Für einen inhaftierten Mandanten, den ich auch strafrechtlich verteidigt hatte, hatte ich in dem Zivilprozeß eines Geschädigten gegen ihn Prozesskostenhilfe beantragt. Diesem Antrag gab das Amtsgericht mit der Maßgabe statt, dass ich lediglich zu den Konditionen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwaltes beigeordent wurde. Der von mir eingelegten sofortigen Beschwerde half das Amtsgericht nicht ab. Das Landgericht Darmstadt half nun mit Beschluss vom 8.03.2011 (21 T 12/11) ab und entscheid:
Auf die Beschwerde des Beklagten zu 4) wird der Beschluss des Amtsgerichts Langen vom 27.01.2011 dahingehend abgeändert, dass ihm Rechtsanwalt J. S., Neu-Isenburg uneingeschränkt beigeordnet wird.
Die Entscheidung ergeht kostenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: bis 300 €.
Seine Entscheidung begründet das Landgericht – zutreffend – wie folgt:
Copyright © 2011 by Rechtsanwalt Strafrecht Joachim Sokolowski, Fachanwalt für Sozialrecht J. SokolowskiGründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und begründet.
Wie der BGH in seinem Beschluss vom 23.06.2004 (Az.: XII ZB 61/04, FamRZ 2004, 1362) ausgeführt hat, kann das Gericht, wenn es der Partei im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe ausnahmsweise einen nicht in seinem Bezirk niedergelassenen Rechtsanwalt beiordnet, was ihr zugleich die Möglichkeit nimmt, die Beiordnung eines weiteren Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO zu erlangen, dem Prozessbevollmächtigten nicht stets durch die beschränkte Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts zugleich die Möglichkeit der Erstattung von Reisekosten nehmen. Eine solche Beiordnung ist vielmehr nur dann möglich, wenn auch sonst nur Kosten eines am Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts entstehen könnten, weil “besondere Umstände” im Sinne von § 121 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen. Bei der Entscheidung über die Beiordnung eines nicht am Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts hat das Gericht also immer auch zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen. Nur wenn dieses nicht der Fall ist, darf es einen von der Partei nach § 121 Abs. 1 ZPO gewählten auswärtigen Prozessbevollmächtigten zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beiordnen. Das hat das Amtsgericht hier nicht berücksichtigt.
Bei der Prüfung, ob die Beiordnung eines weiteren Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO wegen besonderer Umstände erforderlich ist, ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und die subjektiven Fähigkeiten der Parteien abzustellen. Dabei ist im Rahmen der verfassungsgemäßen Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der besonderen Umstände eine zusätzliche Beiordnung nach § 121 Abs. 4 ZPO auch dann geboten, wenn die Kosten des weiter beizuordnenden Rechtsanwalts die sonst entstehenden Reisekosten des nicht am Prozessgericht zugelassenen Hauptbevollmächtigten nicht wesentlich übersteigen. Im Rahmen der durch Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip gebotenen weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung ihres Rechtsschutzes (BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2004, Az.: 1 11/R 596/03, NJW 2004, 1789) ist bei der Auslegung auch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstattung der Kosten für Verkehrsanwälte zu beachten. Danach ist im Falle der Bevollmächtigung eines
Rechtsanwalts am Sitz des Gerichts auch die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Verkehrsanwalts regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. ZPO anzusehen (Beschlüsse vom 16. Oktober 2002, Az.: VIII ZB 30/02, FamRZ 2003, 441; vom 9. Oktober 2003, Az.: VII ZB 45/02, BGH-Report 2004, 70, 71; vom 11. November 2003, Az.: VI ZB 41/03, NJW-RR 2004, 430; vom 18. Dezember 2003, Az.: I ZB 18/03,BGH – Report 2004, 637 und
vom 25. März 2004, Az.: I ZB 28/03, BB 2004, 1023).
Hier ist zu berücksichtigen, dass der beigeordnete Rechtsanwalt seinen Kanzleisitz in Neu-Isenburg und damit zwar außerhalb des Bezirks des Amtsgerichts Langen hat, die räumliche Entfernung zum Amtsgericht Langen aber dennoch nicht weiter ist als die von einem Anwalt, der seinen Sitz in dem vom Amtsgericht weitest entfernten Ort des Gerichtsbezirk hat.
Hinzu kommt, dass der Beklagte zu 4) sich in der JVA W. und damit außerhalb des Gerichtsbezirks des Amtsgerichts Langen befindet, so dass auch ein innerhalb des Gerichtsbezirks des Amtsgerichts Langen ansässiger Anwalt Reisekosten nach Wiesbaden hätte abrechnen müssen.
Zuletzt sprechen auch Gründe der Effizienz dafür, dass der Anwalt tätig wird, der den Beklagten zu 4) bereits im Strafverfahren vertreten hat und deswegen mit der Sache verstraut ist und sich nicht erst noch umfangreich einarbeiten muss.
Das Amtsgericht Langen hätte die Beiordnung des von ihr gewählten Prozessbevollmächtigten deswegen nicht auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beschränken dürfen.
Der Ausspruch zu den Kosten beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO, § 3 Abs. 2 GKG iVm Ziff. 1812 KV GKG.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.