Ein Website-Checkup – die wichtigsten Punkte für die Praxis
Die gute Nachricht: Die Zeit der blinkenden Paragrafen-Zeichen ist auch in der Provinz endgültig vorbei. Allenthalben werden Aussehen und Inhalte der Internetauftritte von Kanzleien immer besser. Die schlechte Nachricht: Sind alle Websites gut, muss sich die Kanzlei etwas einfallen lassen, um herauszustechen. Leider veralten Websites so schnell wie die Frühjahrskollektion von H&M. Im Gegensatz zum Outfit von Juristen, bei denen die Cordhose oder die Burberry-Karos auch nach Jahrzehnten noch modern sind, gilt bei Websites: Was gestern modern war, ist heute Schnee von gestern. Es empfiehlt sich daher, regelmäßig einen Checkup zu machen, um festzustellen, ob alles auf dem neuesten Stand ist oder ob nachgerüstet werden muss. Auf der Prüfliste stehen sollten: Technik, Inhalt, Navigation, Zugänglichkeit, Performance, Gestaltung, Bewegtbild, Suchmaschinenoptimierung und Interaktion.
Technik
Ein Content-Management-System (CMS) ist heute eigentlich unverzichtbar, denn so kann ein Webauftritt schnell und effizient bearbeitet werden – ganz ohne HTML-Kenntnisse. Wichtig auch: Entspricht der Quellcode Ihrer Seite den Richtlinien des WorldWideWeb Consortiums (W3C)? Einen ersten Test können Sie gleich selbst machen unter http://validator.w3.org/ – einfach Ihre Webadresse eingeben, Check drücken, und Ihnen werden sofort Fehlerquellen und Verbesserungsvorschläge angezeigt. Bitte beachten Sie: Ein unsauberer Quellcode hat direkte Auswirkungen auf das Suchmaschinenranking Ihrer Seite!
Inhalt/Content
Websites sind für Besucher gemacht, nicht für Suchmaschinen. Aber für beide ist entscheidend: Was bietet die Website dem Besucher? Hier hat sich in den letzten Jahren am meisten getan. An die Stelle der sogenannten „Visitenkarten im Netz“ sind umfassende Informations- und Serviceportale getreten. Diese bieten Rechtsinformation und liefern Zusatzdienste – vom Prozesskostenrechner bis hin zur App bei Hausdurchsuchungen . Damit helfen Kanzleien ihren Besuchern, sich für oder gegen eine Kanzlei zu entscheiden: aufgrund des dargebotenen Know-hows und der erkennbar präsentierten Corporate Identity.
Vorsicht: zulässiges Höchstgewicht überschritten
Gerade große Kanzleien, die viel Know-how zu bieten haben, müssen aufpassen, dass sie ihre Websites nicht überfrachten. Denn damit überfordern sie ihre User. Das lässt sich schön sehen bei einer statistischen Auswertung der Zugriffszahlen. Wenn diese ergibt, dass von den über hundert Unterseiten einige selten und andere nie angeklickt werden, sollte klar sein: Die Marketingabteilung muss die Website entrümpeln, sonst erfüllt sie ihren Marketingzweck nicht mehr.
Navigation/Usability
Die Güte jeder Website zeigt sich daran, wie gut und übersichtlich die Inhalte zu finden und anzusteuern sind. Natürlich gibt es Websites, deren Sinn und Zweck das Rätsellösen ist, etwa die Seite der Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling http://www.jkrowling.com/accessible/en/. Anwaltswebsites gehören nicht zur Rätselkategorie. Eine verwirrende oder schlechte Navigation schreckt Besucher ab. Leider gibt es für die Seitenarchitektur keine Patentlösung à la „7 Menüpunkte passen immer“ oder dergleichen. Aber es gibt Wege, das eigene Leistungsangebot übersichtlich darzustellen. Seiten wie Kanzlei, Kompetenzen, Anwälte, Karriere und ähnliche Kategorien lassen sich in der Regel sinnvoll gruppieren. Entweder in einen horizontalen Navigationsbereich mit einer oder mehreren Leisten oder zusätzlich in vertikalen Spalten. Diese müssen sich weich und geschmeidig öffnen lassen. Wichtig, aber nicht überall vorhanden, sind Suchmasken. Und der sogenannte Brotkrumen-Pfad, der anzeigt, wo man sich gerade innerhalb des Menüs befindet. Übersichtlich und elegant trotz großer Informationsmengen kommt beispielsweise die Seite von www.hengeler.com daher.
