Mit der Frage zur Wirksamkeit einer im Arbeitsvertrag geregelten Ausschlussfrist hatten sich erstinstanzlich das Arbeitsgericht Neuruppin (Az. 5 Ca 329/12) sowie in der Berufungsinstanz das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Az. 4 Sa 1889/12) zu beschäftigen.
Sachverhalt
Unsere Mandantin war im Zeitraum 1. März 2008 bis 30. September 2010 als Servicekraft bei dem Beklagten beschäftigt. Zuletzt betrug das vertraglich vereinbarte Bruttoentgelt monatlich 1.000,00 EUR, welches jeweils am 15. des Folgemonats fällig wurde. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 30. September 2010.
Für die Monate Juni bis einschließlich September 2010 erhielt unsere Mandantin trotz ordnungsgemäß erbrachter Arbeitsleistung keine Vergütung, so dass ihr gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch in Höhe von 4.000,00 EUR brutto zusteht. Diesen machte sie erstmalig mit anwaltlichem Schreiben vom 3. Januar 2012 schriftlich geltend.
Der Beklagte beruft sich auf folgende im Arbeitsvertrag enthaltene Ausschlussklausel, wonach die Ansprüche im Zeitpunkt der erstmaligen schriftlichen Geltendmachung bereits verfallen gewesen seien:
„Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen binnen eines Zeitraums von drei Monaten nach Fälligkeit, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses binnen acht Wochen nach der Beendigung schriftlich geltend gemacht werden. Andernfalls sind sie erloschen.“
Unserer Ansicht nach ist die Klausel hingegen derart intransparent und missverständlich, dass sie insgesamt nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist.
Arbeitsgericht Neuruppin
Sowohl Beklagter als auch das erstinstanzliche zuständige Arbeitsgericht Neuruppin sind der Ansicht, dass der zweite Halbsatz „im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses binnen acht Wochen nach der Beendigung“ zwar unwirksam sei, da er den Beginn der Ausschlussfrist unzulässigerweise mit der Beendigung (statt Fälligkeit der Forderung) verknüpfe und die 8-Wochen-Frist zudem nicht der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entspreche. Nach Ansicht des Gerichts sowie des Beklagten könne der unwirksame Halbsatz jedoch im Wege des sog. „blue-pencil-test“ gestrichen werden, ohne dass die gesamte Klausel unwirksam sei. Im Ergebnis würde eine wirksame Ausschlussklausel verbleiben, wonach Ansprüche, auch im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen seien. Andernfalls seien sie erloschen. Das Arbeitsgericht Neuruppin stützt sich hierbei im Wesentlichen auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgericht Hamm (Az. 14 Sa 543/11).
In der Folge wies das Arbeitsgericht die Klage unserer Mandantin mit Urteil vom 22. August 2012 ab.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Im Rahmen der gestern stattgefundenen Berufungsverhandlung äußerte sich das LAG Berlin-Brandenburg erfreulicherweise zugunsten unserer Mandantin. Wie das Gericht in seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, sei die Klausel insgesamt zu unbestimmt und intransparent, dass es auf eine Teilbarkeit (Voraussetzung der Anwendung des „blue-pencil-test“) bereits nicht ankomme.
Diese Ansicht wird selbstredend auch durch uns vertreten. Da sämtliche für unsere Mandantin geltend gemachten Ansprüche im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist lagen, kommt es im Rahmen der Fristberechnung, innerhalb derer die schriftliche Geltendmachung hätte erfolgen müssen, entscheidend auf die Frage an, welche Wirkung die Beendigung auf die laufenden Ausschlussfristen hat. Hierbei sind unterschiedliche Konstellationen denkbar. So könnte die Beendigung zum Beispiel dazu führen, dass sich die im laufenden Arbeitsverhältnis geltende dreimonatige Ausschlussfrist um weitere acht Wochen verlängert. Ebenso könnte die Beendigung aber auch dazu führen, dass sich die ursprüngliche dreimonatige Ausschlussfrist aufgrund der Beendigung auf maximal acht Wochen verkürzt. Die Rechtsunsicherheit, welche sich aus den unterschiedlichen Auslegungen ergibt, geht nach § 305 c Abs. 2 BGB grundsätzlich zu Lasten des Verwenders und damit des Beklagten.
Wenngleich das LAG Berlin-Brandenburg bereits angekündigt hat, die Revision zum Bundesarbeitsgericht wohl zu zulassen, haben sich die Parteien zunächst widerruflich auf einen Vergleich geeinigt. Nun gilt es zu klären, ob unsere Mandantin mit 2/3 der Forderung einverstanden ist oder ob sie, auch auf die Gefahr einer anders lautenden Entscheidung des BAG in der Revision, ein zu erwartendes Urteil über die volle Summe möchte.
Fazit
Gerichte sind nicht unfehlbar, aus diesem Grund bestehen Rechtsmittel wie Berufung und Revision, die es einem unter gesetzlich normierten Voraussetzungen ermöglichen, gerichtliche Entscheidungen durch eine nächsthöhere Instanz überprüfen zu lassen. Wichtig ist hierbei, dass man die Entscheidungsgründe des Gerichts objektiv und sachlich analysiert, um eine seriöse Prognose über das Prozessrisiko abgeben zu können.
Die persönlichen Interessen des Anwaltes, diese äußerst spannende Auslegungsfrage vor dem nächst höheren Gericht oder sogar dem BAG zu erörtern, müssen hierbei selbstverständlich unberücksichtigt bleiben, bzw. hinter die primären Interessen der Mandantin an einem Zahlungstitel zurücktreten.
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