eit dem 01.01.2022 gilt erneut ein verschärftes Kaufrecht.
Der vorliegende Artikel versucht möglichst umfangreich das neue Kaufrecht zu erläutern. Es bleibt aber darauf hinzuweisen, dass hier die Rechtsprechung noch keine eindeutigen Positionen bezogen hat.
Der geneigte Leser sei gewarnt: die Lektüre dieses Artikel kann und will kompetenten Rechtsrat im Einzelfall nicht ersetzen, sie soll lediglich einen Überblick über die Problematik geben und so zum rechtzeitigen Gang zum Anwalt ermuntern.
Gerichte neigen auch bislang schon leider dazu, oftmals auch vorschnell, bei einem Hundezüchter die Unternehmereigenschaft anzunehmen. Dies hat zwei gravierende Folgen, die mit der EU-Warenkaufrichtlinie (WKRL) noch problematischer werden. Zum Einen ist der Züchter der Beweislastumkehr ausgesetzt, so dass der Käufer nur behaupten muss, das Tier habe einen Mangel, den er nicht einmal genau bezeichnen muss, woraufhin der Verkäufer beweisen muss, dass das Tier diesen Mangel bei Gefahrübergang nicht hatte – was in den meisten Fällen unmöglich ist (Tierärzte sind keine Hellseher). Zum Zweiten ist selbst eine Freizeichnung im Kaufvertrag von bekannten Problemen mit dem Tier nur unter sehr hohen formalen Hürden möglich. Es ist daher jedem Hundezüchter dringend anzuraten, seine Verträge nicht als Muster aus dem Internet von vor drei oder mehr Jahren, sondern - auch wenn dies Geld kostet - anwaltlich sorgfältig und aktuell erstellen zu lassen.
Änderung des Sachmangelbegriffs
Der Begriff des Sachmangels wird durch die Umsetzung der WKRL geändert. Eine Kaufsache ist nur dann frei von Mängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven und den objektiven Anforderungen sowie den Montageanforderungen entspricht. Letztere sind beim Tierkauf wohl eher kein Problem.
Die subjektiven Anforderungen liegen vor, wenn die Ware einer etwaig vereinbarten Beschaffenheit entspricht oder sich laut für vom Vertrag vorausgesetzten Verwendung eignet und gemäß dem Vertrag sämtliches Zubehör und sämtliche Anleitungen mitgeliefert werden.
Die objektiven Anforderungen umfassen die gewöhnliche Verwendung – Berücksichtigung technischer Normen oder sektorspezifischer Verhaltenskodizes, die übliche Beschaffenheit – Relevanz der Art der Sache und von öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder einer Person in der Vertragskette und die Relevanz von Proben und Mustern, die der Verkäufer dem Käufer vorab zur Verfügung gestellt hat sowie Zubehör, etwa Verpackung oder Montageanleitung, dessen Lieferung vernünftigerweise erwartet werden kann. Hier kommen Futterproben und Aufzuchthinweise etc. in Betracht.
Gewährleistungsansprüche können durch eine negative Beschaffenheitsvereinbarung verhindert werden. In Verbrauchsgüterkaufverträgen bedarf es dafür aber einer ausdrücklichen und gesonderten Vereinbarung. Hierzu im Folgenden mehr.
Erleichterte Rücktrittsmöglichkeiten für Verbraucher
Bei Mängeln der Kaufsache können Verbraucher unter erleichternden Umständen zurücktreten. Unter anderem bedarf es keiner ausdrücklichen Fristsetzung, wenn der Unternehmer-Verkäufer die Nacherfüllung trotz Unterrichtung über den Mangel nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums vornimmt.
Auch muss der Unternehmer den gezahlten Kaufpreis bereits erstatten, sobald der Verbraucher die Rücksendung nachweist, § 475 Abs. 6 BGB.
Garantien
Garantien sollte ein Tierverkäufer schon vor 2022 nicht abgeben, erst recht nicht, ab Geltung des neuen Rechts. Also sind alle Formulierungen, wie „Das Tier ist gesund“ o.ä. tunlichst zu streichen.
Kenntnis vom Mangel rettet nicht mehr
Bei Verbrauchsgüterkaufverträgen kann der Verbraucher künftig Sachmängelrechte auch dann geltend machen, wenn er den Mangel bei Vertragsschluss kennt. Die Gewährleistung ist nur ausgeschlossen, wenn der Verbraucher vor Vertragsschluss eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Sache von der objektiven Anforderungen abweicht, und die Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.
Im Rahmen der Verbrauchsgüterkäufe sind künftig bei negativen Beschaffenheitsvereinbarungen, durch die von den objektiven Anforderungen abgewichen werden soll, Informationspflichten sowie Formerfordernisse einzuhalten. Dabei handelt es sich um zwei von einander zu trennende Vorgaben, die kumulativ einzuhalten und ggf. auch vom Verkäufer zu beweisen sind. Auch wenn weder die WKRL noch die Umsetzung in § 476 BGB Anforderungen aufstellt, sollte der Unternehmer die Einhaltung der Informationspflicht im eigenen Interesse dokumentieren und vom Verbraucher unterschreiben lassen. Die Beweissicherung erfordert eine Aufbewahrung bis zum Ende der Verjährungsfrist.
Allein die gesetzliche Beweislastumkehr hinsichtlich des Vorliegens eines Mangels bei Gefahrübergang wird für Tiere nicht verlängert.
Weitere Pflichten des Verkäufers im Zuge der Nacherfüllung werden im Gesetz für alle Kaufverträge ausdrücklich geregelt. So muss der Verkäufer die ersetzte Kaufsache auf seine Kosten zurücknehmen. Es ist nunmehr geregelt, dass der Verkäufer vor der Nacherfüllung die Zurverfügungstellung der scheinbar mangelhaften Sache für eine Mängelprüfung verlangen kann – und auch sollte. Gegenüber Verbrauchern hat der Unternehmer die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ab Unterrichtung über den Mangel und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen.
Künftig kann der Unternehmer die Nacherfüllung auch verweigern, wenn die einzig mögliche oder verbliebene Art der Nacherfüllung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist.
Verjährung
Die Verkürzung der Verjährungsfrist für die Mängelhaftung auf ein Jahr bei dem Verkauf von Gebrauchtwaren ist nicht mehr durch AGB möglich. Vielmehr bedarf es einer ausdrücklichen Vereinbarung, an die hohe Anforderungen gestellt werden.
Zugunsten von Verbrauchern wird künftig die Verjährung der Gewährleistungsrechte gehemmt, wenn sich ein Mangel erst kurz vor Ende der Verjährungsfrist zeigt oder der Verbraucher die Sache zur Nacherfüllung dem Unternehmer übergeben hat.
Neue Verträge sind unabdingbar
Kaufverträge müssen an den neuen Sachmangelbegriff angepasst werden. Nachteilige Abweichungen von den Regelungen gegenüber Verbrauchern sind weitgehend unzulässig und werden einer AGB-Kontrolle nicht standhalten.
Eine Rechtsschutzversicherung kann die nicht unerheblichen Prozessrisiken, die durch die Notwendigkeit von Gutachten ggf. verschärft werden, abfedern. Denn auch der Prozessgewinner kann auf beträchtlichen Kosten sitzen bleiben, wenn der Schuldner nicht liquide ist, zumal außergerichtliche Anwaltskosten des Angegriffenen meist nicht vom Angreifer zu erstatten sind. Rechtsschutzversicherungen greifen aber nicht bei Vertragsgestaltungen oder wenn der Versicherte vom Gericht als Unternehmer eingestuft wird.
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