Wie man einem aktuellen Bericht der Süddeutschen Zeitung entnehmen kann, soll zwischen der Union und der FDP eine Einigung über ein Gesetz erzielt worden sein, das Verbraucher vor Massenabmahnungen bei Urheberrechtsverletzungen schützen soll.
Das durch die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger vorangetriebene sog. „Anti-Abzock-Gesetz“ soll nun doch kommen. Der Gesetzesentwurf soll bis zum 6. Februar 2013 ins Kabinett gebracht werden, damit es noch vor der Sommerpause das gesamte parlamentarische Verfahren durchlaufen kann. Es handelt sich um ein nicht zustimmungspflichtiges Gesetz, so dass es nach dem parlamentarischen Durchlauf nicht mehr im Bundesrat blockiert werden könnte.
Soweit die Süddeutsche berichtet, beinhalte der aktuelle Entwurf, auf welchen man sich nun geeinigt haben soll, insgesamt drei Kernthemen.
1. Abo-Fallen am Telefon
Zunächst soll unerwünschte Telefonwerbung weiter eingedämmt werden. Die bisherigen diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen hatten ihr Ziel weitestgehend verfehlt, so dass hier nachgebessert werden musste. Gegenstand dieser Anrufe sind regelmäßig angeblich abgeschlossene Verträge, insbesondere im Bereich des Glücksspiels.
Nach dem neuen Vorhaben sollen derartige Verträge zukünftig nur noch wirksam sein, wenn sie schriftlich, per Telefax oder E-Mail, geschlossen wurden. Darüber hinaus soll das Vorhaben die Möglichkeiten der Bundesnetzagentur stärken, welche gegen die unerlaubt anrufenden Unternehmen Bußgelder in Höhe von bis zu EUR 300.000,00 verhängen können soll. Bisher war das Bußgeld auf einen Betrag von EUR 50.000,00 beschränkt.
2. Höhere Bußgelder für Inkassounternehmen
Werden einem Verbraucher untergeschoben und zahlt der Verbraucher die anschließend versandten Rechnungen berechtigt nicht, so werden regelmäßig Inkassounternehmen mit dem Eintreiben dieser angeblichen Forderungen beauftragt.
Das sog. „Anti-Abzock-Gesetz“ soll die Rechte der Verbraucher nun dahingehend stärken, dass diese zukünftig auf Anfrage detailliert angeben müssen, wie sich die geltend gemachte Forderung und die in Ansatz gebrachten Inkassogebühren entstanden sein sollen. Auch in diesem Bereich soll eine strengere Aufsicht sowie höhere Bußgelder bei missbräuchlichem Verhalten geplant sein.
3. Abmahnkosten für Urheberrechtsverletzungen
Bedeutendster und der wohl in der letzten Zeit am stärksten diskutierte Punkt soll eine Regelung zur Eindämmung von geltend gemachten Rechtsanwaltskosten sein, die im Rahmen von Abmahnungen wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen geltend gemacht werden.
Diese Regelung dürfte dann insbesondere die zehntausendfach ausgesprochenen Filesharing-Abmahnungen betreffen. Wie die Süddeutsche Zeitung weiter berichtet, soll ein Kompromiss dahingehend gefunden worden sein, dass Rechtsanwälte von privaten Internetnutzern, die zum ersten Mal eine Urheberrechtsverletzung begangen haben sollen, für die Abmahnung maximal Gebühren in Höhe von EUR 155,30, bestehend aus einer Gebühr zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, erstattet verlangen können sollen. Demnach würde für eine Filesharing-Abmahnung pauschal ein Gegenstandswert von EUR 1.000,00 zu Grunde zu legen sein. Diese Regelung gelte jedoch nicht bei gewerblichem Ausmaß der Verletzung von Urheberrechten. Wie der Union-Fraktionsvize Günter Krings in der Süddeutschen zitiert wird, soll „damit sichergestellt werden, dass einerseits Eltern und ihre Kinder vor überzogenen Abmahnkosten geschützt sind, dass aber andererseits das massenhafte Raubkopieren nicht in den Genuss dieses Privilegs kommt“.
Darüber hinaus soll die Union laut Krings durchgesetzt haben, dass abmahnende Rechtsanwälte in der Abmahnung detailliert angeben müssen, wie der konkrete Internetanschluss ermittelt worden sein soll.
Der aktuelle Entwurf ist derzeit noch nicht online verfügbar, so dass auf die Ausführungen der Süddeutschen Zeitung Bezug genommen werden muss. Aber die Ausführungen lassen bisher zwei Bedenken bestehen.
