Juristen-Vereinigung Lebensrecht e.V. : Das konservative Who is Who der deutschen Rechtswissenschaft
Man könnte den Kölner Verein als verstaubte Männerrunde vernachlässigen, läsen sich ihre Namen nicht wie das Who is Who der deutschen Rechtswissenschaft und prägten sie nicht seit Jahrzehnten Rechtsetzung, Rechtsprechung und einflussreiche Kommentare. Nun muss man angesichts des hohen Alters einiger Beteiligter allmählich fast schon von einem Who was Who sprechen. Zwei der Gründungsmitglieder, die Juraprofessoren Karl Lackner und Adolf Laufs, starben 2011 bzw. 2014. Die zwei noch lebenden Gründer, Professor Dr. Wolfgang Rüfner und Prof. Dr. Herbert Tröndle, gehen auf die 90 bzw. 100 zu. Auch etliche weitere Herausgeber der vereinseigenen Zeitschrift „Lebensrecht“ sind hoch in den Siebzigern. Geht es also um eine Rollatorfraktion, die sich in Kürze durch Zeitablauf erledigen wird? Das anzunehmen wäre leichtsinnig. Das Gedankengut der juristischen Lebensschützer hat sich der öffentlichen Meinung bemächtigt und junge Juraprofessoren stehen bereit, es weiter zu tragen. Die Wurzeln der Juristen-Vereinigung Lebensrecht reichen bis ins Dritte Reich zurück, aktuelle Verbindungen bestehen zur katholischen Kirche, zum Adel und zur politischen Rechten. Das macht sie zu einer Gefahr für eine liberale, demokratische und gleichberechtigte Gesellschaft.
Die juristischen Argumente der Lebensschützer und ihre eigentlichen Ziele
Die Lebensschützer lehnen die Abtreibung und das geltende Abtreibungsrecht ab. Fast 100 Prozent aller in Deutschland gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche erfolgten aufgrund der Beratungsregelung. Von insgesamt 99.237 Abtreibungen 2015 in Deutschland waren 95.338 straffrei nach der Beratungsregelung in § 218 a Absatz 1 Strafgesetzbuch:
„Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen.“
Die restlichen vier Prozent der Schwangerschaftsabbrüche erfolgten aufgrund einer medizinischen Indikation (3879 Abbrüche 2015) oder aufgrund einer kriminologischen Indikation (20 Abtreibungen 2015). Hier liegt zwar der Tatbestand der strafbaren Abtreibung vor, die Indikation beseitigt jedoch die Rechtswidrigkeit. Vom Ergebnis läuft es für die schwangere Frau auf das Gleiche hinaus.
Bundesverfassungsgericht, ja, aber!
Vordergründig argumentieren die „Lebensschützer“ mit dem Schutz des Lebens des „ungeborenen Kindes“. Kommunikativ propagieren sie damit ein unterstützenswertes Ziel: Welcher verantwortungsvolle Mensch wäre nicht bereit, etwas so Niedlichem und Schutzlosen wie einen Baby – oder gar einem ungeborenen Baby – Schutz zuzusprechen? Doch wenn man genauer hinschaut, entdeckt man eine perfide Einseitigkeit in der Argumentation. Den juristischen Lebensschützer geht es darum, das „ungeborene Leben der Verfügungsgewalt der Schwangeren zu entziehen“. Juristisch ist es das Ziel, „dem Grundrechtsschutz des ungeborenen Lebens den Vorrang gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht der Frau zu sichern“. Es ginge nicht an, so Strafrechtskommentator Herbert Tröndle, das „Leben des ungeborenen Kindes allein in die Verfügungsgewalt der Schwangeren zu stellen.“ Embryo gegen Schwangere. Kind gegen Frau.
