Dieses ist der vorerst letzte Teil der Artikelserie “Elektronische Arbeitsweise in der Anwaltskanzlei. Sicherlich wird spätestens dann, wenn sich die Notwendigkeit z. B. nach Einführung des beA ergibt, eine Fortsetzung folgen.
Während wir uns in
- Teil 1 mit den grundsätzlichen Fragen, in
- Teil 2 mit den Vorteilen und Nachteilen der papiergestützten Arbeit und in
- Teil 3 mit den Vor- und Nachteilen der elektronischen Arbeitsweise
befasst haben, möchte ich nachfolgend auf die Dinge eingehen, die bei Einführung einer elektronischen Akte zum Zwecke der elektronischen Bearbeitung beachtet werden müssen.
Festlegung von Zielen
Die Einführung der elektronischen Akte muss zielorientiert erfolgen.
Dieses heißt insbesondere, dass überprüft werden muss, in welchen Bereichen die Einführung einer elektronischen Akte den größten Erfolg verspricht.
Dieses kommt selbstverständlich wiederum ganz auf die konkrete Situation in der jeweiligen Kanzlei an.
So wird in einer Kanzlei mit hohem Zwangsvollstreckungsanteil eher nach wie vor die Papierakte benötigt, als zum Beispiel in einer reinen Prozesskanzlei in der die Bearbeitung der Akte auch absolut elektronisch erfolgen kann. Auch in einer Kanzlei, die sich auf Strafrecht oder Verkehrsrecht spezialisiert hat, bietet der Einsatz einer elektronischen Akte den schnellsten Mehrwert.
Voraussetzungen erfüllen
Nachdem die Ziele definiert wurden, müssen selbstverständlich erst einmal die Voraussetzungen für die Führung einer elektronischen Akte geschaffen werden.
Vielfach ist bereits eine sogenannte Rechtsanwaltssoftware in der Kanzlei vorhanden. Die überwiegende Anzahl dieser Produkte bietet die sogenannte elektronische Akte bereits an, so dass vielfach die Softwarevoraussetzungen bereits gegeben sind.
Soweit dieses nicht gegeben ist, müssen die Voraussetzung geschaffen werden. Hierfür eignet sich, auch wieder nach Struktur der Kanzlei zu beurteilen, ein Enterprise Content Management System (ECM), zu dessen Bestandteil ein Dokumentenmanagement gehört. Hier sind eine Vielzahl von Abstufungen möglich,
Egal, was eingesetzt wird, es müssen die hoffentlich vorhandenen Geschäftsprozesse überprüft, optimiert und entsprechend angepasst werden.
Hierzu sind die Prozesse zu analysieren und unter Beiziehung aller am Prozess Beteiligten zu optimieren.
Ressourcenplanung
Hierbei geht es um
- Zeit
- Investitionen
- Mitarbeiter
Soweit das Personal bei der Optimierung der Geschäftsprozesse beteiligt wurde, ist davon auszugehen, dass keine Widerstände gegen die Einführung der elektronischen Arbeitsweise und der elektronischen Akte zu erwarten sind.
Klar müssen sie sich allerdings darüber werden, dass die Umstellung einen erhöhten Personalbedarf in der Anfangszeit erfordert.
Investitionen werden dann zu tätigen sein, wenn sie in der Vergangenheit nur rein papiergestützt gearbeitet haben.
So ist es eventuell notwendig, die vorhandene Software upzudaten oder auszutauschen, vorhandene EDV-Systeme aufzurüsten, Möglichkeiten zu schaffen, damit Dokumente gescannt werden können, aber auch Möglichkeiten zu schaffen, damit Dokumente mit einer qualifizierten digitalen Signatur versehen werden können. Dieses alles kostet Geld, welches sich allerdings mittelfristig amortisieren lässt.
In der Umstellungszeit sind teilweise Doppelarbeiten notwendig, die Zeit in Anspruch nehmen. Ein erhöhter Zeitaufwand für die Tätigkeiten ist zu berücksichtigen.
Wie bereits anfangs ausgeführt, geht es letzten Endes nicht nur um die Einführungs einer elektronischen Akte, d.h. einer virtuellen Sammlung von digitalen Dateien, sondern darum, die tägliche mandatsbezogene oder verwaltungsbezogene Arbeit elektronisch zu erledigen. Aber was heißt das für uns?
Lassen Sie mich dieses bitte einmal an einem Beispiel des „Posteingangs„ darlegen
- Sämtliche mandatsbezogene Informationen sind dem Mandat (elektronische Akte) zuzuordnen
- E-Mails können direkt zugeordnet werden
- elektronisch eingehende Dokumente oder selbst erstellte elektronische Dokumente können der Akte direkt zugeordnet werden
- Akten- oder Telefonnotizen sind der Akte zuzuordnen
- Faxe können konvertiert und der Akte zugeordnet werden
- Papierdokumente müssen
- gescannt
- verschlagwortet
- der Akte zugeordnet werden
Dabei ist darauf zu achten, dass dem zuständigen Rechtsanwalt oder Sachbearbeiter sämtliche das Mandat betreffende Informationen unmittelbar nach Eingang zur Verfügung gestellt werden müssen.
