Rechtsanwalt Guido Kluck

WK LEGAL
10999, Berlin
14.05.2012

Risiken beim Immobilienerwerb in der Zwangsversteigerung

 

Wer eine Immobilie oder die Beteiligung an einer solchen erwerben möchte, sollte sich stets mit möglichen Risiken beim Kauf vertraut machen. Einen Spezialfall des Grundstücks- oder Wohnungseigentumserwerbs stellt der Zuschlag in der Zwangsversteigerung dar.

Der erste Unterschied zum gewöhnlichen Immobilienkauf besteht darin, dass der Ersteher – also die den Versteigerungszuschlag erhaltende Person, § 90 Abs.1 ZVG – grundsätzlich keinerlei Gewährleistungsrechte geltend machen kann. Ansprüche wegen der Haftung für Sach- und Rechtsmängel gegen Voreigentümer, das Vollstreckungsgericht oder den betreibenden Gläubiger scheiden grundsätzlich genauso aus, wie gegen den gutachtenerstellenden Sachverständigen oder mögliche Zwangsverwalter. 

Der zweite Unterschied besteht darin, dass derjenige welcher in der Zwangsversteigerung „zuschlagen“ möchte normalerweise keine Beratung und Aufklärung hinsichtlich sich grundsätzlich stellender Problematiken erfährt. Dies ist aber umso wichtiger, wenn es sich um in dieser Materie unerfahrene Personen handelt. Vom Blindsteigern ist unbedingt abzuraten, da es unter Umständen zu unkalkulierbaren Folgekosten kommen kann.

§ 93 Abs.1 ZVG ordnet an, dass aus dem Zuschlagsbeschluss gegen den Besitzer des Grundstücks oder einer mitversteigerten Sache die Zwangsvollstreckung auf Räumung und Herausgabe stattfindet. Der Zuschlagbeschluss ist also ein Vollstreckungstitel, der nach § 885 ZPO vollstreckt werden kann.

Sollten der ehemalige Eigentümer und der Besitzer personengleich sein, so gibt § 93 ZVG dem Ersteher die Räumungsmöglichkeit mittels Zuschlagbeschluss an die Hand. Ebenso bei Besitzern, die kein Recht zum Besitz genießen.

Ein Recht zum Besitz an Grundstücken und Eigentumswohnungen ergibt sich normalerweise – bei Personenverschiedenheit von Eigentümer und Besitzer – aus einem Mietvertrag. § 57 ZVG ordnet nun die Anwendbarkeit einzelner mietrechtlicher Normen aus dem BGB an. Darunter fällt beispielsweise der § 566 BGB, welcher die bekannte Wendung „Kauf bricht nicht Miete“ zur Überschrift hat. Dies bedeutet im Ergebnis, dass man sich als neuer Eigentümer mit einem Mieter auseinander zu setzen hat. Keine leichte Aufgabe, gilt es doch den vertraglichen und gesetzlichen Vermieterpflichten zu genügen.

Die Kaufmotivation eines Erstehers und sein Verhältnis zu einem „übernommenen“ Mieter bedingen meist den Werdegang der gemeinsamen Beziehung und stellen die Weichen für ein positives oder negatives Auskommen. So wird der auf Rendite bedachte Ersteher den Mieter eher behalten wollen, vorausgesetzt die zu erzielende Miete erscheint aus Finanzierungsgesichtspunkten wenigstens einigermaßen einträglich.

Sollte es an der Rentabilität des Mietverhältnisses mangeln oder der Ersteher das Objekt für sich oder Angehörige nutzen wollen, wird er versuchen dem Mieter zu kündigen, um in den Besitz der Immobilie zu gelangen. Die §§ 57, 57a, 57b ZVG im Zusammenspiel mit den mietrechtlichen Vorschriften des BGB stellen nun einige Besonderheiten hinsichtlich des Mietverhältnisses auf.

So eröffnet § 57a ZVG die Möglichkeit der Eigenbedarfskündigung auch bei Wohnraummietverhältnissen, wenn sie demnächst erfolgt. Problematischer als Fristen können sich jedoch Handlungen auswirken, die vor Ersteigerung des Objekts stattfanden. Dazu zählt insbesondere die im Voraus entrichtete Miete.  

Bei der Mietvorauszahlung handelt es sich generell darum, dass der Mieter für einen gewissen zukünftigen Zeitraum, also beispielsweise für 6 Monate oder auch mehrere Jahre, den vertraglich geschuldeten Mietzins auf einmal zahlt. Der Vermieter hat hier den Vorteil, dass der Mieter im Falle  des vermeintlichen Vorliegens eines Mangels an der Mietsache  - bspw. defekte Fenster und Türen, nicht funktionierende Heizung, Schimmel – aktiv werden muss und Miete nicht zurückhalten kann, da diese schon gezahlt ist. Eine Mietminderung hier durchzusetzen kann unter Umständen schwierig werden, insbesondere bei Insolvenz des Vermieters. Zudem hat der Vermieter aus wirtschaftlicher Sicht den großen Vorteil einer sofortigen Liquiditätserhöhung. Derartige Vorauszahlungsvereinbarungen sind zumeist an eine Mietzinsrabattierung geknüpft und damit für den Mieter attraktiv. Der Mieter zahlt zum Beispiel für 3 Jahre im Voraus 36.000 € anstelle von 43.200 € bei einer Grundmiete von 1.200 € monatlich und spart damit Monat für Monat 200 €.  

