[IITR – 2.4.20] Die Menschheit hat sich einen Virus eingefangen. Die Gesellschaften, die Wirtschaft und die globalisierte Welt wurden infiziert.
Wir hier befassen uns mit dem Datenschutz, der ebenfalls durch den Corona-Virus schwer beeinträchtigt wird. Nicht nur technische Viren, welche schon in „normalen“ Zeiten großen Schaden in der IT anrichten schlagen sich derzeit auf den Datenschutz durch.
Die biologischen Viren bewirken eine Relativierung und Aufweichung der Datenschutzvorschriften. Die Grenzen einer zulässigen individuellen Überwachung geraten ins Rutschen. Der Schutz der Privatsphäre scheint neu ausgehandelt zu werden. Die Erfassung individueller Bewegungsprofile durch Handys, eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit, all dies unterliegt der Überwachung und wird ggfs. sanktioniert. Allerdings erlebt nicht nur das Datenschutzrecht derzeit eine Aufweichung. Gerichte werden sich dem derzeit kaum entgegenstellen.
Erfahrungsgemäß kehrt man anschließend nicht in den vorherigen Zustand zurück. Die angefallenen Erfahrungen schlagen sich irgendwie nieder, nicht immer sind die daraus abgeleiteten Anpassungen mit einem Fortschritt verbunden, weil die Vorstellungen, was unter Fortschritt verstanden werden soll, weit auseinanderklaffen können.
In Zeiten einer wirtschaftlichen Notlage werden Einschränkungen häufig von einer Selbst-Ermächtigung des Staates begleitet, welcher sich in Folge einen Zugriff auf die privaten, also u.a. auch finanziellen Belange seiner Bürger verschafft.
Dabei büßt der Bürger auch seine Möglichkeiten ein, auf eine einmal eingeschlagene Richtung Einfluss nehmen zu können. Diese wird vor allem durch das wirtschaftliche Wohlergehen bestimmt.
Dergleichen könnte sich gerade anbahnen. Die noch verhalten geführte Diskussion über den richtigen Umgang mit dem Virus verläuft zunächst entlang einer Linie, bei der es um die richtige Strategie geht, drohende Überlastungen von Krankenhäusern abwenden zu müssen mit der Zielsetzung, so viele Menschen wie möglich medizinisch versorgen zu können. Eine Linie, bei der Virologen die Beratung von Politikern, und damit auch eine Verantwortung übernommen haben. Es lässt sich beobachten, dass die global umgesetzten Maßnahmen keineswegs einheitlich sind. Immerhin hat dies den Vorteil, dass eine zwar einheitliche, aber womöglich falsche Strategie der Welt auf diese Weise erspart bleibt. Einheitlichkeit in globalem Vorgehen kann fatale Konsequenzen nach sich ziehen.
Auf der anderen Seite dieser Linie werden Betrachtungen angestellt, wie weit man die Stilllegung einer Gesellschaft treiben darf, ohne den dadurch entstehenden gesamt-gesellschaftlichen Schaden nicht überwiegen zu lassen.
Die alte Frage also: wie viel ist ein Menschenleben wert?
Dieser Wert leitet sich aus der dem Menschen zuerkannten Würde ab.
Die Würde des Menschen ist unantastbar, so die grundgesetzliche Maßgabe für sämtliches staatliche Handeln. Dabei steht der Schutz der Würde noch über dem Schutz des Lebens, so verblüffend dies im ersten Moment vielleicht erscheinen mag.
In keiner Verfassung, in keiner Charta dieser Welt findet sich ein Hinweis, ab wann man alten oder durch Krankheit bereits mehrfach belasteten Menschen aus wirtschaftlicher Erwägung heraus etwas Opium zur Verfügung stellen darf, um ihnen einen ansonsten qualvollen Übergang zu erleichtern.
Daher haben Diskussionen zum Umgang mit diesem Virus womöglich noch nicht das erforderliche Niveau erreicht. Es geht nicht um wirtschaftliche Abwägungen, sondern um den Kern unserer Verfassung. Es geht um die Grundlage unserer Kultur.
Es geht um die Würde des Menschen, die für den Staat, für staatliches Handeln unantastbar zu bleiben hat.
Unantastbarkeit, das ist eine ziemlich absolut erscheinende Kategorie, die kaum Raum für Relativierungen bietet und dem Menschen nicht lediglich einen staatlichen Schutz seiner sterblichen Hülle zubilligt. Das Würde-Verständnis erstreckt sich auf den Schutz und den Erhalt von individuellen, persönlichen Freiheiten. Es sind die Rechte auf ein eigenes Bewusstsein zu respektieren, aus welchem sich sein eigens Selbstverständnis ableitet, daraus wiederum sein eigenes Handeln, welches durch den Staat lediglich im Rahmen von gültigen Gesetzen eingeschränkt werden kann. Der Staat beansprucht ein Recht auf Lenkung, aber auch dieses kann sich nur in den Grenzen gültiger Gesetze vollziehen.
All das sind Erwägungen, die derzeit in den Schatten eines grassierenden Virus zu geraten scheinen.
Bis vor wenigen Wochen bestand der Hauptvorteil des Datenschutzes in der Angleichung und Standardisierung von Verfahren, mit denen die Wirtschaft den Austausch ihrer personenbeziehbaren Daten organisierte. Nicht alle derzeit eingeführten Standards sind glücklich gewählt, manchmal stand womöglich eine Erleichterung durch Standardisierung nicht im Vordergrund. Unter dem Strich bleiben die Vorteile einer Standardisierung erkennbar. Standards sind hilfreich, sie vereinfachen den gemeinsamen Umgang. Soweit zum technischen Aspekt des Datenschutzes.
Dem Menschen eine individuelle Entfaltung zu ermöglichen, ihm seine Würde zu belassen, indem man die Befürchtung einer möglichen Überwachung von seinen Schultern nimmt und es ihm dadurch erleichtert, vielleicht sogar erst ermöglicht, seinen eigenen gesellschaftlichen Beitrag einbringen zu können, diesen im Datenschutzes enthaltenen Ansatz wahrnehmen zu können wäre nach wie vor jede Mühe wert, denn: Europa ist schwach.
Ohne substantiellen Datenschutz hat Europa verloren. So einfach ist das.
Es ist vielen offenbar nicht klar, was sich hinter dem womöglich unglücklich gewählten Begriff eines so genannten Datenschutzes tatsächlich verbirgt.
Wir werden sehen, ob derartige Erkenntnisse den aktuellen Virus-Befall überleben.
Autor: Eckehard Kraska
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