Rechtsanwalt Joachim Sokolowski

Fachanwaltskanzlei Sokolowski
63263, Neu-Isenburg
Rechtsgebiete
Strafrecht Sozialrecht
18.09.2012

OLG Frankfurt zur Berechnung der Terminsdauer für Pflichtverteidiger

Entscheidung des OLG Frankfurt
Das OLG Frankfurt hat in seiner Entscheidung vom 19.06.2012 (2 Ws 83/12) festgestellt, dass Verhandlungspausen von einer Stunde oder mehr bei der Berechnung der Terminsdauer regelmäßig eher nicht zu berücksichtigen sind.

In den Entscheidungsgründen hat das Gericht u.a. folgendes ausgeführt:

[...]
Der beigeordneten Rechtsanwältin stehen die beantragten drei Zusatzgebühren nach Nr. 4116 VV RVG (Teilnahme an der Hauptverhandlung für mehr als fünf und bis zu acht Stunden) sowie die beantragte Zusatzgebühr nach Nr. 4117 VV RVG (Teilnahme an der Hauptverhandlung für mehr als acht Stunden) nicht zu.

Es geht vorliegend ausschließlich um die Frage, ob bei der Berechnung der Länge einer Hauptverhandlung die im Protokoll vermerkten Unterbrechungen für die Bestimmung der vergütungspflichtigen Gesamtdauer abgezogen werden müssen.
Ausgangspunkt der Honorierung durch die strafrechtliche Terminsgebühr ist, [...], alleine die Zurverfügungstellung der persönlichen Anwesenheit des Pflichtverteidigers bzw. des beigeordneten Rechtsanwalts zur Durchführung einer strafrechtlichen Hauptverhandlung auf Ladung des Gerichtes.
[...]
Die Einwände, dass der Pflichtverteidiger bzw. der beigeordnete Rechtsanwalt keinen Einfluss auf die Verhandlungsunterbrechungen durch das Gericht hat, diese „nicht vorhersehen“ und die dadurch entstandene Zeit nicht „sinnvoll“ nutzen könne, sind Relikte aus der BRAGO und findet in der pauschalisierten Konzeption des RVG keine Stütze. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Rechtsanwalt nach Vorb. 4 Abs. 3 S. 2 f VV RVG die Terminsgebühr auch erhält, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet, macht deutlich, dass er sie ohne diese Sonderregelung gerade nicht bekommen hätte, weil keine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Wartezeiten und Vorhaltezeiten wie sie durch Pausen und Unterbrechungen während der Hauptverhandlung entstehen, sind typische Begleiterscheinungen des Berufsbildes des Rechtsanwaltes und insb. des Strafverteidigers und weder eigenständig vergütungspflichtig noch stellen sie Besonderheiten da, die durch Ausweitung bestehender Vergütungstatbestände aufgefangen werden müssen. Der Gesetzgeber wollte mit dem RVG gerade die intransparente Kasuistik zu Sondervergütungen für Rechtsanwälte beenden und durch transparente Vergütungstatbestände pauschalisieren.
[...]
Es obliegt dem Strafverteidiger seine Tätigkeit so zu organisieren, wie er es für „sinnvoll“ erachtet. Ob er die Zeit für Gespräche auf dem Gerichtsflur nutzt, Mittagessen geht, mit seinem Büro telefoniert oder sich anderweitig beschäftigt, ist alleine seine Entscheidung. Wie lange eine Unterbrechung dauert, kann, soweit sie nicht durch das Gericht ohnehin mitgeteilt wird, erfragt werden.

Der so vom RVG vorgegebene „Nettogrundsatz“ wird durch das Kriterium, dass Wartezeiten dann relevant werden können, wenn sich der Pflichtverteidiger bzw. der beigeordnete Rechtsanwalt „zur Durchführung einer strafrechtlichen Hauptverhandlung“ sozusagen „in Bereitschaft“ halten muss, durchbrochen. Dabei geht es alleine um die personale Anwesenheit des Pflichtverteidigers bzw. des beigeordneten Rechtsanwalts.

Dabei wird, um den Pauschalisierungsgedanken des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, bei kürzeren Verhandlungspausen vom Grundsatz davon auszugehen sein, dass der Pflichtverteidiger bei diesen Unterbrechungen und Wartezeiten dem Gericht nach wie vor zur Verfügung steht. Das ist auch die Begründung für die Berücksichtigung der angeordneten Terminsstunde als gebührentechnischer Beginn der Hauptverhandlung und nicht der im Protokoll vermerkte tatsächliche Hauptverhandlungsbeginn.

Von diesem Prinzip ausgehend, verliert diese Indizwirkung ihre Anscheinsfunktion jedoch dann, wenn die Unterbrechungen länger andauern, so dass in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung der Oberlandesgerichte Unterbrechungen über eine Stunde grundsätzlich ein Indiz dafür sind, dass während dieser Zeit der Pflichtverteidiger bzw. der beigeordnete Rechtsanwalt nicht für das Gericht in Bereitschaft steht, er damit nicht rechnen musste, dass die Hauptverhandlung jederzeit wieder aufgerufen werden wird. Ob er diese Zeit sinnvoll oder nicht sinnvoll nutzen kann, ist dabei wie oben ausgeführt unerheblich. Er verliert seinen Gebührenanspruch nicht, sondern es bleibt lediglich bei der vom Gesetzgeber pauschalisierten Terminsgebühr, die für die bloße Anwesenheit in der Hauptverhandlung gewährt wird. Ausgangspunkt und entscheidend ist alleine, dass keine Bereitschaftsanweisung des Gerichts vorliegt. Überschreitet die einzelne Unterbrechung danach eine Stunde, ist sie gänzlich in Abzug zu bringen.

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