Bevor es hier zu Missverständnissen kommt, ich werde mich in diesem und den Folgeartikeln immer dann, wenn von „Prozess“ gesprochen wird, mit dem Geschäfts- oder auch Arbeitsprozess genannt, beschäftigen. Die Prozesse im anwaltlichen Sinne bleiben Ihnen überlassen.
Was versteht man also unter einem Geschäftsprozess?
Fischermanns (Praxishandbuch Prozessmanagement S. 12) definiert ihn folgendermaßen:
Ein Prozess ist eine Struktur, deren Elemente Aufgaben, Aufgabenträger, Sachmittel und Informationen sind, die durch logische Folgebeziehungen verknüpft sind. Darüber hinaus werden deren zeitliche, räumliche und mengenmäßige Dimensionen konkretisiert. Ein Prozess hat ein definiertes Startereignis (Input) und Ergebnis (Output) und dient dazu, einen Wert für Kunden zu schaffen. |
Diese Definition ist allgemeingültig und passt auf jeden Prozess.
Eine Vielzahl unserer Kanzleien zeichnet aus, dass diese Prozesse bereits gebildet haben. Leider erfolgte dieses in der Vergangenheit rein funktionsorientiert. Dieses hat sich aber als wenig effektiv und noch weniger effizient herausgestellt.
Erst seit kurzer Zeit wird gerade in Großkanzleien die Gesamtheit aller Prozesse und deren abteilungsübergreifende Optimierung in den Vordergrund gerückt.
Um Definition und die vorstehende Aussage zu verdeutlichen, möchte ich dieses an einem Beispiel der Einstellung eines juristischen Mitarbeiters bis zum ersten Arbeitstag kurz darstellen:
- Kanzleileitung oder Fachbereich
- Diese erstellt das Anforderungsprofil für den neuen Mitarbeiter (Input)
- Personalabteilung (Recruiting)
- Sucht den Mitarbeiter entsprechend dem Anforderungsprofil
- Kanzleileitung oder Fachbereich
- führt die Bewerbungsgespräche und stellt die fachliche und persönliche Eignung des Bewerbers fest und vereinbart die Konditionen
- Personalabteilung
- erhebt bei positiver Entscheidung die Personendaten und fertigt den Vertrag
- gibt Mitteilung von Neueinstellung und Arbeitsbeginn an entsprechende Stellen in der Kanzlei weiter
- Mitarbeiter für Versicherungen
- meldet neuen Mitarbeiter der Vermögensschadenshaftpflicht
- Mitarbeiter für Raumplanung
- plant neue Raumbelegung für den neuen juristischen Mitarbeiter incl. evtl. Umzüge um entsprechenden Arbeitsplatz frei zu machen
- teilt evtl. Parkplatz zu.
- Mitarbeiter IT
- teilt Ruf-Nr. für den neuen Mitarbeiter zu
- richtet Passwort für den neuen Mitarbeiter in den entsprechenden Systemen und die notwendigen Rechte ein.
- vergibt E-Mail-Adresse
- Mitarbeiter Büroleitung
- richtet den neuen Arbeitsplatz ein incl. aller notwendigen Büroerstausstattung incl. Visitenkarten und evtl. Änderung des Briefbogens.
- Mitarbeiter Personalabteilung
- stellt zu Arbeitsbeginn den neuen Mitarbeiter vor
- Mitarbeiter IT
- plant / führt Schulung durch
An diesem kleinen Beispiel sehen Sie bereits, welche Funktionen involviert sind. Jede Funktion hat ihre eigenen Prozesse, die wenn sie gut geplant waren, Schnittstellen zu den Prozessen der beteiligten anderen Funktionen hatten. Aber nicht immer taten die Schnittstellen das, wofür sie geschaffen waren. Informationen gingen verloren, blieben liegen oder wurden anders interpretiert.
Bereits in den 90er Jahren hatten Michael Hammer und James Champy (Business Reengineering, Die Radikalkur für das Unternehmen) den Ansatz geprägt, die Geschäftsprozesse eines Unternehmens zu hinterfragen, neu zu gestalten und damit den Grundstein für eine Abwendung von der funktionalen zur prozessorientierten Organisation gelegt.
Dabei geht es darum, dass Prozesse über Funktionen hinweg durch einen Prozessverantwortlichen gesteuert und verantwortet werden. Das diese Art der Prozesssteuerung nicht den bisherigen „Funktionsgewaltigen“ gefiel, dürfte einleuchten.
Vorteil einer prozessorganisierten Organisation ist jedoch unter anderem eine messbar höhere Produktivität, Verkürzung kanzleiinterner Abläufe, Verringerung der Kosten und eine absolute Kundenfokusierung. Dabei geht es sowohl um externe Kunden (Mandanten) als auch interne Kunden (Mitarbeiter, Abteilungen etc.).
Das alles kann aber nur wirksam funktionieren, wenn ein Unternehmen, also auch Ihre Kanzlei, seine Prozesse kennt, leitet und lenkt. Überblick und Zusammenfassung der Prozesse wird als Prozesslandkarte oder Prozesslandschaft bezeichnet.
Das obige Bild zeigt zum Beispiel eine solche Prozesslandschaft einer Anwaltskanzlei. Hierauf werde ich in den kommenden Artikeln im Einzelnen eingehen.