Das Verwaltungsgericht Darmstadt hatte über die Klage eines (ehemaligen) Dr. Phil zu entscheiden, dem die Hochschule den Doktorgrad mit der Begründung, dass in etwa ein Viertel des Textes der Dissertation aus Werken anderer Autoren übernommen worden sei, ohne dass die Klägerin die Stellen als Zitat gekennzeichnet hatte, zu entscheiden.
Das Verwaltungsgericht entschied in seinem Urteil vom 14. April 2011 (3 K 899/10.DA), dass der Kläger durch die Übernahme der genannten Texte ohne dies als Zitat zu kennzeichen, den Doktorgrad gemäß § 27 Satz 1 HHG durch Täuschung erworben habe und somit die Aberkennung durch die Hochschule rechtmäßig sei.
In der Entscheidung heißt es u.a.:
Gedanken und Schlussfolgerungen der Autorin J. werden von der Antragstellerin als eigene ausgegeben. Zusätzlich zu dem unter Ziffer 4 des Protokollauszugs betreffend die Sitzung des Promotionsausschusses vom … (Blatt 165 der Fachbereichsakte) genannten Beispiel können hier zwei Stellen auf Seite 124 des Buchs der Antragstellerin (Zeile 9 ff. und 7. Zeile von unten) sowie auf Seite 126 (2. Absatz) angeführt werden, die Ausführungen Prof. Dr. J.s auf Seite 66 bzw. 68 entsprechen. Wie der Promotionsausschuss in Ziffer 5 des genannten Protokolls zu Recht feststellt, wurden in der Dissertation der Antragstellerin Formulierungen oftmals nur in Details verändert, indem die Antragstellerin Sätze umgestellt, Begriffe durch Synonyme ersetzt und Fußnoten im Fließtext übernommen hat. Das schließt nach Ansicht des Gerichts aus, dass sie diese Texte nur infolge eines „Montagefehlers“ oder schlicht durch „Schlamperei“ übernommen hat, wie sie in ihrer am … bei der Antragsgegnerin eingegangenen Stellungnahme angibt. Auch die Tatsache, dass die Arbeit von Prof. Dr. J. von der Antragstellerin an keiner Stelle erwähnt wurde, spricht für eine Verschleierungsabsicht und nicht für ein Versehen.“
[...]
Für die Täuschung im Sinne von § 27 Satz 1 HHG genügt der bedingte Vorsatz (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 20.06.1989 – 6 UE 2779/88 -, DVBl. 1989, 1277; VG Darmstadt, a.a.O.). Die Klägerin handelte vorsätzlich in diesem Sinne. Sie nahm es zumindest billigend in Kauf, dass die Gutachter der Arbeit über die Urheberschaft der genannten Textteile getäuscht wurden; im Hinblick auf die vom Gutachter Dr. Z. festgestellten „Bauernopfer-Referenzen“ geht die Kammer sogar von einem direkten Vorsatz aus. Der Klägerin war mit den wissenschaftlichen Standards vertraut, somit war ihr bewusst, dass die Texte dem Leser als eigene Leistung erscheinen würden; dabei wollte sie oder nahm sie zumindest in Kauf, dass die Gutachter die Übernahme der Texte nicht bemerkten und sie als vollständig eigenständige Leistung der Klägerin bewerteten, da die Arbeit sonst nicht angenommen worden wäre.Die Täuschungshandlung der Klägerin ist auch erheblich und nicht lediglich als Bagatelle zu bezeichnen, weil sie Texte wiederholt auf insgesamt mehr als 100 Seiten (33 Seiten Prof. Dr. J., 70 Seiten nach dem Gutachter Dr. Z.) und damit für mindestens ein Viertel der (ohne Gliederung, Literaturverzeichnis etc. rund 405 Seiten umfassenden) Arbeit übernommen und dabei auch Texte verschiedener Autoren benutzt hat, ohne sie (vollständig) als Zitate zu kennzeichnen.
Es ist für die Ursächlichkeit der von der Klägerin begangenen Täuschung auch nicht von Bedeutung, ob ihr für eine korrekte, andere Arbeit, als sie sie tatsächlich vorgelegt hat, der Doktorgrad verliehen worden wäre, maßgeblich ist allein die vorgelegte Arbeit (VG Darmstadt, Beschl. v. 03.08.2010, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, st. Rspr., vgl. Urt. v. 18.11.1980 – IX 1302/78 -, ESVGH 31, 54; Beschl. v. 13.10.2008 – 9 S 494/08 -, NVwZ-RR 2009, 285). Nur eine unter Offenlegung aller verwendeten Quellen und Hilfsmittel erbrachte wissenschaftliche Leistung genügt den Anforderungen an eine eigenständige Dissertation. Die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne hinreichende Kennzeichnung verstößt daher gegen die Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens und schließt damit die Annahme einer Arbeit als Dissertation im Regelfall aus (VG Darmstadt, a.a.O.; vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 18.11.1980, a.a.O.; Beschl. v. 13.10.2008, a.a.O.; Bay.VGH, Urt. v. 04.04.2006 – 7 BV 05.388 -, BayVBl. 2007, 281).
Darüber hinaus sind durch die Feststellung der Textgleichheit in großen Teilen der Arbeit auch Tatsachen im Sinne des § 27 Satz 1, 2. Alt. HHG bekannt geworden, die die Verleihung des Doktorgrades ausgeschlossen hätten. Die Promotion der Klägerin wäre nicht erfolgt, wenn sich rechtzeitig herausgestellt hätte, dass die über Seiten abgeschriebenen Texte keine eigenständigen Leistungen, sondern eine Übernahme des Werkes von anderen sind. Dies ergibt sich insbesondere aus den Ausführungen hierzu im Protokoll der Prüfungsausschusssitzung vom ….
Die Entscheidung kann hier auf den Seiten des Hessenrechts im Volltext abgerufen werden.
Copyright © 2011 by Rechtsanwalt Strafrecht Joachim Sokolowski, Fachanwalt für Sozialrecht J. Sokolowski