Zu Beginn unserer IITR-Tätigkeit hatten wir hier darauf hingewiesen, dass es dem Datenschutz an einer allgemein akzeptierten Definition des Daten-Begriffs mangelt. Niemand kann sagen, was genau man unter Daten zu verstehen habe. Ähnliches gilt für den Begriff der Information.
Der Mensch behilft sich in solchen Fällen durch unscharfe Umschreibungen. Wenn es konkreter werden muss, greift man häufig auf Analogien zurück. In einigen Bereichen ist dies nicht ausreichend. Beispielsweise in den Naturwissenschaften, aber auch im Strafrecht oder Haftungsrecht ist man auf möglichst konkrete Begriffsinhalte angewiesen.
Wir befassen uns seit Jahren mit der Suche nach einer Definition für Daten, haben dazu viele Gespräche geführt, Recherchen unternommen, uns auch ermuntern lassen, die Begriffe für Daten und Information zu präzisieren, ihnen eine Definition zu unterlegen.
Der Mensch tut sich gelegentlich schwer, einer Sache auf den Grund zu gehen. Bereits der Versuch der Darlegung dieser Gründe kann zu einer weiteren Ursache werden dafür, dass einer einfach erscheinenden Aufgabenstellung wie jener, die Bedeutung eines Begriffes zu fixieren, offenbar nicht ohne weiteres nachgekommen werden kann. Wenn wir also heute eine Definition vorschlagen ist dem der Versuch vorangegangen, diese Schwierigkeit durchschauen zu wollen. Was also hindert den Menschen daran, Begriffen auf den Grund gehen zu können?
Ist es nur Pragmatismus, weil es offenbar ganz gut auch ohne sprachliche oder gedankliche Präzision geht? Mag sein. Wir sind jedoch überzeugt davon, dass andere Ursachen eine wesentlichere Rolle spielen.
Was also könnte konkret gemeint sein, wenn wir von Datenschutz sprechen, also dem Schutz des vom Bundesverfassungsgericht entwickelten informationellen Selbstbestimmungsrechts anhand personenbezogener Daten, um dem Bereich jene Bedeutung verleihen zu können, die wir ihm so gerne zuweisen würden?
Bei seiner tagtäglich vorgenommenen Einschätzung von Vorgängen und seiner eigenen Positionierungen wird der Mensch überwiegend wertend tätig. Er nimmt Wertungen vor.
Davon getrennt betrachtet werden muss eine weitere, dem Menschen zur Verfügung stehende Möglichkeit, seine Umwelt zu beurteilen. Er kann sie nach Gesetzmäßigkeiten untersuchen, Naturgesetze identifizieren und damit seine Erkenntnisse wissenschaftlich begründen. Er kann der Bewertung die Beurteilung durch gesichertes Wissen hinzufügen
Der Mensch kann sich also wertend und/oder naturwissenschaftlich gestützt positionieren. Der Mensch hat es demnach mit zwei Sphären zu tun, in denen er agiert, zu denen er Zugang hat: jene der Naturgesetze sowie jene der Wertung.
Diese beiden Sphären fließen im Alltag ineinander. Aber dies bedeutet keineswegs, dass man diese beiden Sphären nicht auseinander halten könnte. Oft ist uns nicht bewusst, dass wir auf zwei streng getrennt voneinander zu betrachtenden Sphären des Wissens und des Wertens zurückgreifen. Vieles was wir von uns geben halten wir für gesichertes Wissen, was mithin naturwissenschaftlich begründbar sein müsste. Tatsächlich stellt das allermeiste unserer Äußerungen unsere Meinung dar, der eine subjektive Wertung unterliegt.
In dem Maße, wie die Menschheit an Wissen, an naturwissenschaftlicher Kenntnis gewinnt, ändern sich Begriffsinhalte. Was vor Jahrzehnten noch im Nebel der Ahnung und damit der Wertung stand, ist heute erklärbar, errechnet und oft auch entzaubert. Das verstärkt die akute Illusion, wir hätten es heute nur noch mit einer Ebene, einer Sphäre zu tun, wir alle würden uns mittlerweile ausschließlich auf der Ebene des Wissens befinden.
So könnte man erklären, dass die Verwendung von Begriffen, die einer Sphäre zugehörig sein sollten, bei Verwendung in der anderen Sphäre unscharf wird.
Daten, so schlagen wir vor, gehören in die Sphäre der Naturwissenschaft. Unser Definitionsangebot:
“Daten sind Träger dessen, was durch naturgesetzliche Struktur beschreibbar ist.”