In den elektronischen Akten der verschiedensten Anwaltsprogramme sind sogenannte Posteingangsordner enthalten, die eine Zuordnung zu dem jeweiligen Anwalt oder Sachbearbeiter ermöglichen.
Weitere Beispiele wären z. B. die Zuordnung von Aufgaben einschließlich Diktate an Mitarbeiter über die elektronische Akte, die Nachverfolgung des Bearbeitungsstandes und vieles mehr.
Welche Akte ist führend?
Grundsätzlich sollte die elektronische Akte die führende Akte bei Neumandaten sein, das heißt, diese Akte muss auf jeden Fall vollständig geführt werden und anhand dieser Akte hat die Bearbeitung zu erfolgen.
Ab dem Stichtag der Einführung der elektronischen Akte sollten alle neuen Mandate ausschließlich elektronisch geführt werden.
Je nach Mandatsart wird man nicht umhin kommen, für das Mandat auch einen entsprechenden “Beihefter” zu führen, der nicht zu vernichtende Unterlagen enthält. Hierzu gehören insbesondere
- Honorarvereinbarungen,
- Mandatsbedingungen,
- Originalvollmachten
- Vollstreckungsunterlagen
Steuerrelevante Unterlagen haben bereits in der Papierakte nichts zu suchen, so dass bezüglich der elektronischen Akte keine Vorkehrungen zu treffen sind.
Bezüglich bereits vorhandener Papierakten müssen Sie für sich selbst entscheiden, ob sie die umfangreichen Umstellungsarbeiten auf elektronische Akte durchführen wollen oder aber, ob diese Papierakten weiter als Papierakten bearbeitet werden sollen. Ich selbst bin für eine sukzessive Einführung, da die Kosten für eine Umstellung sich unter Umständen nicht amortisieren lassen.
Vereinfachte Kommunikation mit dem Mandanten
Ich hatte letztens die Gelegenheit, an einem Online-Seminar teilzunehmen, in dem eindrucksvoll dargestellt wurde, welchen Aufwand die Kommunikation mit dem Mandanten verursacht.
Es wurde von dem sogenannten Ping Pong E-Mailverkehr gesprochen, der dadurch entsteht, dass der Mandant aus der Kanzlei eine E-Mail erhält und aufgrund der technischen Gegebenheiten (Smartphone etc.) fällt es dem Mandanten natürlich leichter, auf diese E-Mail zu antworten, ob dieses nun notwendig ist oder nicht. Die Folge ist, dass diese E-Mail wiederum bei der Kanzlei Tätigkeiten auslöst, wie zum Beispiel Zuordnung zur Akte, eventuelle Antwort etc..
Auch der Umstand, dass ein hoher Prozentsatz an Telefonaten vermieden werden kann, wenn die diversen Sachstandanfragen der Mandanten ohne Serviceverlust verhindert werden könnten, wurde erwähnt. Wir kennen das ja alle, dass Mandanten wöchentlich nachfragen, ob sich in ihrem Mandat zwischenzeitlich etwas getan hat. Dieses ist auch aus Sicht des Mandanten verständlich.
Die Aufgabe der Kanzlei ist es, dieses in vernünftige Bahnen zu lenken.
Vermeiden lassen werden sich solche Anfragen und solcher Ping Pong E-Mailverkehr immer dann, wenn der Mandant die Möglichkeit hat, auf seine Akte direkt zuzugreifen.
Rund 70 % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland sind mit dem Internet verbunden.
Warum also sollten wir dem Mandanten nicht in die Möglichkeit geben, auf die für ihn frei gegebenen Dokumente seiner Akte direkt über das Internet zugreifen zu können?
Dieses bietet für den Anwalt erhebliche Vorteile.
So muss er sich keine Gedanken darüber machen, dass er zum Beispiel einen unverschlüsselten E-Mail Verkehr mit seinem Mandanten führt.
Zusätzlich hat der Mandant immer die neuesten Informationen zur Verfügung, kann sich zu jeder Tages- und Nachtzeit die Dokumente herunterladen und je nach Rechtevergabe natürlich auch Dokumente hochladen.
Ein Großteil des Schriftverkehrs über E-Mail oder Papierpost könnte dadurch entfallen. Ebenso ein Großteil der telefonischen Nachfragen.
Für einen solchen Zugriff gibt es zwischenzeitlich Möglichkeiten auf dem Markt. Ich möchte hier keinen Anbieter namentlich nennen, aber sie werden selbst bereits entsprechende Werbung erhalten haben.
Wie kann solch ein Procedere nun ablaufen?
Immer dann, wenn ein Dokument, welches dem Mandanten zur Verfügung gestellt werden soll, im Mandat eingeht oder dieses verlässt, haben Sie die Möglichkeit, unter Verwendung der elektronischen Akte, dem Mandanten hiervon eine automatische Benachrichtigung per E-Mail zukommen zu lassen.
Der Mandant wiederum hat die Möglichkeit, unmittelbar nach dieser Benachrichtigung auf das für ihn freigegebene Dokumente zuzugreifen.
Natürlich bieten solche Produkte eine Vielzahl weiterer Annehmlichkeiten, sei es Einholung der Deckungszusagen vom Rechtsschutzversicherer, die Schadensabwicklung in einer Unfallsache und vieles mehr.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einige Anregungen für die Einführung der elektronischen Arbeitsweise und der elektronischen Akte geben.