Zugänglichkeit/Accessibility/Performance
Eng mit der Navigation hängt die Accessibility oder Barrierefreiheit zusammen. Lässt sich die Seite auch Blinden vorlesen? Ein schneller Check unter „Ansicht“ „kein Stil“ zeigt, was für Blinde von der Seite übrig bleibt. Im Fall des weltweiten Werbenetzwerks www.Ogilvy.de: nichts. Ebenfalls wichtig: die Performance. Wie schnell lädt die Seite, wie schnell bauen sich die opulenten Bilder auf? Beides hängt von der Technik ab.
Gestaltung
Bei Kanzleiwebsites überwiegt mittlerweile der Informationszweck dem Unterhaltungszweck. Doch überall ist das Bemühen um ein eigenständiges Corporate Design erkennbar. Am augenfälligsten ist dabei die Farbwahl: Zwar dominiert weiterhin Blau (Freshfields und Hengeler Mueller: Dunkelblau; Gleiss Lutz: Dunkelblau-Orange; White & Case: Blau-Türkis, DLA Piper: Himmelblau.) Aber es gibt auch andere Farben: Allen & Overy: Rot/Weinrot; Linklaters: Magenta; Milbank: Blutrot; Clifford Chance: Schwarz, Rot, Grau und Orange. Technische Spielereien wie die vor einigen Jahren noch beliebten Introseiten („Push the Klingelschild und come in“) sind weitgehend verschwunden. Obwohl der Werbeetat es hergeben würde, leistet sich kaum eine Kanzlei ein professionell-imposantes Intro à la http://derbauer.de/. Der Grund liegt auf der Hand: Letztlich verschwenden Intros die Zeit des Nutzers – nicht wünschenswert im Fall von Wirtschaftskanzleien, die General Counsel und zeitgeplagte Entscheider adressieren. Innerhalb der Seiten dürfen dagegen schon ein paar Spielereien sein, etwa ein drehbarer Globus (http://www.dlapiperrealworld.com/).
Bewegtbild
Ein sehr wirkungsvolles Gestaltungselement ist hingegen noch fast gar nicht im Gebrauch, das Bewegtbild. TV-Aufsager und Videoclips sind im Kommen, bisher aber vor allem auf US-amerikanischen Websites zu finden. Es dürfte eine Frage der Zeit sein, bis sich auch in Deutschland Leiterinnen und Leiter von Praxisgruppen auf der eigenen Kanzleiwebsite per Video kurz vorstellen oder Rechtstipps geben. Pfiffige Imagefilme, etwa dieser Run zum Mandantentermin unter http://www.fplp.at/de/karriere#s:the-next-generation sind bisher noch Mangelware.
Suchmaschinenoptimierung
Suchmaschinen verfügen über sogenannte Webcrawler, die mithilfe von komplizierten Algorithmen bei jeder Anfrage das WWW durchforsten. Jede Website wird indiziert, bewertet und nach Bedeutsamkeit sortiert. Wichtig ist hier nicht nur eine saubere Technik, sondern auch die Verwendung geeigneter Suchbegriffe (Keywords). Der Content jeder einzelnen Webseite sollte auf ein bis maximal drei Schlüsselwörter optimiert sein. Wichtig sind aber auch etwa die Quantität und Qualität eingehender Links – mit anderen Worten: Wie oft werden Sie von anderen Seiten erwähnt und verlinkt?
Interaktion/Soziale Netzwerke
Letzter Punkt beim Checkup ist die Interaktion. Schließlich bieten moderne Websites die Möglichkeit, mit Usern in Kontakt zu treten. Dabei geht die Interaktion längst über das Kommentarfeld unter dem Blog hinaus: Moderne User wollen interessante Funde im Internet via Facebook-Like-Button, Googleplus oder Xing mit anderen teilen. Die Auffassung unter Anwälten, da s s Social Media für Kanzlei unpassend wäre, ändert sich zunehmend. Immer mehr Kanzleien erkennen, dass Internet und Social Media keine unterschiedlichen Paar Schuhe mehr sind. Vielmehr wird das gesamte Internet mehr und mehr zum Sozialen Netzwerk, in dem Informationen ausgetauscht und bewertet werden können. Die Kunst der Kommunikation besteht darin, die einzelnen Kanäle über die eigene Website wirkungsvoll zu orchestrieren. Und dabei immer zu schauen: Was gibt es Neues, was passt davon für die eigene Website. Frei nach dem Werbeslogan eines Baumarkts: Es gibt immer was zu tun. Packen wir‘s an.
Autorinnen: Eva Engelken und Christa Goede, Diplom-Politologin, Texterin &Konzeptionerin, www.textschneiderei.de, goede@klartext-anwalt.de
Der Artikel ist erschienen am 2. November 2011 im Deutschen Anwaltsspiegel (Link zur Website DEUTSCHER ANWALTSSPIEGEL). Veröffentlichung in diesem Blog mit freundlichem Einverständnis des Boorberg-Verlags