Es ist immer wieder spaßig, zu beobachten, wie sich die Medien zu Trends positionieren und auch die Augen vor ihnen verschließen. Diesmal am Beispiel der Wirtschaftswoche und ihrer gut abgehangenen Meinung zur Frauenquote.
Artikel werden nicht besser, wenn man sie wieder aufwärmt und Thesen nicht überzeugender, wenn man sie erneut runterleiert. Wir erinnern uns: Schon 2011 titelte die Wirtschaftswoche „Was tun, wenn die Quote kommt? Wie die Frauenquote Männerkarrieren bedroht.” Illustriert war das Cover mit einem grämlich dreinblickenden Mann mit blonder Perücke. Der Artikel im Heft aus dem Ressort Management & Erfolg trug den Titel: „Aus Furcht vor gesetzlichem Zwang verordnen sich Unternehmen freiwillige Frauenquoten. Hoch qualifizierte Männer haben das Nachsehen“.
Am 4. November 2014 hat die Wiwo, respektive Ressortleiter Management & Erfolg, Manfred Engeser, das Thema recyclet und sich erneut ausgelassen über die Diskriminierung von Männern, die entstehe, wenn Unternehmen von Gesetzes wegen gezwungen würden, Frauen in Führungspositionen zu hieven. Titel und Vorspann diesmal: „Männerkarriere trotz Frauenquote?” “Droht hoch qualifizierten Männern eine Diskriminierung durch die Quote?“
Der kleine Unterschied: 2011 war mit Chefredakteur Roland Tichy alles andere als ein Frauenfeind, aber eben auch kein Befürworter von Frauenquoten am Ruder der Wirtschaftswoche. Im Oktober 2014 ist mit Miriam Meckel eine Frau und obendrein ein Mitglied des 2013 gegründeten Vereins Pro Quote in die Chefredaktion eingezogen.
ProQuote zitiert Wiwo-Chefredakteurin Miriam Meckel mit dem Ausspruch: „Frauen gehören gerade in den Medien in Führungspositionen. Nicht nur, weil das heute selbstverständlich sein sollte, sondern vor allem, weil Medien täglich dazu beitragen, unsere Weltbilder zu entwerfen. Die sollten auch den Blick der Frauen enthalten.“
Diese Selbstverständlichkeit klingt bei Wiwo-Redakteur Engeser Manfred Engeser nicht durch. Den Prozess, dass Unternehmen versuchen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen und dafür bei gleicher Qualifikation manchmal Frauen den männlichen Bewerbern vorziehen, bezeichnet er als „bittere Realität“ für „hochqualifizierte Männer“.
Die Maßnahmen, die Unternehmen dafür ergreifen, übersetzt Engeser in: sie „üben“ sich „panikartig in vorauseilendem Gehorsam“. „Weil“, so seine Interpretation „die Unternehmen eine gesetzliche Frauenquote fürchten wie der Teufel das Weihwasser“.
Allerdings gelingt es dem Redakteur nicht einmal selber, diese angebliche Panik zu belegen. Was er in seinem Artikel aufzählt, sind Maßnahmen von Unternehmen, die – wie immer bei staatlichen Lenkungseingriffen – freiwillige Maßnahmen zwar lieber hätten als Zwangsmaßnahmen, sich aber letztlich pragmatisch auf den Trend der Zeit einstellen: Indem sie freiwillige Quoten anbieten und mit Frauenförderprogrammen und Mitarbeiterinnensuche versuchen, diese Quoten auch zu erreichen.
Genauso wenig belegt der Artikel, dass es „erste Männer“ in die „innere Emigration“ treibe, wenn sie wegen der Quote Angst vor Jobverlust bekämen. Statt dessen wartet er mit investigativ anmutenden, weil anonymisierten Aussagen auf. Etwa “Ich sehe, wie immer mehr Frauen mit ähnlichen Qualifikationen an mir vorbeiziehen” Und: “Ich fühle mich machtlos.” Beides sagt „ein promovierter Wirtschaftsingenieur eines regionalen Energieversorgers unter dem Deckmantel der Anonymität.“
Dass irgendjemand betrübt ist, wenn er übergangen wurde, ist normal. Und dass er die Verantwortung gerne abschiebt, etwa auf eine Frauenquote, ist auch normal. So normal, dass ich als Leserin geneigt bin, zu fragen: „Who cares?“ Irgendjemand moppert doch immer, wenn sich die Zeiten ändern. Das hat die Zeiten aber noch nie daran gehindert, sich zu ändern. Würde mich wundern, wenn das bei einem wieder aufgewärmten Wiwo-Artikel anders wäre.