Sven Oswald und Daniel Finger von radioeins haben mich am 8.1. in der Sendung „Zwei auf eins“ gefragt, Kommunizieren Männer anders als Frauen? (hier zu den 3 Fragen im Radio, Minute: 11:48). Und hier ein paar ausführlichere Gedanken dazu:
Gibt es Unterschiede? Und wenn ja, woher kommen sie?
Ja, Frauen und Männer drücken sich unterschiedlich aus. Das liegt nicht an der Biologie, sondern an unterschiedlichen Rollenerwartungen. Auch wenn sie in einer modernen gleichberechtigten Gesellschaft antiquiert erscheinen, beeinflussen sie die Kommunikation von Männnern und Frauen. Der Blogbeitrag analysiert die Unterschiede und gibt Tipps, wie man damit clever umgeht.
Die Stimmlage von Frauen ist tiefer geworden
Die entspannte Sprechlage liegt bei Frauen bei 220 Hertz, bei Männern bei 120 Hertz. Interessante Beobachtung: Durchschnittlich hat sich die durchschnittliche Stimmlage in Mitteleuropa in den letzten Jahrzehnten um 2-3 Halbtöne gesenkt. Der Grund ist die fortgeschrittene Emanzipation von Frauen. Anschaulich wird der Unterschied an Filmen von damals und heute: Da die zarten, piepsigen Stimmen von Romy Schneider oder Heidi Kabel aus einem Heimatfilm aus den 60er oder 70er Jahren, dort die tiefen Stimmen einer Maria Furtwängler oder Ulrike Folkerts aus einem Tatort von heute.
Sonore Stimme = Führungsstärke
Frauen in Führungspositionen wissen schon seit seit jeher, dass frau sich mit einem maskulineren Auftreten besser durchsetzt: So soll sich Margret Thatcher, britische Premierministerin von 1979 bis November 1990, bewusst eine tiefe Stimme antrainiert haben. Andererseits halten Männer Frauen für attraktiver, die relativ hoch und zart sprechen. An fruchtbaren Tagen wird die Stimmlage von Frauen höher. Soweit zu den Unterschieden in der Stimmhöhe.
„Man wird nicht als Frau geboren, man wird es“
Doch was ist mit dem Inhalt der Sprache? Was Frauen und Männer sagen, wird nicht von der Biologie bestimmt. Die Annahme, dass Frauen und Männer unterschiedliche Gehirne hätten, ist widerlegt. Genetisch sind Männer und Frauen zu 99 Prozent gleich. Sogar die ach so unterschiedlichen Geschlechtsorgane ähneln sich in ihrer Zellstruktur frappant.
„Man wird nicht als Frau geboren, man wird es“,
schrieb die berühmte französische Philosophin Simone de Beauvoir 1949 in einem Essay. Sie meinte damit, dass das Verhalten einer Frau und eines Mannes durch Rollenerwartungen geprägt wird.
Die Steinzeit lässt grüßen
Diese traditionellen Rollenbilder sehen den Mann als Jäger und Sammler, der aggressiv herrschen und beschützen musste, während die Frau die Kinder erziehen und die Gemeinschaft zusammenhalten musste.
Wikipedia:
„Die historische Perspektive des Mannes als Jäger und Sammler, konkurrierend mit anderen Männern um Nahrung, Ressourcen und Frauen und mit geringen Investitionen in die Erziehung der Kinder, ist konsistent mit der Entwicklung von speziell männlichen Eigenschaften wie Aggression, Konkurrenz und Raumvorstellung. Bei Frauen standen wahrscheinlich Kindererziehung und die Fähigkeit, in einer kooperativen Gemeinschaft zu überleben, im Vordergrund, was die Herausbildung von kommunikativen und sozialen Fähigkeiten beförderte…“
Das Patriarchat beeinflusst Verhalten und Kommunikation
Nun ist die Steinzeit lange vorbei, gleichwohl haben es die herrschenden Instanzen geschafft, über Jahrtausende eine patriarchale Gesellschaftsordnung zu etablieren und immer wieder neu zu begründen. Diese patriarchale Gesellschaftsordnung hat sich nicht nur in den Rechtsnormen und dem Verhalten, sondern auch in der Sprache niedergeschlagen. Man kann also sagen, dass auch die unterschiedliche Art, wie Männer und Frauen kommunizieren, von Geschlechtsnormen geprägt sind.
