Das Niedersächsische Finanzgericht hatte mit Urteil vom 5. Mai 2010 entschieden, dass wegen einer inoperablen Sterilität des Ehemannes verursachte Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung der Ehefrau mit Fremdsamen steuermindernd als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) anzuerkennen sind – Az: 9 K 231/07 .
Der Kläger leidet unter einer inoperablen organisch bedingten Sterilität. Er ist aufgrund dieses Befundes nicht in der Lage, auf natürlichem Weg selber Kinder zu zeugen. Sein Sperma ist auch nicht geeignet, im Rahmen einer (homologen) künstlichen Befruchtung selbst nach ärztlicher Behandlung eingesetzt zu werden.Aufgrund dessen entschlossen sich die Kläger, die Erfüllung des beiderseitigen Wunsches nach einem gemeinsamen Kind mit Hilfe der Übertragung von Spendersamen zu verwirklichen. Die hierfür entstandenen Aufwendungen (Medikamenten- und Fahrtkosten) erkannte das beklagte Finanzamt nicht als außergewöhnliche Belastungen an und verwies auf die hierzu ergangene, ablehnende höchstrichterliche Rechtsprechung. Danach stellt die künstliche Befruchtung der Eizellen der gesunden Ehefrau mit Fremdsamen keine (zwangsläufige) Heilbehandlung dar, da der kranke Ehemann nicht behandelt wird und die behandelte Frau gesund ist. Die Kinderlosigkeit als Folge der Sterilität stelle dagegen für sich keine Krankheit dar.
Dieser Rechtsauffassung war das Niedersächsiche Finanzgericht entgegengetreten.
Nach Überzeugung des FG war die – nach erfolglos versuchter homologer Befruchtung – durchgeführte sog. heterologe Insemination, d.h. Befruchtung von Eizellen der Klägerin mit dem Sperma eines fremden Mannes, Teil einer auf das spezielle Krankheitsbild des Klägers abgestimmten, medizinisch indizierten und ärztlich zulässigen, d.h. in Übereinstimmung mit der einschlägigen ärztlichen Berufsordnung stehenden einheitlichen Heil- bzw. Therapiemaßnahme, die mit dem Ziel durchgeführt wird, die Krankheitsfolgen – die ungewollte Kinderlosigkeit der Kläger – abzumildern. Danach waren die insoweit entstandenen Heilbehandlungskosten den Klägern aus tatsächlichen Gründen auch zwangsläufig entstanden und damit steuermindernd zu berücksichtigen. Das NFG hielt insofern eine Gleichbehandlung mit den – als außergewöhnliche Belastungen anerkannten – Fallgruppen der künstlichen Befruchtung bei Unfruchtbarkeit verheirateter und unverheirateter Frauen sowie eingeschränkter Zeugungsfähigheit des Ehemannes auch verfassungsrechtlich unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten für geboten.
Mit Urteil vom 16.12.2010 (Az.: VI R 43/10) – hat der Bundesfinanzhof (BFH) diese Rechtsprechung nunmehr bestätigt und von seiner besherigen anderslautenden Rechtsprechung Abstand genommen.
Quelle: FG Niedersachsen
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