Der Tatbestand der Urkundenfälschung aus § 267 StGB dient dem Schutz der Sicherheit und der Zuverlässigkeit im Rechtsverkehr mit Urkunden. Dabei sind in § 267 StGB drei Tatbestände vertreten: das Herstellen einer unechten Urkunde, das Verfälschen einer echten Urkunde und das Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde. Keiner der drei Tatbestände setzt eine erfolgreiche Täuschung eines anderen durch die Urkunde voraus. Daher muss der Täter lediglich subjektiv “zur Täuschung im Rechtsverkehr” gehandelt haben, objektiv muss aber kein Verhalten dieser Art im Rechtsverkehr vorgelegen haben (vgl. dazu auch Joecks, Studienkommentar StGB, § 267, Rn.2).
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Tatobjekt
Tatobjekt ist die Urkunde.
Eine Urkunde ist nach h.M. jede verkörperte Gedankenerklärung (sog. Perpetuierungsfunktion), die zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt und geeignet ist (sog. Beweisfunktion) und die ihren Aussteller erkennen lässt (sog. Garantiefunktion).
Gedanke+Beweis+Garantie=Urkunde
Die sog. Perpetuierungsfunktion ist die willentliche Äusserung eines Gedankens der rechtserhebliches Verhalten dokumentieren soll. Voraussetzung dafür ist das sichtbar machen mittels Zeichen (Schrift z.B.), wird ein Geheimcode benutzt muss mind. noch eine weitere Person diesen kennen. Andernfalls hat das Schriftstück keine Beweiskraft. Ebenfalls muss die Urkunde auch nach unbestimmter Zeit noch zuverlässig reproduziert und zum Beweis herangezogen [Joecks, Studienkommentar StGB, § 267, Rn.18] werden können.
Hierbei muss eine Abgrenzung zu den sog. Augenscheinsobjekten beachtet werden. Darunter fallen z.B. Blutproben und Beweiszeichen wie Künstlerkürzel. Denn diese sind sachliche Beweismittel die erst durch Schlussfolgerungen Rückschlüsse auf die Gedankenerklärung zulassen, nicht aber durch sie selbst (vgl. dazu auch Freund, JuS 1993,1026).
Die sog. Beweisfunktion unterteilt sich in das subjektive Element – die Beweisbestimmung – und das objektive Element – die Beweiseignung.
Unter der Beweisbestimmung wird die Möglichkeit der Urkunde verstanden ggf. in einem Verfahren als Beweis zu dienen. Zum einen gibt es dort die Absichtsurkunde in der der Aussteller von vornherein die Beweisbestimmung festlegt und zum anderen die Zufallsurkunde die ihre Beweisfunktion erst nachträglich annimmt.
Unter Beweiseignung versteht man die Eignung der Urkunde zum Beweis rechtserheblicher Tatsachen zu dienen, auch wenn sie nicht von vornherein zur Beweisführung bestimmt wurde.
Die sog. Garantiefunktion gewährleistet die Erkennbarkeit des Ausstellers. Aussteller ist dabei nicht wer die Urkunde hergestellt hat, sondern wem das in der Urkunde erklärte als eigene Erklärung zugerechnet wird. Nach der sog. Geistigkeitstheorie ( BGHSt 13,382) ist derjenige Aussteller von dem die Erklärung geistig herrührt (Vertiefend dazu: Joecks, Studienkommentar StGB, § 267, Rn. 28-32).
Formen der Urkunde
Neben der reinen Urkunde gibt es noch die Gesamturkunde, die Zusammengesetzte Urkunde ,Vervielfältigungsstücke und Beweiszeichen.
Die Gesamturkunde ist nach h.M. vorhanden. Sie ist eine Zusammenfassung mehrerer Einzelurkunden die zu einem einheitlichen Ganzen dauerhaft verbunden sind und somit über ihre Einzelbestandteile hinaus einen selbstständigen Erklärungsinhalt aufweisen. Diese Zusammenfassung von Einzelurkunden entsteht nach Gesetz, Herkommen oder Vereinbarung. Hierbei sind folgende Voraussetzungen zu beachten:
- Es muss eine Zusammenfassung von Einzelurkunden sein.
- Die Herstellung der Gesamturkunde (oder Führung) muss aufgrund eines Gesetzes, Geschäftsbrauch oder Vereinbarung aller Beteiligten beruhen.
- Die einzelnen Schriftstücke müssen nach aussen hin ein Ganzes darstellen. Insofern reichen lose Blätter in einem Umschlag nicht aus, eine Bindung allerdings schon.
- Die Verbindung der Einzelurkunden muss eine Gesamtheit bezwecken die bestimmt ist Rechtsbeziehungen zusammenfassend zu zeigen und damit eine einheitliche Gedankenäusserung zu schaffen.
Somit sind z.B. Sparbücher, ein Einwohnermeldeverzeichnis oder auch kaufmännische Handelsbücher Gesamturkunden.
Folgt man der h.M. nicht und erkennt somit die Gesamturkunde nicht an, ist der Tatbestand der Urkundenunterdrückung zu prüfen.
Die Zusammengesetzte Urkunde ist eine Verbindung zwischen einer Urkunde und einem Augenscheinsobjekt. Hierbei muss die Urkunde mit dem Augenscheinsobjekt zwar räumlich fest verbunden sein, jedoch nicht notwendig untrennbar. Wichtig ist, dass Urkunde und Bezugsobjekt zu einer Beweismitteleinheit verbunden sind und damit einen einheitlichen Beweis- und Erklärungsinhalt aufzeigen.