Stereotyp: Männer behaupten sich, Frauen stellen Nähe her
Die sprachlichen Geschlechtsnormen besagen kurz gefasst:
- Männer setzen die Sprache ein, um Hierarchien zu festigen und ihre Machtposition auszubauen.
- Frauen, die zuständig sind für das Aufrechterhalten sozialer Beziehungen, reden, um Nähe und Gemeinschaft herzustellen.
Reden Männer „hart wie Kruppstahl“?
Von Adolf Hitler stammt der Ausspruch, die deutsche männliche Jugend müsse sein:
„flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl.“
Hitlers Ziel war es, einen neuen Mann zu erziehen. „Das Schwache muss weggehämmert werden“, verkündete er. Gottseidank hat Deutschland den 2. Weltkrieg verloren und ist das Dritte Reich zusammengebrochen. Dennoch wirkt es im Verhalten und eben auch in der Sprache nach. Besonders nachdrücklich wirkt das in der Generation der Kriegskinder von 1939 bis 1945. Männer aus dieser Generation tun sich traditionell besonders schwer Gefühle zu äußern. Daran haben besonders ihre Söhne bis heute zu knabbern.
Geschlechterstereotypen – Beispiele
Im Grunde hat jedes traditionelle männliche und weibliche Rollenverhalten ein sprachliches Pendant.
Rolle im öffentlichen Raum
Männer nehmen mehr Raum ein, beanspruchen mehr Redezeit bei öffentlichen Auftritten. Frauen halten sich eher zurück.
Rolle bei Gehaltsverhandlungen
Von Männern wird erwartet, dass sie offensiv für ihren eigenen Standpunkt werben, ohne dass man ihnen deshalb Egoismus anlastet. Frauen, die allzu offensiv für ihre Belange eintreten, werden leicht als kalt und berechnend wahrgenommen.
Machtbewusstsein und Eigenlob
Männern wird ohne Probleme zugestanden, dass sie ihre Leistungen hervorheben, während man von Frauen traditionell Bescheidenheit erwartet.
- Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Facebook-Vorstandfrau Sheryl Sandberg. Sie beschreibt in ihrem autobiografischen Sachbuch „Lean In – Frauen und der Wille zum Erfolg“, wie sie als Jahrgangbeste einmal ein Henry-Ford-Stipendium bekommen habe. Das habe sie jedoch verschwiegen, aus Angst, von ihren benotenden Professoren als egoistisch wahrgenommen und nicht mehr gemocht zu werden.
Umgang mit Ängsten und Schwächen bei Männern und Frauen
Frauen, die traditionell als das schwache Geschlecht gelten, dürfen bis zu einem gewissen Grad auch in der Öffentlichkeit Schwächen eingestehen und Rat und Trost erbitten.
- Ein Beispiel ist die traditionelle Freundinnenclique, die sich alles gesteht und Freundschaft daran misst, wieviele Geheimnisse man sich erzählt. Mein eigenes Beispiel ist mein Netzwerk Texttreff, in dem jederzeit um Hilfe gefragt werden kann.
Gemeinnützige Tätigkeiten
Von Frauen wird erwartet, dass sie vielfältiges ehrenamtliches Engagement zeigen. Etwa im Umfeld von Kindererziehung, Schule und Altenpflege vom Kuchenbacken bis zum Besuchsdienst. Würde sich eine Frau ständig für all ihre unbezahlten Tätigkeiten loben, würde dies als unpassend wahrgenommen. Würde sie hingegen Hilfsdienste kategorisch verweigern, würde man sie als kalt und egoistisch wahrnehmen. Männer, die sich ausnahmsweise gemeinnützig engagieren, dürfen dagegen mit Erstaunen und Lob rechnen und müssen keine tadelnden Blicke fürchten, wenn sie sich bei Hilfsdiensten vornehm zurückhalten.