Juristisch stützen sich die „Lebensschützer“ vor allem auf die beiden wichtigsten Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Abtreibung. Das erste vom 25.02.1975 – BVerfGE 39, 1 und das zweite vom 29.05.1993 – BVerfGE 88, 203. Das Gericht stellte bereits im ersten Abtreibungsurteil das sich im Mutterleib entwickelnde Leben als selbständiges Rechtsgut unter dem Schutz der Verfassung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 1 Abs. 1 GG). Es gebot dem Staat, sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen. Darüber, wie dieser Schutz aussehen könnte, gingen und gehen die Meinungen allerdings weit auseinander.
Liberale Strafrechtler: echter Lebensschutz braucht keine wirkungslosen Strafen
Namhafte Strafrechtler wie Claus Roxin (*1931) oder die Verfassungsrichterin Wiltraut Rupp-von Brünneck (1912-1977) vertraten die Ansicht, ein wirkungsvoller Schutz des ungeborenen Lebens könne auch durch sozialpolitische Maßnahmen anstelle einer weitgehend wirkungslosen Strafdrohung gewährleistet werden. Rupp-von Brünneck, die am ersten Urteil als Verfassungsrichterin mitwirkte, schrieb in ihrem Sondervotum, dass das Gericht dem Gesetzgeber keine Vorgaben über das „Wie“ des Lebensschutzes machen dürfe. Der Gesetzgeber dürfe sich sowohl für eine Beratungs- und Fristenlösung wie auch für einen Indikationenlösung entscheiden.
Geht es den Lebensschützern vor allem darum, die „Emanzipationswelle“ zurückzudrängen?
Die „Lebensschützer“ lehnten das ab. Für sie ist die seit 1995 geltende Beratungsregelung, mit der Gesetzgeber den vom Verfassungsgericht geforderten Grundrechtsschutz des werdenden Lebens umgesetzt hat, verfassungswidrig. Aber geht es den „Lebensschützern“ überhaupt um die Grundrechte des „werdenden Lebens“? Oder gibt es mindestens noch ein zweites Motiv? Geht es ihnen nicht vielleicht auch darum, ganz im Einklang mit der Kirche, die sexuelle Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit von Frauen (und damit indirekt auch von ihren Männern) einzuschränken? Sehr aufschlussreich liest sich Herbert Tröndles Erläuterung in einer 2010 erschienenen Selbstdarstellung. Darin beschreibt er die Gründung der Juristen-Vereinigung Lebensrecht e.V.:
„Rolf Stürner brachte es schon vor 20 Jahren (1985) auf den Punkt: „Die Wucht der Emanzipationswelle überspült das wehrlose werdende Leben!“ Um der folgenschweren Entwicklung entgegenzuwirken, wurde im Jahre 1984 die Juristenvereinigung Lebensrecht gegründet.“
Bringen die Juristen das sogenannte „Lebensrecht des ungeborenen Kindes“ nur deshalb in Stellung, weil sie die Rechte der Frauen mit allen Mitteln wieder einzuschränken versuchen?
Wo bleibt das Lebensrecht der schwangeren Frauen?
Nach eigenen Angaben sorgt sich die Juristen-Vereinigung um „Menschenwürde und Menschenrechte Ungeborener und Schwangerer und bemüht sich auf der Grundlage der Gleichwertigkeit geborenen und ungeborenen Lebens um einen gerechten Ausgleich bei Konflikten“. Doch ein Blick in die Schriften der „Lebensschützer“ zeigt viel Argumentation zum Recht des ungeborenen Lebens, aber wenig zu den Rechten der Frau. Ganz zu schweigen von Überlegungen, wie das Wohlbefinden von Mutter und Kind durch angemessene Rechtsregelungen verbessert werden könnte. Dem Vorsitzenden der Juristen-Vereinigung Lebensrecht e.V., Christian Hillgruber, Juraprofessor in Bonn, scheint das Befinden der Frauen insoweit vernachlässigenswert. „Die »besondere Lage der Frau darf von Rechts wegen nicht dazu führen, ihre Grundrechtsposition denen des ungeborenen Lebens überzuordnen«, schrieb er schon 2006 in dem Lamento des Bundesverbands Lebensrecht über das erste Jahrzehnt mit der Beratungsregelung . Sie trägt den Titel „Lebensschutz oder kollektiver Selbstbetrug? – 10 Jahre Neuregelung des § 218 (1995–2005)“.