Beispiele für eine zusammengesetzte Urkunde sind z.B. das Preisschild an der Ware ( in einer festen Verbindung), jedoch nicht wenn das Preisschild nur an der Verpackung nicht aber an der Ware selbst befestigt ist und zwischen Verpackung und Inhalt nur eine lose Verbindung besteht. Gem. § 23 StVZO ist auch das amtliche Kennzeichen an Kraftfahrzeugen eine zusammengesetzte Urkunde, jedoch nicht die roten Kennzeichen i.S.d. § 28 StVZO, denn diese müssen nicht mit dem Fahrzeug fest verbunden sein.
Unter Vervielfältigungsstücken versteht man die Reproduktion von Urkunden. Hierbei ist streitig ob diese Reproduktionen dann auch Urkundenqualität haben.
Durschriften sind grundsätzlich Urkunden. Denn sie verkörpern die Originalurkunde des Ausstellers und dienen gerade dem zweck mehrere Exemplare zur Verfügung zu haben.
Abschriften sind in der Regel nicht als Urkunde anzusehen, da sie lediglich eine Reproduktion des Originals darstellen aber niemand die Gewähr für ihre Richtigkeit übernimmt. Beglaubigte Abschriften hingegen sind als Urkunde anzusehen, da hier die originalgetreue Wiedergabe bescheinigt wird (vgl. dazu Joecks, Studienkommentar, § 267, Rn.40).
Fotokopien sind grundsätzlich keine Urkunden, beglaubigte Fotokopien hingegen sind genauso zu behandeln wie beglaubigte Abschriften. Grundsätzlich sind einfache Fotokopien nur die bildliche Wiedergabe einer Urkunde die aber selbst keine Erklärung enthält. Somit gibt sie lediglich Auskunft darüber was in einem anderen Schriftstück steht. Allerdings gibt es hierbei auch Ausnahmen: Eine Fotokopie kann ausnahmesweise eine Urkunde sein, wenn der Täter z.B. sein Examenszeugnis manipuliert, verfälscht er zunächst eine echte Urkunde. Macht er von dem verfälschten Examenszeugnis eine Fotokopie und setzt er diese im Rechtsverkehr ein “gebraucht” er eine verfälschte Urkunde ( OLG Düsseldorf StV 2001,234). Verälscht der Täter hingegen eine Fotokopie des Zeugnisses und verwendet er diese, fällt das nicht in den § 267 StGB.
Ob Telefaxe Urkundenqualität haben ist streitig. Eine Meinung sieht das Telefax lediglich als Ablichtung des Originals an und sieht damit keine Urkunde, sondern nur eine Fotokopie. Bei angestellter Absenderkennung meint eine Meinung, dass der Absender mittels technischer Übermittlung ein Original senden will und damit sei eine Urkundenqualität gegeben. Wird das Fax via Computer zugestellt und ist es nicht vorher ausgedruckt worden und ist dieses Verfahren in den beteiligten Kreisen üblich, handelt es sich um eine Urkunde.
Die E-Mail ist dann eine Urkunde, wenn der Absender davon ausgeht, dass es zu einem Ausdruck und damit zu einer Verkörperung der Willenserklärung kommt.
Unter Beweiszeichen versteht man mit einem Gegenstand fest verbundene schriftliche Gedankenerklärungen, die ihren Aussteller erkennen lassen und nach Gesetz, Herkommen oder Vereinbarung der Beteiligten geeignet und bestimmt sind zum Beweis für eine rechtlich erhebliche Tatsache zu dienen (BGHSt 16,94). Darunter fallen z.B. Bierdeckel auf denen der Wirt Striche macht, Künstlerzeichen auf einem Kunstwerk, Prüfplakette des TÜV ect.
Der reine Entwurf einer Urkunde ist nach h.M. keine Urkunde.
b) Tathandlung
§ 267 I 1. Alt StGB – Eine unechte Urkunde herstellen.
Eine unechte Urkunde stammt nicht von demjenigen der als Aussteller der Urkunde erkennbar ist. Es liegt demnach eine Identitätstäuschung vor.
§ 267 I 2. Alt – Das verfälschen einer echten Urkunde.
Eine echte Urkunde stammt von demjenigen der als Aussteller der Urkunde erkennbar ist. Verfälschen bedeutet den Gedankeninhalt einer echten Urkunde nachträglich zu ändern. Dabei wird der Anschein erweckt, der echte Aussteller habe die Erklärung in dieser Form abgegeben.
Das Auswechseln der Bestandteile einer zusammengesetzten Urkunde ist unter § 267 I 2.Alt einzuordnen.
§ 267 I 3. Alt – Das gebrauchen einer unechten oder verfälschten echten Urkunde.
Gebrauchen bedeutet die Urkunde dem zu Täuschenden so zugänglich zu machen, dass er die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat, unabhängig davon, ob er diese Kenntnis nimmt.
2. Subjektiver Tatbestand
a) Eventualvorsatz reicht aus bzgl. der Urkunde, der Unechtheit und der entsprechenden Tathandlung.
b) Es muss jedoch der Täuschungswille im Rechtsverkehr vorhanden sein. Nach h.M. mit direktem Vorsatz (dolus directus 2.Grades). Täuschungswille ist das bezwecken des Eindrucks der Echtheit hervorzurufen und den Getäuschten dadurch zu einem rechtserheblichen Verhalten zu veranlassen.
Kleines Video dazu:
9. Sitzung: Urkundsdelikte Teil 1