Bei Nichtbefolgen der traditionellen Geschlechtsnormen droht Strafe
Sowohl die gesellschaftlichen als auch die daraus folgenden sprachlichen Geschlechtsnormen wirken wie gewöhnliche Gesetze: Wer gegen sie verstößt, wird bestraft. Das trifft emanzipierte Frauen gleichermaßen wie Männer, die sich dem Stereotyp des harten, keine Gefühle zeigenden Cowboys verweigern. Also eigentlich uns alle.
- Als berufstätige Mutter, die nicht alle naslang mit einem selbstgebackenen Kuchen in der Grundschule aufläuft, muss ich mir das leichte Naserümpfen einer stets präsenten Supermutti gefallen lassen.
- Männer, die dem traditionellen Bild des Indianers, der keinen Schmerz zeigt, entsprechen wollen, tun sich keinen Gefallen, wenn sie Unsicherheiten oder gar Ängste oder psychische Probleme ansprechen.
Sprachlich drückt sich das in Beschimpfungen à la „du Mädchen“ aus. „Mädchen“ ist ja per se keinesfalls ein Schimpfwort. Aber es verdeutlicht dem als Mädchen bezeichneten Mann, dass er gegen traditionelle Geschlechternormen verstoßen habe.
Clinton gilt als „machtgeil“, Trump als „ehrlich“
Wer es als Frau wagt, offen Macht anzustreben, lehnt sich gegen die traditionelle dienende Rolle der Frau auf und wird entsprechend hart sanktioniert.
- Prominentestes aktuelles Beispiel dürfte Hillary Clinton sein, die am 8. November 2016 Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl unterlag. Die erfahrene und in jeder Hinsicht für das Amt geeignete Politikerin hatte einen Hauptmakel, der darin bestand, dass sie eine Frau war. Bezeichnend in dem zur Schlammschlacht ausartenden Wahlkampf war, dass Donald Trump sich eine sprachliche Entgleisung nach der anderen leistete, ungeniert log und beleidigte und dennoch von seinen Anhängern gefeiert wurde, weil mit ihm „endlich mal jemand wagte, zu sagen, was Sache war“. Hillary Clinton hingegen wurde als zickig, berechnend, gar als Hexe beschimpft. Übrigens auch von Frauen.
Sanktionen gegen Frauen kommen oft auch von Frauen
Das Perfide an den geschlechtlichen Sprachnormen ist, dass sie auch vom eigenenen Geschlecht durchgesetzt werden. Bzw. dass Männer andere Männer abqualifizieren, wenn sie verstoßen und dass Frauen anderen Frauen zusetzen.
- Man denke an die katholische Kirche, die Priester bestraft, wenn sie sich zu ihrer Homosexualität bekennen. Oder an die schon genannten Männer, die andere Männer als „Mädchen“ oder als „Schwuchtel“ abqualifizieren.
Frauen tragen bewusst und unbewusst andauernd dazu bei, dass gesellschaftliche und in der Folge auch sprachliche Gesellschaftsnormen von anderen Frauen eingehalten werden.
- Beispiel Hillary Clinton. Ich persönlich wäre davon ausgegangen, dass quasi jede Frau in den USA Hillary Clinton wählen würde, alleine, weil sie eine Frau ist. Doch das war nicht der Fall. Zwar haben deutlich mehr Frauen Clinton ihre Stimme gegeben als Trump, aber es gab auch viele, die Hillary Clinton aufs schärfste verurteilt haben.
Frauen fühlen sich minderwertig und halten andere Frauen klein
Warum ist das so? Die US-amerikanische Feministin Gloria Steinem hat beobachtet, dass viele der sogenannten „Hillary Haters“ sogar Hillary Clinton ähnelten: Sie waren weiß, gebildet und mit einflussreichen Männern liiert. Der Unterschied war: Diese Frauen waren trotzdem nicht so stark und unabhängig wie Hillary Clinton. Deshalb mochten sie Hillary Clinton nicht, weil sie ihnen mit ihrer Stärke und Unabhängigkeit auf brutalste zeigte, wo ihr eigenes Leben nicht in Ordnung war. Ihnen wurde bewusst, dass sie von ihren Männern nicht als gleichberechtigt behandelt wurden, dass sie betrogen wurden und sie ihre Männer nicht verlassen konnten und vieles mehr.
