Dr. Sebastian Kraska

80331, München
02.01.2020

Was soll man dem Datenschutz für 2020 wünschen?

IITR Information[IITR – 2.1.20] Das eigentliche Schutzgut sollte deutlicher in den Vordergrund treten, damit die Aufgabenstellung von allen noch besser als bisher verstanden werden kann. Auch von denjenigen, deren Interesse geschützt werden soll.

Datenschutz wird als eine der größeren Errungenschaften von Europa empfunden und als solcher weltweit beachtet.

Er hat über Europa hinaus Nachahmer auf den Plan gerufen. Aber noch nicht von jedem und nicht überall wird eine europaweit gleiche Behandlung von personenbeziehbaren Daten als Fortschritt empfunden. Die Vorteile einer Normierung haben sich noch nicht überall herumgesprochen.

Die Politik weist auf zukünftig zu erwartende Vorteile des Datenschutzes durch eine damit einhergehende Normierung hin. Allerdings fehlen in der öffentlichen Verwaltung die dazu notwendigen Fachkräfte.

Der Feinschliff am Datenschutz ist in Gang gekommen. Die Auswirkungen der Digitalisierung reichen weit über den Datenschutz hinaus, sie umfassen inzwischen sämtliche Belange dieser Welt. Eine äußerst dynamische Technologie, die immer noch Fahrt aufzunehmen scheint und jeden Versuch einer Regulierung, jede Intervention überrollt hat, noch bevor sie ausformuliert wurde.

Menschen werden bereits heute an ihrer Bewegung, an ihrem Gang identifiziert. Aussagen zum jeweiligen Befinden lassen sich aus der Mimik gewinnen. Bisher unbekannte Krankheitsbilder sind auf diese Weise identifiziert worden. Noch während man an ins Gehirn implantierten Schnittstellen mit Computern forscht, kündigen sich bereits Gehirn-Schnittstellen an, die ohne Implantate auskommen. Die Lenkung einer Drohne alleine durch externe Aufzeichnung der Gehirnströme, durch Gedanken wurde bereits vorgeführt. In einigen Ländern werden Lernerfolge von Jugendlichen auf diese Weise nachvollzogen.

Die Filmindustrie stellt zur Unterhaltung einem Schauspieler seinen Klon an die Seite, der vom Original weder durch Aussehen, Bewegung oder Sprache unterschieden werden kann. Wir werden erleben, was solche Software alles vermag. Man wird demnächst vor einem Monitor sitzend sein eigenes Geständnis verfolgen zu Vorgängen, von denen man bis dahin keine Ahnung hatte. Bisherige Fake-News könnten bedeutungslos werden. Die virtuelle und die reale Welt verschmelzen, man wird in Echtzeit mit Avataren dann aber auch mit sich selber kommunizieren können. Es ist schwierig, die entstehende Unsicherheit, die verstärkt auf uns zukommende Verwirrung abzuschätzen. Die Kraft der Fakten wird an Bedeutung verlieren. All dies dürfte sich auswirken auf das, was sich durch den Datenschutz schützen lässt.

Digitalisierung bezeichnet die Kodierung von Sachverhalten durch eine nach Regeln erfolgende Aneinanderreihung von Nullen und Einsen. Sie repräsentieren zwei Ladungszustände, die unser Zeitalter geprägt haben. Der Quantencomputer überwindet diesen Dualismus. Die ersten Testgeräte beweisen ihre atemberaubende Überlegenheit gegenüber heutigen Supercomputern, auch wenn die gelösten Aufgaben noch auf Testdurchgänge zugeschnitten sind.

Aktuell bekleidet der deutsche Datenschutz im europäischen Vergleich lediglich einen Platz im Mittelfeld. Eine für die nächsten Jahre sich abzeichnende Überwindung der Digital-Technik dürfte nicht nur die vorhandenen Datenschutz-Bemühungen relativieren. Die Wirkungsweise der neuen Technologien wird zunehmend nicht mehr nachvollziehbar.

Damit wird es noch anspruchsvoller zu vermitteln, was verboten sein soll.

