Rechtsanwalt Joachim Sokolowski

Fachanwaltskanzlei Sokolowski
63263, Neu-Isenburg
Rechtsgebiete
Strafrecht Sozialrecht
21.01.2014

Keine Opferentschädigung für psychische Schäden nach Erpressung

SekretärinUndChef-200Erpressungopfer haben nur dann einen Anspruch auf Opferentschädigung nach dem OEG, wenn ein tätlicher Angriff vorliegt. Eine bloße Drohung mit Gewalt reicht hierfür nicht.

Dies hat das LSG Niedersachsen – Bremen in seinem Urteil vom 14. 11. 2013 (L 10 VE 46/12) festgestellt.

Klägerin war eine 45 jährigen Apothekerin, die Opfer einer Erpressung geworden war. Die Klägerin erhielt insgesamt fünf Erpresserschreiben. Für den Fall der Nichtzahlung der geforderten 8.500 bzw 9.000 € drohte der Täter sowohl die Tötung der Klägerin und deren Kinder als auch die Inbrandsetzung des Familienhauses an. Weiterhin drohte er Gift in Lebensmittelgeschäften zu verteilen, sowie Attentate auf fahrende Autos zu verüben.
Die Klägerin hatte zwar unter Mitwirkung der Polizei Geldpakete hinterlegt. Die Geldübergabe scheiterte aber, da der Täter die Pakete aus Angst vor Entdeckung nicht abholte. Die Erpressungen endeten nach einer polizeilichen Durchsuchung bei dem Täter.
Die Klägerin machte mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Braunschweig und dem Berufungsverfahren vor dem LSG Ansprüche nach dem Opfenentschädigungsgesetz aufgrund der erlittenen massiven psychischen Schäden geltend. Bei ihr bestehe ein posttraumatisches Belastungssyndrom, sie leide unter Angstzuständen und Schlafstörungen.

Das SG hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht die Berüfung der Klägerin zurückgewiesen.

Das LSG führt u.a. zur Begründung seiner Entscheidung aus, dass die Erpressungsversuche keinen „tätlichen Angriff“ im Sinne des OEG darstellen und die Klägerin daher keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem OEG habe. Ein „tätlicher Angriff“ liege nur bei einer gegen die körperliche Unversehrtheit einer anderen Person gerichteten Kraftentfaltung vor. Vorliegend stelle die Bedrohung der Klägerin mit Gewalt einen solchen Angriff noch nicht dar. Dies wäre auch dann nicht so einzustufen, wenn die Klägerin und der Täter sich gleichzeitig auf dem Grundstück der Klägerin befunden
hätten. Die gleichzeitige Anwesenheit sei aber nicht einmal bewiesen. Der Senat führte weiter aus, dass nicht relevant sei, ob die Drohungen des Täters ernst gemeint gewesen seien oder ob der Täter diese überhaupt hätte umsetzen können. Das LSG hat vielmehr darauf abgestellt, dass z.B. auch das bloße Vorzeigen eines Messers aus einer Entfernung von 1,5 Metern nicht als tätlicher Angriff zu qualifizieren sei. Vorliegend sei das Risiko der Klägerin, einen körperlichen Schaden zu erleiden, nicht einmal so groß wie bei einem derart vorgezeigten Messer.
Ein „tätlicher Angriff“ könne auch nicht deswegen bejaht werden, weil die Klägerin durch die Drohungen einen psychischen Schaden erleiden könne. Auch für die Annahme eines sogenannten Schockschadens müsse zunächst ein „tätlicher Angriff“ gegen den Geschädigten oder eine andere Person gegeben sein. Schließlich weist der 10. Senat darauf hin, dass auch das Bundessozialgericht entschieden habe, dass nicht jedes gesellschaftlich missbilligte Verhalten Grundlage eines Anspruches nach dem OEG sein müsse.