Zwar ist dem von Günter Krings geäußerten Ansatz grundsätzlich zuzustimmen, dass die Privilegierung grundsätzlich nur den privaten Internetanschlussinhaber zur Verfügung stehen sollte und wenn es sich um ein nicht gewerbliches Ausmaß handelt. Allerdings sollte der Gesetzgeber hier ein besonderes Augenmerk auf die exakte Formulierung im Gesetzeswortlaut und der Begründung legen.
Wir erinnern uns: §97a Abs. 2 UrhG
(2) Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 Euro.
Soweit vorliegend Günter Krings zitiert wird, scheint der neue Gesetzesentwurf nahezu identische Voraussetzungen zu haben, wie die Regelung in §97a Abs. 2 UrhG, nämlich die erstmalige Abmahnung einer nur unerheblichen Rechtsverletzung durch einen Privaten, die außerhalb des geschäftlichen Verkehrs begangen wird.
In der Vergangenheit wurde die Regelung des §97a Abs. 2 UrhG allerdings durch die Gerichte nicht angewandt. Dabei stützten sich Gerichte auf unterschiedliche Argumente, weil entweder keine unerhebliche Rechtsverletzung vorgelegen habe, wenn ein Filmwerk noch in der relevanten Verwertungsphase in rechtswidriger Weise im Internet öffentlich zugänglich gemacht wurde (LG Berlin, Beschluss vom 03.03.2011, AZ: 16 I 433/10; AG München, Urteil vom 11.11.2009, AZ: 142 C 14130/09) oder aber weil ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorliegen soll.
Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr liegt nach der amtlichen Begründung bei jeder wirtschaftlichen Tätigkeit auf dem Markt vor, welche der Förderung eines eigenen oder fremden Geschäftszwecks zu dienen bestimmt ist (vgl. BT-Drucks. 16/5048, S. 49). Der Begriff des Handelns im geschäftlichen Verkehr ist daher weit auszulegen (vgl. BT-Drucks. a.a.O.). Ein gewerbsmäßiges Handeln ist nicht erforderlich. Auch Kleinstgewerbetreibende handeln im geschäftlichen Verkehr. So ist beispielsweise bei Urheberrechtsverletzungen im Zusammenhang mit einem Verkauf über eBay oder andere Plattformen immer von einem Handeln im geschäftlichen Verkehr auszugehen. Eine Beschränkung von Anwaltskosten kommt in diesen Fällen nicht in Betracht (vgl. Dreier/Schulze, Dreier, UrhG, 3. Aufl. 2008, Rn. 18 zu § 97a UrhG).
Dieses Argument wurde insbesondere durch die abmahnenden Rechtsanwälte immer wieder aufgegriffen. Dabei begründeten sie die Nichtanwendbarkeit der Norm nach diesseitiger Ansicht rechtsirrig mit der Vermengung der Begriffe „gewerbliches Ausmaß“ und „Handeln außerhalb des geschäftlichen Verkehrs“. Nur bei Vorliegen eines „gewerblichen Ausmaßes“ der Rechtsverletzung, habe der Urheber bzw. dessen Abmahnanwalt einen Anspruch nach § 101 UrhG gegen den Provider, die Identität des Anschlussinhabers hinter der betreffenden IP zu erfahren. Aufgrund des gewerblichen Ausmaßes (welches somit in jedem Fall vorliegt, sobald eine Auskunft erteilt wird) sei eine Begrenzung der Kosten auf 100€ nach § 97a Abs. 2 UrhG grundsätzlich abzulehnen, da der Fall ja dann automatisch gewerbliche Ausmaße habe.
Fazit
Nach dem vorliegenden Pressebericht scheinen die gesetzlichen Voraussetzungen zur Deckelung der Anwaltskosten in Filesharing-Fällen nahezu identisch zu sein mit der bereits bestehenden Regelung in § 97a Abs. 2 UrhG. Klarheit über mögliche Unterschiede könnte daher zunächst der Wortlaut des Gesetzesentwurfes bringen.
Damit das Ziel des Gesetzgebers durch den neuen Gesetzesentwurf dann aber tatsächlich umgesetzt werden könnte, bedarf es einer genauen Formulierung, wann ein „nicht gewerbliches Ausmaß“ vorliegen soll. Insbesondere in der Gesetzesbegründung sollten die Filesharing-Fälle benannt werden, damit auch die letzten Zweifel ausgeräumt werden, dass die Privilegierung anzuwenden ist und hierdurch den Gerichten die notwendige Grundlage geschaffen wird, um diese neue Regelung anzuwenden und die Abmahnkosten damit nachhaltig reduziert werden.
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