Die Schwere der Schuld i.S.d. § 17 Abs. 2 JGG bemisst sich nach dem Gewicht der Tat und der in der Persönlichkeit des Angeklagten begründeten Beziehung zu ihr. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr die innere Tatseite, d. h. inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des jugendlichen in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben.
Dies hat das Kammergericht in seiner Enstcheidung vom 17.02.2012 – 1 Ss 540/11 (336/11) – festgestellt und darüber hinaus folgendes ausgefürt:
Die Schwere der Schuld ist nicht abstrakt messbar, sondern nur in Beziehung zu einer bestimmten Tat zu erfassen, so dass deren äußerer Unrechtsgehalt, insbesondere die Bewertung des Tatunrechts, die in den gesetzlichen Strafandrohungen ihren Ausdruck findet, nicht unberücksichtigt bleiben darf. Demgemäß ist die Schwere der Schuld vor allem bei Kapitalverbrechen zu bejahen und wird daneben in der Regel nur bei anderen besonders schweren Taten in Betracht kommen (vgl. BGHSt 15, 224; BGH StV 1992, 325; Senat, a.a.O.; OLG Hamm StV 2011, 175). Eine derartige besonders schwere Tat hat das Landgericht jedoch nicht ausreichend festgestellt. Die Annahme der Schwere der Schuld hat es erkennbar lediglich auf die Gefährlichkeit der “schweren Gewalttat” an sich gestützt. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht ohne ausreichende Berücksichtigung des Tatmotivs und des spontanen Tatentschlusses zu einseitig auf das in der Tathandlung zum Ausdruck kommende Tatunrecht abgestellt hat, was sich bei einem Jugendlichen als rechtsfehlerhaft erweist. Dies umso mehr, als das Gericht dem Angeklagten vorliegend – allerdings nicht durch Darlegung einer überprüfbaren Rückrechnung von Trinkmengenangaben – eine verminderte Schuldfähigkeit attestiert hat.
Hinzu kommt, dass Jugendstrafe nur verhängt werden darf, wenn und soweit dies aus erzieherischen Gründen auch zur Zeit der Urteilsfindung noch erforderlich ist. Dies gilt auch für die reine Schuldstrafe nach § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG (vgl. Senat, Beschluss vom 19. September 2CO3 – (4) 1 Ss 195/C3 (132/03) -). Die danach für die rechtsfehlerfreie Anwendung des § 17 Abs. 2 JGG unerlässliche zusätzliche Erörterung, ob die Verhängung von Jugendstrafe zur erzieherischen Einwirkung auf den geständigen Angeklagten geboten ist, genügt den hieran zu stellenden Anforderungen nicht. Das Urteil muss nämlich erkennen lassen, weiche konkreten erzieherischen Wirkungen von der Jugendstrafe ausgehen sollen (vgl. Senat a.a.O.; KG St V 2009, 91, 92; Senat, Beschluss vom 25. April 2207 – (4) 1 Ss 81/07 (90/07) -; OLG Köln StV 1999, 667, .669). Die Begründung, trotz seiner positiven Entwicklung nach dem erstinstanzlichen Urteil sei es erforderlich, eine Jugendstrafe zu verhängen, weil er den Zeugen nicht unerheblich verletzt habe und die Folgen der Tat für den Zeugen schwer wiegen MA S. 8), genügt den besonderen Begründungserfordernissen (vgl. OLG Düsseldorf StraFo 2007, 475) hinsichtlich eines aktuell bestehenden Erziehungsbedürfnisses nicht; denn unabhängig davon, dass der geschädigte Zeuge nach den Feststellungen bereits zwei Wochen nach der Tat seinen Dienst als Polizist wieder angetreten hat und Darlegungen, inwieweit er sonst schwer unter der Tat gelitten hat, fehlen, ist die positive Entwicklung des Angeklagten nach der Tat ausdrücklich und nicht nur – wie geschehen – floskelhaft zu berücksichtigen (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Hamm aa0., OLG Brandenburg StV 2001, 175, 176 = StV 1999, 659). Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, in welcher Form über die positive Entwicklung des Angeklagten hinausgehend die Jugendstrafe erzieherisch wirken soll.
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