Gezieltes Wording: „Ungeborenes Kind“ statt „befruchtete Eizelle“ oder „Embryo“
Diese merkwürdige Front „Frau contra Kind“ zieht sich durch sämtliche Veröffentlichungen. Zwar ist bislang die Entwicklung einer befruchteten Eizelle zum menschlichen Wesen ohne den Körper einer Frau nicht denkbar; ohne Uterus ein Baby? Das gibt’s nur in Science-Fiction-Filmen. Trotzdem bringen die „Lebensschützer“ das Schutzrecht des ungeborenen Kindes derart gegen die Schwangere in Stellung, als handele es sich bei einer schwangeren Frau um eine fleischfressende Pflanze, die man keinesfalls mit ihrer Beute alleine lassen dürfe. Diese einseitige Argumentation bestimmt auch das Vokabular. Von der noch im Mittelalter verbreiteten Ansicht, der Fötus sei Teil der Schwangeren, ist im Wording der „Lebensschützer“ nichts mehr zu finden. Sie bevorzugen den Begriff „ungeborenes Kind“. Andere Rechtswissenschaftler reden von der „Leibesfrucht“ oder dem „sich entwickelnden Leben“ oder schlicht von der befruchteten Eizelle und später vom Embryo und Fötus. Es gibt eine Rechtsauffassung, dass dem sich entwickelnden Leben der Rechtsschutz sukkzessive zuwächst, den haben die „Lebensschützer“ abgelegt wie einen alten Mantel.
Ignoranz gegenüber WHO-Statistiken: liberales Abtreibungsrecht senkt die Zahl der Abtreibungen
Zu der von den Lebensschützern verbal errichteten Kriegsfront „schützenswertes Kind contra mörderische Schwangere“ passen die von fanatischen Abtreibungsgegnern verbreiteten Fotos von altertümlich ausgeführten blutigen Spätabtreibungen. Diese sind jedoch nicht der Normalfall, sondern die absolute Ausnahme. Dennoch klagt Christian Hillgrubers Vereinskollege, der Sozialwissenschaftler Manfred Spieker, dass das Abtreibungsstrafrecht zu einer „Kultur des Todes“ führe. Was der emeritierte Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Osnabrück von sich gibt, ist blanker Hohn für hunderttausende ungewollt Schwangerer weltweit. Nachgewiesenermaßen dämmt ein Verbot Abtreibungen nicht ein, sondern treibt Frauen dazu, illegal abzutreiben. Damit riskieren sie Leib oder Leben wegen stümperhaft durchgeführter Abtreibungen. Wenn blutige Bilder angebracht wären, dann hier. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO und des Guttmacher-Institut für Reproduktionsmedizin in New York führen illegale Abtreibungen jährlich bei 5 bis 8,5 Millionen Frauen zu Verletzungen und vorübergehenden oder dauernden Behinderungen. 1990 rechnete die WHO weltweit mit etwa 70.000 Todesfällen pro Jahr aufgrund unsachgemäß vorgenommener Abtreibungen. 2014 schätzte das Guttmacher Institut die Zahl auf 23.00 bis 44.000. Der Rückgang der Todesfälle verdankte sich unter anderem dem Einsatz der Abtreibungspille. Statt sich Kurpfuschern ans Messer zu liefern, nahmen die Frauen eine Abtreibungspille ein.
Wollen die „Lebensschützer“ wirklich Leben schützen?
