Für Klagen betroffener Bürger gegen die Festlegung von An- und Abflugrouten eines Verkehrsflugplatzes in Form einer Rechtsverordnung ist nach Ansicht des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil vom 27.6.2012 (1 C 14/08) die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO die statthafte Klageart. Die hierfür erforderliche Klagebefugnis liegt vor, wenn vom Kläger substantiiert geltend gemacht wird, dass die Beklagte ihre Lärmschutzinteressen mit der Festsetzung der streitigen Flugverfahren nicht hinreichend berücksichtigt hat. Die Möglichkeit einer daraus folgenden Verletzung eigener Rechte, namentlich des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 GG und von Eigentumsrechten aus Art. 14 GG, ist dabei nicht von vornherein auszuschließen, wenn das Grundstück des Klägers in einer Entfernung an bzw. unter den angegriffenen Flugrouten liegt, in der in diesem Zusammenhang abwägungsrelevante Betroffenheiten in Rede stehen (vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 13.11.2008 - 20 D 124/06. AK -, juris).
Für die Frage der Begründetheit einer derartigen Klage gilt: Die Festlegung von Flugverfahren durch Rechtsverordnung des Luftfahrt-Bundesamtes gemäß § 27a Abs. 2 LuftVO unterliegt in materieller Hinsicht einem Abwägungsgebot (BVerwG, Urt. v. 4.5.2005 - 4 C 6.04, Urt. v. 24.6.2004 - 4 C 11.03 -, jeweils juris). Mangels jeglicher Konkretisierung der Abwägungspflicht im Luftverkehrsgesetz oder in der Luftverkehrs-Ordnung obliegt sie dem Luftfahrt-Bundesamt allerdings nur im Umfang des rechtsstaatlich für jede Abwägung unabdingbar Gebotenen. Dabei wirkt sich zum einen aus, dass Flugverfahren flugsicherungsbetriebliche Vorkehrungen in Gestalt von Verkehrsregeln enthalten, die ganz vorrangig der sicheren, geordneten und flüssigen Abwicklung des Luftverkehrs im Flugbetrieb verpflichtet sind und bleiben. Dies ergibt sich aus § 27c Abs. 1 LuftVG, aber auch aus dem in § 27a Abs. 1 LuftVO betonten Zusammenhang der Flugverfahren mit den Flugverkehrskontrollfreigaben nach § 26 LuftVO. Zum anderen ergibt sich eine (weitere) - allein im öffentlichen Interesse stehende - Begrenzung des Abwägungsspielraums daraus, dass sich das Luftfahrt-Bundesamt zwingend an der anderweitig getroffenen Grundsatzentscheidung über den zulässigen Umfang der Verkehrsmenge und der Zeiten ihres Aufkommens auszurichten hat. Damit geht es bei der Flugroutenfestlegung unter Lärmschutzgesichtspunkten im Kern allein um die Verteilung des durch die Betriebsgenehmigung für den jeweiligen Flughafen vorgegebenen Lärmpotentials.
Dies führt nach Auffassung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts dazu, dass die Festlegung von An- und Abflugrouten auf die Klage lärmbetroffener Anwohner hin rechtlich im Ergebnis letztlich nur der Überprüfung auf Einhaltung der Willkürgrenze unterliegt. Nichts anderes gelte - soweit ein entsprechendes Recht bezogen auf die Änderung von in der Vergangenheit rechtmäßig festgesetzten Routen überhaupt anerkannt werden könne - für die Entscheidung, an einer eingeführten Route festzuhalten. Die Entscheidung sei gerichtlich nur darauf überprüfbar, ob das Luftfahrt-Bundesamt von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei, ferner darauf, ob es den gesetzlichen Rahmen erkannt habe, der im Falle von unzumutbaren Lärmbelastungen insbesondere durch § 29b Abs. 2 LuftVG geprägt ist, und schließlich darauf, ob es die rechtlich schutzwürdigen Interessen der Betroffenen, insbesondere deren Lärmschutzinteressen in die Abwägung eingestellt und gegebenenfalls unter Einbeziehung eines selbst gesetzten Regelungskonzeptes nicht ohne sachlichen Grund gegenüber den öffentlichen Interessen zurückgesetzt habe (BVerwG, Urt. v. 24.6.2004 - 4 C 11.03 -, a. a. O.).