Wer sich nicht kleinmacht, wird kleingemacht
Der Grund für ihre Abwertung von Clinton waren also Neid und Minderwertigkeitsgefühle. Hillary war ursprünglich wie sie, aber sie weigerte sich, deshalb so unerfolgreich zu sein wie sie. Deshalb verzichteten diese Frauen aus persönlichem Neid darauf, sie zu wählen und möglicherweise eine weibliche Präsidentin zu bekommen, mit der sich vielleicht das Leben für alle von ihnen verbessert hätte.
- Ein solches Verhalten beobachte ich manchmal auch in Frauennetzwerken. Statt sich unbedingt zu fördern, weil es der Sache dient, werden zu großer Erfolg und mangelndes „sich-klein-Machen“ als ungebührliches Herausstechen aus der Masse werden mit Missgunst und Neid bestraft.
Traditionelle Sprachnormen machen Männern das Leben schwer
Nun leiden unter Geschlechterstereotypen nicht nur Frauen. Auch Männer leiden daraunter. Das traditionell männliche „Nicht-über-Gefühle sprechen“ und „Gefühle-nicht-verarbeiten“ führt bei Männern in der Lebensmitte nicht selten zu psychischen Krisen. Oft eskalieren sie in Alkoholsucht, im Suizid, der dreimal so oft von Männern wie von Frauen begangen wird. Auch der sogenannte erweiterte Suizid, der eigentlich ein Mord mit anschließender Selbsttötung ist, wird zu 90 Prozent von Männern begangen.
Auch weitere Aggressionen aller Art finden sich viel öfter bei Männern als bei Frauen. Die einzige wirksame Hilfestellung: Die Männer kriegen doch noch rechtzeitig die Kurve und finden zur richtigen Zeit einen einfühlsamen Zuhörer oder eine Zuhörerin, die ihnen beim Verarbeiten ihrer Probleme hilft. Häufig ist diese Person eine Frau.
Die Ideallösung: Vielfalt und Gleichberechtigung für alle
Wünschenswert für alle ist eine Gesellschaft, in der auch Männer Schwächen und Gefühle zeigen und artikulieren können und in der Frauen Verantwortung und Machtpositionen anstreben dürfen. Um dahin zu kommen, hilft es, sich die Stereotypen von Mann und Frau klarzumachen und die sprachlichen Pendants dazu. Und dann in im Alltag Bingo zu rufen, wenn man erfolgreich dagegen verstoßen hat.
Für unterwegs: Taktische Tipps und Tricks
Auf dem Weg dahin hilft es, mit den Stereotypen taktisch umzugehen. Sheryl Sandberg hat in ihrem Buch „Lean in“ ein paar ganz gute Tipps zusammengetragen:
- Gehaltsverhandlungen: Frauen, die ein höheres Gehalt oder andere Vorteile für sich verhandeln wollen, sollten betonen, dass dies dem Wohle aller diene. Hilfreich ist die Betonung des „wir“. Abgesehen von dem taktischen Vorteil gilt natürlich, dass Ergebnisse, die tatsächlich dem Gemeinwohl dienen, nachhaltiger sind als Vorteile, die genau einer Person zugute kommen.
- Begründung liefern: Während man Männern zugestehe, einfach so für sich selber Partei zu ergreifen, sollten Frauen eine Begründung vortragen.
- Tonfall: Frauen müssten, so Sandberg, quasi eine „unerbittliche Freundlichkeit“ an den Tag legen. Das entspricht dem allgemeinen Rat, hart in der Sache, aber verbindlich im Tonfall zu sein und schadet ganz sicher nicht.
Weitere Ratschläge darf sich jede und jeder selber hinzufügen.
- Für Eltern gilt: Bemühen Sie sich, Ihre Töchter und Söhne gleichermaßen zu fördern. Jungs dürfen weinen und Gefühle haben und zeigen. Mädchen dürfen Macht anstreben, Leistung bringen und dafür Gegenleistungen fordern, die sich auch finanziell bemerkbar machen.
Soweit meine Gedanken zum Thema. Anregungegen gerne an engelken@klartext-anwalt.de.
Mehr lesen: FAZ: Frauen wollen reden, Männer suchen Lösungen
Nachtrag: Auf Facebook kommentierte Carsten Brombach: