Zumindest dann, wenn einem DNA-Gutachten eine ganz maßgebende Bedeutung für die Feststellung der Täter schaft des Angeklagten zukommt, ist eine nachvollziehbare Darlegung erforderlich, auf welchen Grundlagen der Sachverständige die genannte Wahrscheinlichkeit bestimmt hat
Mit Beschluss vom 7.11.2012 hat der BGH (5 StR 517/12) das mit der Revision angefochtene Urteil des Landgerichts Leipzig aufgehoben, da die dem Urteil zu Grunde liegende Beweiswürdigung aufgrund wesentlicher Darstellungsmängel rechtsfehlerhaft sei.
In den Urteilsgründen führt der BGH u.a. folgendes aus:
Copyright © 2012 by Rechtsanwalt Strafrecht Joachim Sokolowski, Fachanwalt für Sozialrecht J. SokolowskiDas Landgericht hat die Täterschaft des Angeklagten, der die Tat bestreitet, auf der Grundlage der am Messer festgestellten DNA-Spuren für erwiesen erachtet. Die belastende Aussage einer Zeugin, deren Glaubhaftigkeit das Landgericht als zweifelhaft ansieht, hat es nicht berücksichtigt, „weil die Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte der Mittäter ist,
welcher das am Tatort aufgefundene Küchenmesser verwendet hat, bereits allein auf das Beweisergebnis seiner am Messer festgestellten DNA gestützt werden kann“ (UA S. 19). Nach den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen hätten die Abriebe am Messergriff eine männliche Spur ergeben, die „in acht DNA-Systemen mit der zu Verifizierung eingeholten DNA des Angeklagten“ verglichen worden sei. „Dabei sei eine vollständige Übereinstimmung in sämtlichen Allelen festgestellt worden. Weitere DNA-Spuren, insbesondere Mischspuren, seien am Griff des Messers nicht feststellbar gewesen. Auch an der Klinge des Messers seien alle acht DNA-
Systeme des Angeklagten sowie, schwächer ausgebildet, zusätzliche Allele einer weiteren männlichen Person festgestellt worden. Die Feststellung zur DNA-Spur des Angeklagten auf dem Griff des Messers sei hochspezifisch.
Bei einer Population von 7,68 x 1010 männlichen Personen sei mit einer damit identischen DNA zu rechnen. Wenn eine weitere Person den Griff des Messers in der Hand gehabt hätte, hätte dies zwingend zu einer Mischspur geführt“.2. Bereits der Schuldspruch des angefochtenen Urteils hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die der Feststellung der Täterschaft des Angeklagten zugrunde liegende Beweiswürdigung ist aufgrund wesentlicher Darstellungsmängel rechtsfehlerhaft.
Das Urteil verhält sich nicht zu den Berechnungsgrundlagen, aus denen abzuleiten ist, dass das an dem verwendeten Messer gesicherte Spurenmaterial mit der im Urteil genannten Wahrscheinlichkeit vom Angeklagten herrührt. Zumindest dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – dem DNA-Gutachten eine ganz maßgebende Bedeutung für die Feststellung der Täterschaft des Angeklagten zukommt, ist eine nachvollziehbare Darlegung erforderlich, auf welchen Grundlagen der Sachverständige die genannte Wahrscheinlichkeit bestimmt hat (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, StraFo 2012, 321; ferner BGH, Beschluss vom 6. März 2012 – 3 StR 41/12, BGHR StPO § 261 Identifizierung 21).
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf der fehlenden Darstellung zu den Grundlagen der biostatistischen Häufigkeit der Merkmalskombinationen beruht. Mit Ausnahme des im Rahmen der Beweiswürdigung mit herangezogenen Umstandes, dass die Tat dem Angeklagten nicht wesensfremd sei, hat das Landgericht sich auf keine weiteren, von dem Ergebnis des DNA-Gutachtens unabhängigen Indizien für die Täterschaft des Angeklagten gestützt. Es ist auch aus dem Urteil nicht ersichtlich, inwieweit das äußere Erscheinungsbild des Angeklagten den von der Zeugin genannten – freilich ohnehin überaus allgemeinen – Merkmalen der Täter (sächsischer Dialekt; nach Statur und Stimme jüngere Männer) entspricht. Der Senat weist ferner darauf hin, dass die Erwägungen zu einer zwingenden Mischspur bei Berührung des Messergriffs durch eine andere Person nicht im Einklang mit Erfahrungen des Senats bei der Beurteilung vergleichbarer Spurenlagen durch Sachverständige und Tatgerichte stehen.
Angesichts dieser Darstellungsmängel können die Feststellungen des Landgerichts zur Täterschaft des Angeklagten und mithin der Schuldspruch keinen Bestand haben.