Dabei gelte es bei der Frage, welche Anforderungen im Konkreten an die Rechtfertigungs- und die Nachweispflichten der Behörde zu stellen seien, danach zu unterscheiden, ob die Flugverfahren auf der festgelegten Route für die dortige Bevölkerung mit unzumutbaren Lärmeinwirkungen verbunden sind oder ob dies nicht der Fall sei. Streckenalternativen, die Abhilfe versprechen, seien umso eingehender zu prüfen, je deutlicher die Zumutbarkeitsschwelle überschritten werde (BVerwG, Beschl. v. 18.10.2005 - 4 B 43.05-, juris). Eine Flugroute, durch die Lärmbelastungen unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle hervorgerufen würden, sei schon dann abwägungsfehlerfrei, wenn sich für sie sachlich einleuchtende Gründe anführen Ließen. Einer besonderen Rechtfertigung und eines besonderen Nachweises, dass schonendere Lösungen nicht in Betracht kommen, bedürfe es nicht. Im Falle unzumutbarer Lärmeinwirkungen sei demgegenüber im Besonderen die Wertung des § 29 Abs. 2 LuftVGzu berücksichtigen, wonach die Luftfahrtbehörden und die für die Flugsicherung zuständigen Stellen „auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken“ hätten. Die Norm enthalte eine Regelverpflichtung, das Entstehen unzumutbaren Lärms zu verhindern, die allerdings unter dem Vorbehalt des Machbaren stehe (BVerwG, Beschl. v. 7.4.2006 - 4 B 69.05 -, juris; Urt. v. 24.6.2004 - 4 C 11.03-, juris).
Daraus folge im Ergebnis, dass in den Fällen, in denen Lösungen mit Lärmwirkungen sowohl unterhalb als auch oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze zur Verfügung stünden, die Entscheidung für eine mit unzumutbaren Folgen für betroffene Anwohner verbundene Lösung mit Blick auf die Wertung des § 29b Abs. 2 LuftVGeinem besonderen Rechtfertigungszwang unterliege; insoweit könnten regelmäßig nur sicherheitsbezogene Erwägungen von Gewicht die Wahl einer solchen Route rechtfertigen. Davon zu unterscheiden seien bloße Verteilungsfälle, in denen unter Ausschöpfung aller sicherheitstechnisch vertretbaren Möglichkeiten vergleichbare Lärmbelastungen auf keiner erwägenswerten Route vermieden werden könnten und es deshalb nur darum gehe, wer die Lärmbelastung zu tragen habe. In einem solchen Falle bleibe es dem weiten Gestaltungsspielraum des Luftfahrt-Bundesamtes bei der Wahl zwischen verschiedenen Alternativen zur Bewältigung der Lärmproblematik überlassen, bei vorrangiger Maßgabe der Aspekte des Luftverkehrs zu beurteilen, ob die Flugbewegungen eher gebündelt oder gestreut würden, die Lärmbelastungen also nach Art eines großräumigen Lastenausgleichs verteilt werden oder einzelne Gebiete möglichst verschont bleiben sollen. Ebenso sei seiner Entscheidung vorbehalten, ob bei der Bewertung der Belastungsstärke auf den Umfang der räumlichen Betroffenheit oder die Zahl der betroffenen Bewohner abgestellt und welches Gewicht dabei der Stärke der Lärmereignisse zuerkannt werden solle (BVerwG, Urt. v. 24.6.2004 - 4 C 11.03 -, a. a. O.).
Maßgeblich für die Frage, ob die Festlegung einer Route den genannten Anforderungen entspreche, sei im Grundsatz die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung. Dabei gelte es generell zu beachten, dass eventuell festzustellende Mängel in der Abwägung nach einem für die Überprüfung von Abwägungsentscheidungen allgemein geltenden Grundsatz, dessen Anwendung nicht von einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung oder deren entsprechenden Anwendung abhänge, nur erheblich seien, wenn sie auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Das setze voraus, dass nach den Umständen des Falls die konkrete Möglichkeit bestehe, dass die planende Behörde ohne den Fehler zugunsten der Rechtsposition des Betroffenen anders entschieden hätte. Des Weiteren sei während des Rechtsstreits erfolgten Überprüfungen und eventuell normierten Veränderungen der streitigen Abflugverfahren sowie den hierfür maßgeblichen Erwägungen des Luftfahrt-Bundesamtes Rechnung zu tragen (BVerwG, Urt. v. 26.11.2003 - 9 C 6.02 -, a. a. O.).
Rechtsanwalt Dr. Alfred Stapelfeldt ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der Kanzlei Rechtsanwälte SZK (Wiesbaden/Darmstadt). Er vertritt und berät insbesondere Unternehmen und die öffentliche Hand in allen Fragen des Umweltrechts.