Klagen können in Hessen aufgrund der Verordnung vom 26.10.2007, GVBl. 2007, 699 auf elektronischem Wege eingereicht werden (EGVP). In dem nun vom Sozialgericht Marburg am 15. Juni 2011 entschiedenen Fall (S 12 KA 295/10) hatte die Behörde die Rechtsbehelfsbelehrung in ihrem Widerspruchsbescheid nicht mit einem Hinweis, dass die Klage auch auf dem elektronischen Wege eingereicht werden kann, versehen.
Die Klägerin hatte wohl die Klagefrist versäumt und wollte dies mit dem Argument, die Rechtsbehelfsbelehrung sei nicht ausreichend gewesen, da nicht auf die Möglichkeit der elektronischen Klageeinreichung hingewiesen worden “fixen”.
Engegen der Auffassung VG Neustadt (2 K 156/10.NW) und des VG Trier (1 K 365/09) kam das Sozialgericht Marburg jedoch in seinem Urteil vom 15. Juni 2011 in dem Verfahren S 12 KA 295/10 zu dem Schluß, dass das Fehlen des Hinweises auf die elektronische Klagemöglichkeit nicht dazu führt, dass die Rechtsbehelsbelehrung fehlerhaft ist.
Seine Entscheidung begründet das Gericht u.a. wie folgt:
Der angefochtene Beschluss war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die nicht fehlerhaft ist, so dass die Monatsfrist für die Erhebung der Klage gilt.
Soweit nunmehr elektronische Dokumente an das Gericht übermittelt werden können und damit auch eine Klage elektronisch erhoben werden kann (vgl. § 65a SGG), was in Hessen für das Sozialgericht Marburg seit 17.12.2007 möglich ist (Verordnung vom 26.10.2007, GVBl. 2007, 699; vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl. 2008, § 65a, Rdnr. 7), bestehen erhebliche Anforderungen an Übermittlungsart und Signatur der Dokumente.
Elektronische Dokumente sind an die elektronischen Briefkästen der genannten Gerichte und Staatsanwaltschaften zu übermitteln, die über die von der hessischen Justiz zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar sind. Die Software kann über die Internetseite http://www.justiz.hessen.de lizenzfrei heruntergeladen werden (Nr. 1 der Anlage 2 zu § 2 zur Verordnung vom 26.10.2007). Die qualifizierte elektronische Signatur muss dem Profil ISISMTT entsprechen und das ihr zugrunde liegende Zertifikat muss durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft, welche mit einer automatisierten Überprüfung andere Stellen beauftragen können, prüfbar sein. Auf der Internetseite http://www.justiz.hessen.de sind beispielhaft Zertifizierungsdiensteanbieter bekannt gegeben, die von den Gerichten und Staatsanwaltschaften prüfbare Zertifikate herausgeben (Nr. 2 der Anlage 2 zu § 2 zur Verordnung vom 26.10.2007). Von daher wird von dieser Möglichkeit bisher nur ganz vereinzelt von Rechtsanwälten Gebrauch gemacht. Von daher braucht auf diese zusätzliche Möglichkeit der Klageerhebung in einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht hingewiesen zu werden. Es ist nicht erforderlich, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung alle im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten zur Fristwahrung enthalten muss. Der notwendige Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung muss ihrem Zweck Rechnung tragen, insbesondere Rechtsunkundige vor Rechtsnachteilen durch Unwissenheit zu schützen. Durch die Rechtsbehelfsbelehrung soll dem Beteiligten der richtige und regelmäßige Weg des Widerspruchs bzw. der Klageerhebung gezeigt werden. Dieser Zweck darf nicht dadurch verwässert werden, dass die Rechtsbehelfsbelehrung auch alle anderen Möglichkeiten, die das Gesetz zur Fristwahrung genügen lässt, aufzählen muss. Die Rechtsbehelfsbelehrung wird dadurch nicht übersichtlicher, sondern länger und verwirrend. Gerade im Interesse des rechtsungewandten Leistungsbewerbers liegt es, wenn er eine möglichst kurze, übersichtliche und leicht verständliche Rechtsbehelfsbelehrung erhält (vgl. BSG, Urt. v. 11.08.1976 – 10 RV 225/75 – SozR 1500 § 84 Nr. 1 = BSGE 42, 140 = USK 76226, juris Rdnr. 15 – 18 m.w.N.). Von daher muss auf die Möglichkeit der Klageerhebung in elektronischer Form nicht gesondert hingewiesen werden (a.A. VG Neustadt , Urt. v. 10.09.2010 – 2 K 156/10.NW – juris Rdnr. 27; VG Trier, Urt. v. 22.09.2009 – 1 K 365/09 – juris Rdnr. 23 ff.).
Zweifel an der Richtigkeit der an die Klägerin adressierten Postzustellungsurkunde sind nicht ersichtlich. Der Beschluss des Beklagten mit dem Az.: BA 84/07 fras wurde danach der Klägerin persönlich ergeben. Der Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie könne sich hieran nicht erinnern, vermag dies nicht zu widerlegen.
Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (§ 63 Abs. 1 SGG). Die Zustellung kann durch die Post erfolgen (§ 176 ZPO). Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO – das ist die Ersatzzustellung in der Wohnung oder in Geschäftsräumen durch Übergabe an einen dort anwesenden Angehörigen bzw. Beschäftigten – nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 ZPO). Die Zustellurkunde genügt auch den Anforderungen nach § 182 ZPO.
Substantiierte Einwände gegen die Zustellung hat der Kläger nicht vorgetragen. Der Hinweis auf eine spätere Bekanntgabe ihr gegenüber ist allgemein gehalten. So weit der Kläger im Schriftsatz vom 07.09.2010 ausführt, der Beschluss des Prüfungsausschusses sei ihr am 27.08.2010 per Fax überstellt worden, die Sitzung, die diesen Beschluss hervorgebracht habe, habe am 16.12.2009 stattgefunden, so ist dies unverständlich. Zum Einen fand die Sitzung des Beklagten, also des Beschwerdeausschusses am 16.12.2009 statt. Zum Anderen widerspricht die späte Zustellung der bereits am 28.04.2010 erfolgten Klageerhebung, in der der Kläger ausführt, sie erheben vorsorglich Widerspruch gegen den ihr zugestellten Beschluss des Beschwerdeausschusses vom 24.03.2010.
Die Klage ist daher verfristet und unzulässig.
Das Urteil kann hier auf den Seiten des Hessenrechts im Volltext abgerufen werden.
Copyright © 2011 by Rechtsanwalt Strafrecht Joachim Sokolowski, Fachanwalt für Sozialrecht J. Sokolowski