Vieles hängt vom wirtschaftlichen Wohlergehen ab. Produkte und Dienstleistungen bedienen nicht nur den realen Bedarf. Mit einer ganzen Reihe von Produkten und Dienstleistungen werden auch emotionale Bedürfnisse bedient. Deren Ansprache erfolgt durch Werbung, die sich häufig datenschutzrelevanter Techniken bedient.

Nicht jedes Produkt, Dienstleistung oder Verhaltensanweisung lässt sich auf eine emotionale Ebene heben, um dort skaliert zu werden. Wir befinden uns in einem wirtschaftlichen Umbruch, der sich in der Wirtschaft niederschlagen wird. Für diesen Umbau wird man dem Datenschutz womöglich nicht die höchste Priorität einräumen.

Daten unterscheiden sich mit ihrer ausnahmslos an Masse gebundenen Existenz von dem, was wir abgrenzend als Information bezeichnen. Denn Information ist körperlos, auf eine – wie auch immer geartete – geistige Befassung eines Menschen angewiesen. Einige Schwierigkeiten des zeitgenössischen Datenschutzes hängen mit der Gleichsetzung von Daten und Information zusammen.

Die Datenverarbeitung, so lautet eine Forderung, möge von gesetzlicher Einschränkung befreit werden, um Segnungen der Künstlichen Intelligenz heben zu können. Dazu Jo Bager, ct 21/2019, S. 21: „Der Begriff Künstliche Intelligenz (KI, neudeutsch Artificial Intelligence, AI) ist ein Teilgebiet der Informatik, das sich mit der Automatisation intelligenten Verhaltens befaßt. Dabei ist der Begriff schon deshalb nicht eindeutig abgrenzbar, weil es keine universelle Definition von Intelligenz gibt.“

Vielleicht sollte man Definitionen erarbeiten, Begriffsinhalte mit ihrer dann verbindlichen geltenden Bedeutung in Einklang bringen mit dem Ziel, das allgemeine Verständnis zu fördern. Gesetzlich lässt sich gut regeln, was vorab begrifflich allgemeinverbindlich fixiert wurde.

Vieles befindet sich in Bewegung, Rückzugsmöglichkeiten reduzieren sich zunehmend, die individuelle psychologische Beanspruchung dürfte zunehmen. Vielleicht wird man über einen Mindeststandard im Datenschutz neu nachdenken müssen. In einer solchen Gewährung lauert womöglich die letzte rote Linie, ab deren Unterschreitung man von Individualität nicht mehr wird sprechen können. Wenn das Individuum als gesellschaftliches Element nicht mehr existiert, wird auch die medizinische Forschung entbehrlich. Daraus ließe sich eine Notwendigkeit ableiten, die medizinische Forschung nicht für eine Diskreditierung des Datenschutzes zu „verarzten“.

Die Beratung im Datenschutz vollzieht sich im Rahmen einer gesetzlich vorgegebenen Beratungspflicht. Auch im Datenschutz ist der Staat gefordert, für gleiche Bedingungen zu sorgen. Berät man gesetzestreue Mandanten, so verschafft man deren Konkurrenten, die auf den Datenschutz pfeifen einen Marktvorteil. Derzeit kommt also beim Datenschutz womöglich etwas Grundfalsches heraus.

Eine als Erleichterung kommunizierte Reduzierung der Datenschutzberatung führte der Gesetzgeber ein, indem er die Schwelle für die Bestellung des internen/externen Datenschutzbeauftragten anhob. Weitere Reduzierungen wurden schon ins Gespräch gebracht, dennoch verbleibt ein grundsätzliches Problem: der Geschäftsführer jedes Unternehmens haftet, er steht weiterhin persönlich für die Umsetzung des Datenschutzes in seinem Unternehmen gerade.

Möglicherweise fühlen sich irgendwann nur jene Unternehmen vom Datenschutz angesprochen, die aus einem bestehenden Selbstverständnis heraus grundsätzlich gesetzeskonform aufgestellt sein wollen. Ein Wunsch für 2020 könnte also darin bestehen, gesetzestreue Firmen nicht durch den Staat schlechter zu stellen.

Andererseits: gerade aus diesem Selbstverständnis heraus erweisen sich solche Unternehmen in den allermeisten Fällen als besonders solvent. Vielleicht erkennt man ein gutes Unternehmen an seinem Datenschutz.

Autor: Eckehard Kraska

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