Einige Beispiele. Die Beschreibung der Ladung eines Neutrons: Datum. Der Spin eines Elektrons: Datum. Strings zur Erklärung der Eigenschaften von Materie: Datum. Anziehungskraft: Datum. Aufbau Positron, Neutron, Konstruktion eines Atoms, eines Moleküls: alles naturwissenschaftlich beschreibbares Datum. Eigenschaften, wie Farbgebung, Gewicht: alles naturwissenschaftlich ausdrückbar und damit Datum. Vom Mikrokosmos ausgehend in den Makrokosmos gleitend: alles naturwissenschaftlich fassbar, hinterlegbar, als Naturgesetz also beweisbar: alles Daten: allesamt Daten.
Daraus folgen die Vorgänge, in denen Daten verarbeitet werden: ebenfalls naturwissenschaftlichen Strukturen folgend, naturwissenschaftlich beschreibbar.
Alles was nicht in naturgesetzlich beschreibbarer Struktur vorhanden ist, wäre demnach nicht Datum. Ein kleiner Auszug daraus: Liebe. Ehre. Wert. Gott. Übersinnliche Kräfte.
Demnach wird das Universum zusammengehalten durch Strukturen, denen Gesetzmäßigkeiten unterliegen, denen wir Menschen nachzuspüren versuchen. Diese Gesetzmäßigkeiten beschreiben Wirkungen. Die Beschreibungen dessen, auf was sich diese Gesetzmäßigkeiten beziehen liegen als Daten vor.
Das um uns herum befindliche Universum kommt völlig ohne den Menschen aus. Sofern man sich darauf verständigen mag, dass es das Universum auch ohne den Menschen geben dürfte, das Universum also nicht lediglich eine besonders raffinierte Illusion menschlichen Geistes darstellt.
Der Mensch fügt demnach – so oder auch so – dem streng naturwissenschaftlich organisierten Universum eine Erweiterung hinzu: sein um Erkenntnis ringendes Bewusstsein. Er erweitert das Universum um seine Fähigkeit, wertend tätig zu werden.
Nichts im Universum selbst verläuft, soweit wir bis heute erkennen können, wertend ab. Alles was wir bisher haben in Erfahrung bringen können, unterliegt naturwissenschaftlich beschreibbaren Vorgängen und folgt damit Naturgesetzen.
Die große Ausnahme davon bildet der Mensch, der wertend tätig ist.
Immer dann, wenn der Mensch sich mit was auch immer befasst, kommt Wertung ins Spiel. Unweigerlich. Der Mensch begutachtet, er hält für wahrscheinlich oder wünschenswert, für erstrebenswert, eben all das, was den wertenden Vorgang ausmacht und was dem Gang des Universums ansonsten vollständig fremd ist.
Auf diese Weise gewinnt der Mensch, wenn er beispielsweise Daten begutachtet, eine eigene Vorstellung. Von einem Vorgang. Von einer Sache. Von einer anderen Person. Von was auch immer.
Er macht sich ein Bild.
Der Mensch informiert sich. Er generiert Information.
Information ist also gebunden an das notwendige Vorhandensein des wertenden Menschen.
Dies gilt demnach auch dann, wenn sich seine Wertung auf Daten stützt.
Während Daten an das Vorhandensein einer naturgesetzlich beschreibbaren Struktur gebunden sind und das gesamte Treiben des Universums umschreiben, ist Information an das Vorhandensein des wertenden Menschen gebunden.
“Information: Datum, plus menschliche Wertung.”
Wenn wir Datenschutz betreiben, sollten wir naturwissenschaftlich beschreibbare Vorgänge in den Vordergrund stellen.
Sollten wir hingegen Schutzvorstellungen anstreben dazu, welche Arten von Information über Menschen in Umlauf gelangen dürfen, dann befinden wir uns in einem völlig anders zu strukturierenden Bereich des Informationsschutzes.
Um die Qualität einer Information bestimmen zu können ist die Intervention auf naturwissenschaftlicher Ebene, also auf der Ebene physikalischer Datenträger und der dort stattfindenden Datenverarbeitung eine unzureichende Möglichkeit.
Es kann hier nicht darum gehen, den Begriff „Datenschutz“ durch „Informationsschutz“ ersetzen zu wollen. Vielmehr soll es sich um den Versuch der Entzerrung eines Bedeutungsnebels handeln, aus dem sich der Begriff des Datenschutzes herauslösen ließe, um ihn konkretisieren zu können. Daten lassen dabei eine eigene Körperlichkeit erkennen. Der davon abgetrennte Informations-Begriff gewinnt dadurch ebenfalls an Kontur, was dem Ansinnen, Schutzvorstellungen formulieren zu wollen dienlich sein könnte.
Wir hoffen, der Diskussion um die Begriffs-Definition von Daten hiermit einige Anregungen hinzufügen zu können.
Autoren:
Dr. Sebastian Kraska
Eckehard KraskaBeitrag veröffentlicht am 2. Januar 2013.
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