Umgekehrt helfen freier Zugang zu Informationen und Familienplanung, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden und senken damit die Zahl an Schwangerschaftsabbrüchen. So haben alle europäischen Länder mit Ausnahme von Polen und Irland seit 1945 ihre Abtreibungsverbote gelockert, gleichzeitig sank die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche. In Lateinamerika und Afrika sterben weiterhin massenhaft Frauen infolge illegaler Abtreibungen. In beiden Kontinenten herrschen strenge Abtreibungsverbote, gleichzeitig haben Frauen keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben oder gar das Geld für eine Abtreibung im Ausland.
Dass solche Fakten in den Schriften der Lebensschützer keinen Platz haben, wirft ein merkwürdiges Licht auf ihr vorgebliches Ziel, Leben zu schützen. Wäre ihnen den Lebensschutz wirklich ein Anliegen, müssten sie ihre juristische Argumentations- und Lobbymacht eigentlich vor allem auf die Durchsetzung des Rechts auf reproduktive Gesundheit richten. Dieses Recht wurde auf Verlangen von UNO und WHO 1995 von der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo formuliert. Es enthält das Recht auf selbstbestimmte Fortpflanzung, Familienplanung und Information ein und würde wirkungsvoll dazu beitragen, die Zahl der Abtreibungen zu senken. Geht es den juristischen und kirchlichen „Lebensschützer“ in Wahrheit gar nicht um den Schutz des Lebens? Ist das eigentliche Ziel Macht und die Rückgewinnung von Kontrolle? Schaut man sich die Anfänge der Juristen-Vereinigung Lebensrecht an, ist das nicht auszuschließen.
Die Naziwurzeln der Juristen-Vereinigung Lebensrecht: Die „Furchtbaren Juristen“ lassen grüßen
Die Anfänge der Kölner Lebensschützer reichen zurück bis ins „Dritte Reich“. Wie im Oktober vom Bundesjustizministerium erneut bestätigt, ermöglichten die alten Naziseilschaften den Aufstieg ehemaliger Sympathisanten und Unterstützer des NS-Regimes in der neuen Bundesrepublik. Sie prägte die Aufarbeitung oder Nichtaufarbeitung der Nazivergangenheit der deutschen Juristen, Richterschaft und Anwaltschaft, die der heutige Bundesjustizminister Heiko Maas als zweite Schuld bezeichnete. Die Gründungsmitglieder der Juristen-Vereinigung Lebensrecht belegen den in der Studentenrevolte beklagten „Muff unter den Talaren“: Willi Geiger, Günther Dürig, Wolfgang Rüfner, Herbert Tröndle, Karl Lackner und Adolf Laufs.
Die Gründungsmitglieder: Who was who
- Willi Geiger (1909-1994) erwirkte zwischen 1942 und 1943 er als NS-Staatsanwalt am Sondergericht Bamberg mehrere Todesurteile. Zuvor hatte er 1941 in seiner Promotionsschrift „Rechtstellung des Schriftleiters“ die Möglichkeit gelobt, sich jüdischer Journalisten mittels eines Berufsverbots zu entledigen. Beides war kein Hindernis für seine Beförderung ins Justizministerium und 1951 seine Berufung ans Bundesverfassungsgericht, wo er 26 Jahre blieb.
- Professor Günter Dürig (1920 – 1996) blieb selber von NS-Vorwürfen frei, arbeitete jedoch eng mit einem ehemaligen NS-Unterstützer und einem aktiven, wenn auch anonymen Unterstützer der neuen Rechten zusammen. Theodor Maunz, Co-Autor des hoch angesehenen Kommentars zum Grundgesetz, dem Maunz/Dürig, entpuppte sich kurz nach seinem Tod 1993 als enger Berater von Gerhard Frey, dem Herausgeber rechtsradikalen Deutsche National-Zeitung und als regelmäßiger, jedoch anonymer Autor.
