In dem vom Hamburger OLG am 24.10.2013 entschiedenen Verfahren (2 – 21/12 (REV) – 1 Ss 44/12, 2 – 21/12 (REV), 1 Ss 44/12) war im Protokoll der Amtsgerichtlichen Verhandlung die Urteilsformel nicht aufgenommen worden.
Das Landgericht hatte die Berufung verworfen. Das OLG hat nun das Urteil des Landgerichts und das Scheinurteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen, denn die Urteilsformel ist als wesentliche Förmlichkeit nach § 273 I StPO in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen; fehlt eine Verkündung, liegt für das weitere Verfahren ein bloßes Scheinurteil vor. Es ist dem Revisionsgericht auch insoweit grundsätzlich verwehrt, den tatgerichtlichen Verfahrensablauf anhand dienstlicher Erklärungen im Wege des Freibeweises darauf zu überprüfen, ob die für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen wesentlichen Förmlichkeiten beobachtet worden sind; vielmehr bedarf es einem förmlichen Berichtigungsverfahren.
In den Entscheidungsgründen führt das OLG u.a. folgendes aus:
[...]
b) Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgend sieht der Senat sich nicht in der Lage, den Wortlaut des amtsgerichtlichen Protokolls dahin auszulegen, es sei ein Urteil mit dem Inhalt der – noch nicht einmal unmittelbar an das Protokoll anschließenden – beiden Aktenblätter bzw. des schriftlichen „Urteils“ bei dem Amtsgericht Hamburg-Blankenese verkündet worden. Der Senat folgt auch nicht der anscheinenden Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, das Verfahrensgeschehen könne jedenfalls im Freibeweis anhand der dienstlichen Äußerung der Protokollführerin ermittelt werden, weil das (unberichtigte) Protokoll insoweit widersprüchlich sei, als es eine Urteilsverkündung vermerkt, deren Inhalt aber nicht mitteilt. Dabei kann offen bleiben, ob hierin überhaupt eine die Frage der Urteilsverkündung berührende Widersprüchlichkeit des Protokolls zu sehen ist. Denn nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat sich anschließt, ist es dem Revisionsgericht grundsätzlich verwehrt, den tatgerichtlichen Verfahrensablauf anhand dienstlicher Erklärungen im Wege des Freibeweises darauf zu überprüfen, ob die für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen wesentlichen Förmlichkeiten beobachtet worden sind. Diese können nach § 274 S. 1 StPO allein durch das Protokoll bewiesen werden; als Gegenbeweis lässt § 274 S. 2 StPO nur den Nachweis der Fälschung zu. Insbesondere angesichts der nunmehr durch die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 51, 298 ff.) bestätigten Möglichkeit, auch noch nach Erhebung sogar einer ordnungsgemäßen Verfahrensrüge das Protokoll zu berichtigen, selbst wenn dieser dadurch die Tatsachengrundlage entzogen wird, besteht grundsätzlich kein Raum mehr dafür, zum Nachteil des Angeklagten freibeweislich über die Beobachtung der wesentlichen Förmlichkeiten zu befinden. Denn gegenüber einem den Maßstäben des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs genügenden förmlichen Berichtigungsverfahren bietet das Freibeweisverfahren nur geringere verfahrensrechtliche Sicherungen für die Ermittlung des wahren Sachverhalts (BGH, StraFo 2011, 356, 357 f: BGH StV 2011, 267 ff.; BGH wistra 2009, 484; vgl. auch BGHSt 34, 11 ff.; BGHSt 55, 31 ff.).c) Eine Protokollberichtigung (in dem durch den Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs a.a.O. aufgewiesenen Verfahren) hat indes nicht stattgefunden, so dass ein maßgeblicher protokollierter Urteilstenor nicht vorliegt. Der bloße Vermerk der Verkündung reicht nicht aus (Frister in SK-StPO, 4. Aufl., § 273 Rdn. 14 m.w.N.). „Ist die Urteilsformel im Protokoll nicht oder nicht ordnungsgemäß festgehalten, so ist wegen der Beweiskraft des Sitzungsprotokolls mitunter nicht einmal der Nachweis der Verkündung des Urteils möglich, was bei entsprechender Rüge im Rechtsmittelverfahren zur Zurückverweisung führt“ (Stuckenberg in LR-StPO, 26. Aufl., § 273, Rdn. 28). Entsprechend liegt es angesichts erhobener Sachrüge auch hier.
Eine nochmalige Übersendung der Akten an das Amtsgericht Hamburg-Blankenese zur Durchführung des Berichtigungsverfahrens verbietet das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren. Die Akten waren dem Amtsgericht bereits unter Hinweis auf den fehlenden Urteilstenor und mit der Anregung zurückgesandt worden, ein Berichtigungsverfahren durchzuführen; dieser Anregung ist nicht entsprochen worden (vgl. dazu BGH StV 2011, a.a.O.).
2. Es fehlt mithin bisher an einer die amtsgerichtliche Hauptverhandlung abschließenden Entscheidungsverkündung im Sinne des § 260 Abs. 1 StPO. Die Erledigungsfunktion des Urteils ist nicht erfüllt. Das Amtsgericht wird die Sache erstmals zu entscheiden haben (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Mai 2003, a.a.O.). Unter Aufhebung des mangels Vorliegens eines erstinstanzlichen Urteils als Verfahrensvoraussetzung fehlerhaften Berufungsurteils und zur Klarstellung auch des amtsgerichtlichen Scheinurteils ist deshalb die Sache entsprechend § 354 Abs. 2 S. 1 StPO an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese, Strafrichter, zurückzuverweisen.