Das Landgericht Mannheim hatte mit Urteil vom 05.12.2023 über eine Fragestellung zu entscheiden, die sich seit Einführung der Datenschutzgrundverordnung immer wieder stellt. Die Parteien stritten über Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche wegen telefonischer Kontaktaufnahme zu Werbezwecken.
Am 23.02.2021 wurde mit den persönlichen Daten der Klägerin an einem durch die Firma toleadoo GmbH organisierten Gewinnspiel teilgenommen. Die persönlichen Daten wurden nach der Teilnahme an verschiedene Sponsoren weitergeleitet. Unter diesen Sponsoren befand sich die Firma ACC Print Medien Ltd. mit Sitz in der Türkei, welche die Klägerin am 01.03.2021 telefonisch zu Werbezwecken kontaktierte. Während dieses Gesprächs schloss die Klägerin ein dreizehnmonatiges Zeitschriftenabonnement ab. Die Firma ACC Print Medien Ltd. trat ihre Rechte aus dem Zeitschriftenabonnement an die beklagte Deutscher Video Ring GmbH ab, die wiederum ihre Belieferungsrechte aus dem Zeitschriftenabonnement an Wolfgang Klenk, Abonnementverwaltung, abtrat. Die Betreuung des Zeitschriftenabonnements wurde von der Firma PVZ Stockelsdorf übernommen.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 82 DSGVO auf immateriellen Schadensersatz in Höhe von 500,00 €. Nach dieser Vorschrift hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Dabei ist der Schaden nicht mit der zugrundeliegenden Rechtsgutverletzung gleichzusetzen. Vielmehr ist Voraussetzung für eine Entschädigung in Geld, das über den festgestellten Verstoß gegen die Vorschriften der DSGVO hinaus der Nachweis eines konkreten (auch immateriellen Schadens) erbracht wird. Hierfür spricht bereits der Wortlaut von Art. 82 Abs. 1 DSGVO, der über den Verstoß hinaus ausdrücklich die Entstehung eines Schadens (“...Schaden entstanden ist“) voraussetzt. Der Schaden muss „erlitten“ werden, woraus folgt, dass dieser tatsächlich entstanden sein muss und nicht lediglich befürchtet wird. Vorliegend konnten keine konkreten Ängste oder Stress behauptet werden. Lediglich soweit es um Kontrollverlust und Zeiteinbußen der Klägerin geht, konnte konkreter Vortrag erfolgen. Dass insoweit ein Schaden bei der Klägerin tatsächlich entstanden ist, bestreitet die Beklagte nicht, wenn sie lediglich zur Intensität des Eingriffes vorträgt und z.B. behauptet, die Entscheidungsfreiheit der Klägerin sei durch den Anruf nicht erheblich beeinträchtigt. Eine rechtswidrige Störung eines durch § 823 BGB geschützten Rechtsguts der Klägerin liegt daher nach Auffassung des Landgerichts vor. Der Werbeanruf hat das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt. Dieses schützt den Bereich privater Lebensgestaltung und gibt dem Betroffenen das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden. Der Betroffene hat das Recht, seine Privatsphäre von unerwünschter Einflussnahme anderer freizuhalten und die Möglichkeit, selbst darüber zu entscheiden, mit welchen Personen und in welchem Umfang er mit ihnen Kontakt haben möchte. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt deshalb vor Belästigungen durch unerwünschte Kontaktaufnahme. Eine wirksame Einwilligung in die Kontaktaufnahme zu Werbezwecken durch das Ankreuzen einer entsprechend konkret vorformulierten Erklärung liegt nur dann vor, wenn die Einwilligungserklärung in einem gesonderten Text oder Textabschnitt ohne anderen Inhalt enthalten ist. Vorliegend enthielt das ankreuzbare Hinweisfeld neben der Einwilligung den Hinweis auf die Unentgeltlichkeit der Registrierung zum Gewinnspiel, womit die Einwilligung - auch für den Fall, dass sie tatsächlich von der Klägerin stammen würde - wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot als unwirksam anzusehen ist. Für das Gericht stehen daher Verstöße gegen die DSGVO fest: Hier wurden ohne Zustimmung der Klägerin deren Daten erfasst, verarbeitet und weitergegeben. Nach Art 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung der Daten nur rechtmäßig, wenn eine der in dieser Vorschriften genannten Bedingungen erfüllt ist. Vorliegend kommt nur Art 6 Abs. 1 a) DSGVO in Betracht, wonach die Verarbeitung dann rechtmäßig ist, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben hat, was gerade nicht der Fall ist: Auf die Frage, ob die Klägerin sich hier nur zum Schein einverstanden erklärt hat, kam es daher nicht an. Des weiteren hat die Beklagte keinen Vortrag dazu gehalten, wie sie ihren Verpflichtungen aus § 13 DSGVO nachgekommen sein will, so dass im Hinblick auf den klägerischen Vortrag dazu auch von einem Verstoß gegen § 13 DSGVO auszugehen ist.
Im Hinblick auf den klägerischen Vortrag zu einem von der Klägerin erlittenen Schaden hält das Gericht einen Betrag von 500,00 € für angemessen, aber auch völlig ausreichend als Kompensation. Mit der Zahlung dieses Betrags ist die „Belästigung“ der Klägerin abgegolten; für das Gericht ist einsichtig, dass die Belastung mit ungewollten Anrufen nervt und belastet, hier geht es allerdings nicht um zahlreiche Anrufe und die Klägerin hat auch nicht dargetan, dass sie in erheblichem Maße betroffen war. Soweit von einem Kontrollverlust der Klägerin auszugehen ist, betraf dies - wie die Klägerseite selbst einräumt - nur einen begrenzten Bereich. Der Verlust hielt sich - wie die Klägerin formuliert - im „eigenen“ Bereich. Eine Gefahr für ihre Kreditwürdigkeit lag z.B. nicht vor. Jedenfalls liegt aber ein (begrenzter) Kontrollverlust der Klägerin in Bezug auf ihre Daten vor; sie wurde von einem „Sponsor“ kontaktiert, ob weitere Personen/Unternehmen ihre Daten erhalten haben, war für die Klägerin nicht absehbar.
Eine Rechtsschutzversicherung kann die nicht unerheblichen Prozessrisiken, insbesondere angesichts einer noch sehr jungen und uneinheitlichen Rechtsprechung zu Schadensersatzhöhen abfedern. Denn auch der Prozessgewinner kann auf beträchtlichen Kosten sitzen bleiben, wenn der Schuldner nicht liquide ist.
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