- Professor Wolfgang Rüfner, Jahrgang 1933, ist Träger des Päpstlichen Gregoriusordens und lehrte bis zu seiner Emeritierung öffentliches Recht und Kirchenrecht an der Universität Köln. Der Orden wird für Eifer in der Verteidigung der katholischen Religion verliehen. Eine weitere Trägerin dieses Ordens ist die Regensburger Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, die Abtreibung und Verhütung aufgrund ihres katholischen Glaubens ablehnt und über die Stiftung „Ja zum Leben“ ebenfalls Mitglied im Bundesverband Lebensrechts ist.
- Professor Adolf Laufs (1935 -2014) erlangte als Spezialist für Medizin-und Arztrecht Bekanntheit und lehnte die Pränatale Diagnostik (PID) mit Hinweis auf den absoluten Lebensschutz des „ungeborenen Lebens“ ab. Wenig überraschend gehörte er zu den Rechtswissenschaftlern, die gegen die Abtreibungspille argumentierten. Und zwar nicht, weil er Zweifel daran hatte, dass sie das verträglichere Mittel zum Abbruch sei, sondern weil er genau das ablehnte. In „Fortpflanzungsmedizin und Arztrecht“ schrieb der Heidelberger Professor 1992: „Die abortiven Vorzüge des Mittels bedeuten zusätzliche Gefahr für das ungeborene Leben, weil das Präparat RIU 486 Hemmschwellen bei Mutter und Arzt herabsetzen kann.“
- Professor Karl Lackner (1917-2011) wurde bekannt als Verfasser des Beck‘schen Kurzkommentars zum Strafrecht, dem „Lackner“. Seit 1950 war er am Justizministerium und wirkte in der Großen Strafrechtskommission mit. Gelobt wurde seine Arbeit vom Koordinator der Kommission, dem Juristen Eduard Dreher (1907-1996). Dreher war genau wie Geiger während des „Dritten Reiches“ Staatsanwalt an einem Sondergericht und führte dort mehrere Todesurteile herbei. Als Zuständiger für die Strafrechtsreform veranlasste er eine Änderung des Mordparagrafen. Diese bewirkte, dass NS-Mordgehilfen ohne persönliche Mordmotive fortan wegen Verjährung nicht mehr bestraft werden konnten.
- Eduard Dreher war auch für Professor Herbert Tröndle (97) ein wichtiger Wegbereiter: Er machte Tröndle zum Mitverfasser seines Strafrechtskommentars, dem „Dreher/Tröndle“, der später zum „Tröndle“ und dann zum „Tröndle/Fischer“ wurde, bevor Thomas Fischer die Kommentierung alleine übernahm.
Neue Mitglieder, keine Distanz zu rechtsradikalen Positionen
- Einer aus der neuen Garde der juristischen „Lebensschützer“ ist der Abtreibungsgegner und Juraprofessor Ralph Weber, Jahrgang 1960. Der Zivilrechtsprofessor der Uni Rostock war bis Anfang 2016 im Herausgeberbeirat der Zeitschrift für Lebensrecht und bildet gesinnungstechnisch das Verbindungsglied zur Nazivergangenheit von Willi Geiger. Mittlerweile, Stand November 2016, ist er nicht mehr auf der Website im Herausgeberbereit zu finden. Ob das an Webers mutmaßlicher Geringschätzung für die demokratische Grundordnung lag, die er mehrfach zum Ausdruck brachte, indem er Kleidung von Thor Steinar trug, einer bei Rechtsradikalen beliebten Kleidermarke, vor reaktionären Burschenschaften Vorträge hielt und einen rechtsradikalen Sänger Maik Bunzel als Doktorand annahm? Dessen Promotion erfolgte 2016, sehr zum Ärger der Uni, die sich außerstande sah, die Ernennung zu verhindern. Seit 2016 sitzt Weber für die AfD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und gilt als rechtsaußen.