Vorauszahlungen auf die Miete können sich in der Zwangsvollstreckung als großes Problem entpuppen. Sie können dazu führen, dass der Ersteher weder Miete fordern – diese ist ja schon im Voraus geflossen, wenn auch an eine andere Person – noch eine Räumung verlangen kann, da die in  § 574 BGB genannten (Härtefall-) Gründe greifen können. Sollte gekündigt werden können, ist die vorausbezahlte Miete aber gemäß § 547 BGB an den Mieter zurück zu erstatten (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2009 – XII ZR 66/07). Da Mietverträge auch nicht publiziert werden, wie etwa Grundstücksbelastungen (Dienstbarkeiten, Nießbräuche, Wohnungsrechte nach § 1093 BGB etc.) in Abteilung II des Grundbuchs, ist eine hundertprozentige Gewissheit über ihr Bestehen nur schwer erreichbar.

Wie der BGH in einer Entscheidung (BGH, Urteil vom 25.04.2007 -  VIII ZR 234/06; NJW 07 2919) feststellt, kommt es darauf an, ob die Vorausmiete vor der Beschlagnahme des Grundstücks – §§ 20 ff. ZVG –  wirksam vereinbart wurde und tatsächlich geleistet worden ist. Ist dies nämlich der Fall, so ist die Vorauszahlung nicht als unwirksame Zahlung im Sinne des § 1124 Abs. 2 BGB anzusehen.

Wenn somit, wie im Normalfall, der Grundpfandgläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, richtet sich die Wirksamkeit von Vorausverfügungen des Vollstreckungsschuldners, also des Eigentümers, im Rahmen einer Zwangsverwaltung nach den Vorschriften der §§ 1124, 1125 BGB. Die §§ 146, 20 ZVG (BGH, Urteil vom 23. Juli 2003 – XII ZR 16/00) führen zu diesem Ergebnis.

§ 1124 BGB beabsichtigt grundsätzlich, dass der Mieter nicht mehr an seinen verschuldeten  Vermieter zahlt, sondern an den Zwangsverwalter bzw. den Grundpfandrechtsgläubiger, damit die Miete zur Schuldentilgung eingesetzt werden kann. Deswegen kann der Mieter nach der Beschlagnahme und diesbezüglicher Kenntnis nicht mehr einwenden, er habe schon an den verschuldeten Vermieter gezahlt und zahle nunmehr nicht nochmals an den Gläubiger bzw. dessen Vertreter. Der BGH stellt neben den genannten Voraussetzungen noch ein weiteres Kriterium auf, damit die Vorauszahlung keine Wirkung gegen den Ersteher entfaltet. Es muss sich um eine nach periodischen Zeitabschnitten messbare Miete handeln. Ist die Mietzahlung nicht periodisch berechenbar (wie bei der Miete auf Lebenszeit), so kann § 1124 BGB nicht angewandt werden.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine tatsächlich geleistete, einmalige Mietvorauszahlung, die vor der Beschlagnahme erfolgt ist und nicht nach wiederkehrenden Zeitabschnitten bemessen werden kann, zum Erlöschen des Mietzahlungsanspruchs führt und dem Grundpfandrechtsgläubiger und Ersteher gegenüber wirksam ist, § 1124 Abs.1 BGB. 

In einer anderen Entscheidung (BGH, Urteil vom 05.11.1997 – VIII ZR 55/97; NJW 1998, 595) wurde die Möglichkeit der einmaligen Gesamtzahlung für die Zukunft  bestätigt.

Nun ist die Mietvorauszahlung in der Alltagspraxis nicht gerade Gang und Gebe, bietet sich aber unter den erwähnten Umständen an.  Sie bietet sich zudem für denjenigen an, der über Immobilieneigentum verfügt und sich mit zukünftigen Zahlungsschwierigkeiten konfrontiert sieht. So kann vor der Beschlagnahme ein Mietverhältnis auf Lebenszeit – mit Familienangehörigen beispielsweise – geschlossen werden, das dem Ersteher und Zwangsverwalter gegenüber wirksam ist.  Der Ersteher hat nunmehr einen Mieter, der ihm nichts zahlen muss und gegen den eine Räumung möglicherweise nicht durchgesetzt werden kann.  Eine finanzielle Katastrophe, gerade auch für Personen, die ihr Erspartes in eine eigene Wohnung investieren.

Neben der beschriebenen Problematik bestehen noch weitere Risikofelder beim Immobilienerwerb in der Zwangsversteigerung. Deswegen sollte dem Erwerb eine fundierte Analyse der Sach- und Rechtslage vorausgehen.

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