Rechtsanwalt Joachim Sokolowski

Fachanwaltskanzlei Sokolowski
63263, Neu-Isenburg
Rechtsgebiete
Strafrecht Sozialrecht
28.12.2010

Das letzte Wort des Angeklagten…

Entscheidung des Bundesgerichtshofes

Das Landgericht hatte nach dem Letzten Wort des Angeklagten den Haftbefehl gegen einen Angeklagten aufgehoben und nach Unterbrechung der Hauptverhandlung sein Urteil verkündet. Der Bundesgerichtshof hat nun in seiner Enstcheidung vom 26.10.2010 (5 StR 433/10) das Urteil aufgehoben, da den Angeklagten im Hinblick auf den Aufhebungsbeschluss bezüglich des Haftbefehls erneut das Letzte Wort hätte erteilt werden müssen.

In der Begründung führt der BGH u.a. folgendes aus:

[...] Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft und die Nebenklagevertreterin beantragten, bezüglich beider Angeklagter wegen gefährlicher Körperverletzung auf eine zur Bewährung auszusetzende Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten zu erkennen und die Haftbefehle aufzuheben. Dem schloss sich der Verteidiger des Angeklagten R. für seinen Mandanten an.
Der Verteidiger des Angeklagten M. beantragte, seinen Mandanten freizusprechen, und stellte für den Fall einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung einen weiteren Beweisantrag. Die Angeklagten hatten sodann das letzte Wort.

Im Anschluss daran verkündete die Schwurgerichtskammer einen Beschluss, mit welchem der Haftbefehl des Amtsgerichts Braunschweig vom 28. August 2009 bezüglich des Angeklagten R. ohne Begründung aufgehoben wurde. Nach verfügter Unterbrechung der Hauptverhandlung verkündete die Schwurgerichtskammer am 22. Juni 2010 ihr Urteil.

2. Das Landgericht war bei dieser Prozesslage grundsätzlich gehalten, den Angeklagten das letzte Wort erneut zu erteilen. Die, wenngleich begründungslose, Aufhebung des gegen den Angeklagten R. ergangenen Haftbefehls stellt einen schlüssigen Wiedereintritt in die Verhandlung dar. Der Beschluss steht in innerem Zusammenhang mit der noch anstehenden gerichtlichen Entscheidung (vgl. BGH StV 1992, 551, 552).

a) Der verkündete Beschluss stellt, da er zwischen den Angeklagten differenziert, nicht nur eine Bestätigung und einen teilweisen Vollzug der getroffenen Verständigung bereits vor der – auf später anberaumten – Urteilsverkündung dar. Bezüglich des Angeklagten R. mag der Bestätigung im Blick auf die gemäß § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO im Grundsatz bestehende Bindung des Gerichts an die Verständigung sogar gar keine selbständige verfahrensrechtliche Bedeutung zukommen. Bei diesem voll geständigen Angeklagten schließt der Senat jedenfalls aus, dass sich der Schuldspruch
und auch die drei Monate unter den übereinstimmenden Anträgen von Staatsanwalt und Verteidiger festgesetzte Strafe auf einer nicht nochmals gewährten Gelegenheit zu einem letzten Wort beruhen kann (vgl. BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 8).

b) Anderes gilt für den Inhalt des verkündeten Beschlusses betreffend den Angeklagten M. . Nicht anders als bei belastenden Haftentscheidungen (vgl. BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 8 m.w.N.; BGH StV 2001, 438) oder bekanntgegebenen Erwägungen des Gerichts, die eine Verurteilung voraussetzen oder nahelegen (vgl. BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 3; BGH NStZ 1986, 470; BGH StV 1992, 551, 552), hat das Landgericht durch nicht sofortige Bescheidung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Haftbefehlsaufhebung im Gegensatz zum Mitangeklagten schlüssig das Fortbestehen eines dringenden Tatverdachts gegen diesen einen Freispruch erstrebenden Angeklagten zum Ausdruck gebracht. Der Angeklagte war durch die Haftentscheidung selbst zwar nicht unmittelbar betroffen (vgl. BGHR StPO § 258 Abs. 3 Wiedereintritt 8). Indes ließ sich dem Beschluss des Landgerichts für ihn entnehmen, dass das Gericht – bei offener Beweislage – das Geständnis des Mitangeklagten zu seinem Nachteil verwerten und ihn zu einer zu vollstreckenden Freiheitsstrafe verurteilen könnte, weshalb ihm unter diesen Aspekten die Gelegenheit zu geben war, hierzu abschließend nochmals Entlastendes vorzubringen. Eine solche Prozesslage erfordert nach § 258 StPO die Möglichkeit, dass sich ein Angeklagter vor der Urteilsverkündung zum Verfahrensgegenstand äußern können muss (vgl. BGH NStZ 1986, 470).

Die Entscheidung kann hier auf den Seiten des BGH im Volltext abgerufen werden.

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