- Ebenfalls zur jungen Garde der „Lebensschützer“ gehören der Vorsitzende der Juristen-Vereinigung Lebensrecht, der Bonner Juraprofessor Christian Hillgruber, Jahrgang 1963 und sein Stellvertreter, Klaus Ferdinand Gärditz, Jahrgang 1975. Beide sind anerkannte und renommierte Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Universität Bonn und beide sind stellvertretende Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen. Ein Posten als Verfassungsrichter am Landesverfassungsgericht NRW war dem Staatsrechtler Christian Hillgruber nach Medienberichten zunächst versagt geblieben, weil er 2002 in der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Wochenzeitung Junge Freiheit gefordert hatte, bei der Zuwanderung darauf zu achten, dass „die nationale Identität des deutschen Staatsvolkes im Kern gewahrt bleibt.“ 2014 beklagte Hillgruber in einem FAZ-Gastbeitrag wortreich, dass es seine Freiheitsrechte gefähre, wenn er die Minderheit der Homosexuellen nicht mehr unwidersprochen ablehnen dürfe.
- Zu den jüngeren Mitgliedern gehört auch Rainer Beckmann, Richter am Amtsgericht Würzburg und aktiver Publizist zahlreicher Schriften für die Lebensschutzbewegung.
Ausweitung der Propaganda: Warum sich die „Lebensschützer“ auch gegen PID und Sterbehilfe stark machen
Die Juristen-Vereinigung Lebensrecht e.V. schafft es aber nicht nur, jüngere Mitglieder zu gewinnen. Auch ihr Themenspektrum haben sie erweitert. Seit einigen Jahren ist ihnen nicht mehr nur der Schwangerschaftsabbruch ein Dorn im Auge. Auch gegen die Präimplantationsdiagnostik (PID), Pränataldiagnostik (PND) und im weiteren Sinne gegen die gesamte Biogenetik beziehen sie Stellung. Die gemeinsame Klammer ist die vorgeburtliche Selektion und damit wiederum die drohende Beeinträchtigung des „Lebensrechts des Ungeborenen“. Ein weiteres Target ihrer Bemühungen ist die Sterbehilfe, die sie in Anlehnung an das „Dritte Reich“ als „Euthanasie“ bezeichnen.
Natürlich erfordern die Reproduktionsmedizin und alle technologischen und biomedizinischen Fortschritte eine aktuelle Debatte. Und natürlich besteht die Gefahr, dass Vielfalt und Menschenrechte auf der Strecke bleiben, wenn alle medizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Das Problem ist nur: Die „Lebensschützer“ sind nicht diejenigen, denen es ansteht, den Zeigefinger zu erheben. Begriffe wie „Euthanasie“ klingen höhnisch aus dem Mund der heutigen Abtreibungsgegner, wenn man bedenkt, dass die Nationalsozialisten bei jüdischen Frauen oder osteuropäischen Zwangsarbeiterinnen, die sie als minderwertige Rasse bezeichneten, sogar Zwangsabtreibungen durchführten. Grundlage war das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, das auch bei behinderten Kindern die Abtreibung oder Zwangsabtreibung erlaubte. Das legt den Verdacht nahe, dass es den „Lebensschützern“ auch hier wieder nur um ihre eigentlichen Ziele geht: Ablehnung einer modernen demokratischen Gesellschaft und Rückgewinnung der Kontrolle über das (sexuelle) Selbstbestimmungsrecht der Frauen.
Derzeit dürfen sich Frauen hierzulande, unterstützt von ärztlicher Beratung, für oder gegen eine Schwangerschaft entscheiden. Ein einflussreiches Grüppchen (rechts-)konservativer Juraprofessoren im Verein mit anderen sogenannten Lebensschützern würde das und noch einiges andere gerne ändern. Dazu liefert es wortgewaltige juristische Argumentationshilfe für alle Abtreibungsgegner & Co. Es wird Zeit, ihnen entschieden entgegen zu treten.