wenn der Gläubiger den Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Kenntnis des Versagungsgrundes stellt.
Ob es in der Zukunft zu vermehrten Versagungsanträgen kommen wird, bleibt abzuwarten.
Weitere Versagungsgründe, wie sie noch in früheren Entwürfen vorgesehen waren (bei Verurteilungen wegen Betrug und Untreue), werden nicht eingeführt.
Wie geht es weiter ?
Es ist vorgesehen, dass das Gesetz zum 1.7.2014 in Kraft treten soll. Allerdings kann der Bundesrat das Gesetzesvorhaben vor dem Ende der Legislaturperiode verhindern, wenn er den Vermittlungsausschuss anruft. Dies könnte der Bundesrat möglicherweise in seiner nächsten Sitzung am 7.06.2013 entscheiden.
Sicher ist: nur wenige Schuldner werden von der Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens profitieren