Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 19. Juli 2012 (Az. C 154/11) entschieden, dass sich ein fremder Staat gegenüber einem Mitarbeiter dann nicht auf seine Immunität berufen kann, wenn dessen Aufgaben nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnisse fallen.
Hintergrund des Urteils war ein Auslegungsbegehren des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg über die gerichtliche Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge. Hierzu im Einzelnen:
Der Kläger, sowohl im Besitz der algerischen als auch der deutschen Staatsbürgerschaft, war bei der Berliner Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Algerien als Kraftfahrer beschäftigt. Er erhob vor dem deutschen Arbeitsgericht Klage gegen seine Kündigung und machte Vergütungsansprüche geltend. Hiergegen wendete Algerien ein, dass die Immunität völkerrechtlich anerkannt sei und Algerien als fremder Staat folglich nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen sei. Darüber hinaus enthalte der streitgegenständliche Arbeitsvertrag eine Gerichtsstandsvereinbarung, nach der ausschließlich algerische Gerichte zuständig seien.
Das Berliner Landesarbeitsgericht setzte das Verfahren aus und hat den Europäischen Gerichtshof im Rahmen einer Vorabentscheidung um Klärung der Frage gebeten, ob die Botschaft eines Staates eine Zweigniederlassung im Sinne des Artikel 18, 19 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) darstellen kann. Hiernach kann ein Arbeitgeber, der keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union hat, dann vor einem Gericht eines Mitgliedsstaates verklagt werden, wenn er dort eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung betreibt.
Der EuGH beantwortet diese Frage in seinem Urteil mit einem eindeutigen Ja. Auf den Punkt gebracht stellt eine Botschaft eines Drittstaates in einem Mitgliedsstaates in einem Rechtsstreit über ein Arbeitsverhältnis dann eine Niederlassung dar, wenn die von dem Arbeitnehmer zu verrichtende Tätigkeit nicht unter die Ausübung hoheitlicher Befugnisse fällt. Eine Botschaft kann, wie jede andere öffentliche Einrichtung oder Behörde, außerhalb ihrer hoheitlichen Aufgaben zivilrechtliche Rechte und Pflichten erwerben bzw. eingehen, für die dann die Regelungen der Staatenimmunität keine Wirkung entfalten, die nach Ansicht des EuGH nicht absolut gilt.
Der EuGH stellte ebenfalls klar, dass die im Arbeitsvertrag des Klägers enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung der Zuständigkeit des Berliner Gerichts ebenfalls nicht entgegensteht. Grundsätzlich besteht zwar nach Art. 21 EuGVVO die Möglichkeit durch Gerichtsstandsvereinbarung von den Regelungen der Art. 18, 19 EuGVVO abzuweichen; dies jedoch nur dann, wenn dem Arbeitnehmer die Befugnis eingeräumt wird, andere Gerichte anzurufen. Eine Klausel, die einem Arbeitnehmer das Recht nimmt, die in der EuGVVO normierten Gerichte anzurufen, ist hingegen unwirksam, da andernfalls der Zweck der Verordnung, nämlich den Arbeitnehmer als schwächere Vertragspartei zu schützen, verfehlt würde.
In Kenntnis dieser Auslegung des EuGH wird das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Klage nunmehr zu entscheiden haben.
Fazit: Mitarbeiter von Botschaften sollten zukünftig genau überlegen, bevor sie einer Kündigungsschutzklage vor einem deutschen Arbeitsgericht keine Erfolgsaussichten beimessen. Es empfiehlt sich, einen auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt aufzusuchen, der Sie umfassend darüber informiert, ob Ihre Tätigkeit hoheitlichen Befugnissen unterliegt oder nicht. Unbedingt einzuhalten ist hierbei die 3-Wochen Frist des Kündigungsschutzgesetzes, da andernfalls die unwirksame Kündigung unangreifbar bleiben wird.
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