Rechtsanwalt Joachim Sokolowski

Fachanwaltskanzlei Sokolowski
63263, Neu-Isenburg
Rechtsgebiete
Strafrecht Sozialrecht
19.07.2011

Zusammenhang zwischen Alkoholabhängigkeit und Tat

Entscheidung des Bundesgerichtshofes

Ein symptomatischer Zusammenhang zwischen der Tat und dem Hang im Sinne des § 64 StGB ist zu bejahen, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat, und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist.

Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluß vom 25. Mai 2011 (4 StR 27/11) festgestellt und das Urteil des Landgerichts, soweit es von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat, aufgehoben.

In den Entscheidungsgründen hat der BGH u.a. folgendes ausgeführt:

Das angefochtene Urteil begegnet jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, gemäß § 64 StGB die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
Die sachverständig beratene Strafkammer hat zwar eine Alkoholabhängigkeit des Angeklagten im Sinne des für die Unterbringung erforderlichen Hanges bejaht, der festgestellten Tat jedoch – auch insoweit dem Sachverständigen folgend – den notwendigen Symptomcharakter abgesprochen, da der Konsum von Alkohol lediglich als konstellativer Faktor bei der Tatbegehung zu bewerten sei. Dafür spreche, so das Landgericht, insbesondere die Tatsache, dass der Angeklagte trotz seiner langjährigen Alkoholabhängigkeit zuvor nur einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten sei und nach eigenen Angaben auch schon in seiner Schulzeit zu einem Zeitpunkt durch Gewalttätigkeiten aufgefallen sei, als er noch alkoholabstinent gewesen sei. Es fehle auch an der hinreichend konkreten Erfolgsaussicht, da sich der Angeklagte eindeutig und entschieden gegen eine Therapie im Maßregelvollzug ausgesprochen habe.
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass die Strafkammer bei ihrer Bewertung von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis des für die Unterbringungsanordnung erforderlichen symptomatischen Zusammenhangs zwischen der abgeurteilten Tat und dem Hang im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung ist ein symptomatischer Zusammenhang zu bejahen, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat, und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (Senatsbeschluss vom 30. September 2003 – 4 StR 382/03, NStZ-RR 2004, 78). Dass die hier abgeurteilte erhebliche Straftat ihre Ursache in der vom Landgericht positiv festgestellten Alkoholabhängigkeit des Angeklagten hatte, versteht sich von selbst und wird zudem noch dadurch unterstrichen,
dass der Angeklagte die Tatbeute in Gestalt des dem Geschädigten gehörenden Mobiltelefons für 60 € verkaufte und von dem Erlös weiteren Alkohol und Drogen erwarb. Dass er zuvor vergleichbare Taten noch nicht begangen hat, beseitigt den symptomatischen Zusammenhang ebenso wenig wie der Umstand, dass der Angeklagte während einer rauschmittelabstinenten Lebensphase in noch jugendlichem Alter bereits durch Gewalttätigkeit aufgefallen war.
Auch die Wertung des Landgerichts, wegen der mangelnden Therapiebereitschaft des Angeklagten sei eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB zu verneinen, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Zwar kann der fehlende Wille zu einer Therapie ein gegen die Erfolgsaussicht der Entwöhnungsbehandlung sprechendes Indiz sein. Indes soll die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach dem Willen des Gesetzgebers regelmäßig nicht von der Therapiebereitschaft des Betroffenen abhängen (BTDrucks. 16/1110 S. 13). Ziel einer Behandlung im Maßregelvollzug kann es
vielmehr gerade sein, die Therapiebereitschaft beim Angeklagten erst zu wecken (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2009 – 3 StR 516/09, NStZ-RR 2010, 141). Ob der Schluss von einem Mangel an Therapiebereitschaft auf das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Behandlung gerechtfertigt ist, lässt sich aber nur auf Grund einer – vom Land-
gericht hier nicht vorgenommenen – Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgebenden Umstände beurteilen (BGH aaO). Ein bloßer Hinweis auf eine vorhandene Therapieunwilligkeit in den Urteilsgründen belegt das Fehlen der Erfolgsaussicht nicht.

Die Entscheidung kann hier auf den Seiten des BGH im Volltext abgerufen werden.