Rechtsanwältin Christine Bonke-Heseler

recht.flott. UG (haftungsbeschränkt)
22765, Hamburg
Rechtsgebiete
Recht der freien Berufe
04.09.2012

Werbung mit „Kanzlei Niedersachsen“ ist rechtens

Eine Rechtsanwaltskanzlei darf mit der Bezeichnung "Kanzlei-Niedersachsen" werben. Dies hat das OLG Celle mit Urteil vom 17.11.2011, 13 U 168/11, entschieden. Begründung: Der Rechtsuchende würde diese Angabe rein geografisch verstehen. Denn "Niedersachsen" sei vorrangig eine Regionalbezeichnung, die vom Verbraucher in unterschiedlichsten, nicht hoheitlichen Zusammenhängen wahrgenommen wird, wie z.B. Tourismusland Niedersachsen, Flächenland Niedersachsen etc.

Sachverhalt
Der Verfügungskläger (im Folgenden Kl.) nimmt den Verfügungsbeklagten. (im Folgenden Bekl.) auf Unterlassung in Anspruch. Dem Kläger steht jedoch als Mitbewerber kein Unterlassungsanspruch i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG zu. Zwar müsse nach § 6 BORA die dem Rechtsanwalt erlaubte Werbung sachlich und berufsbezogen sein. Nach Ansicht des Gerichts verstößt indes die zusatzfreie Bezeichnung "Kanzlei-Niedersachsen" nicht gegen dieses in § 6 BORA enthaltenes Sachlichkeitsgebot; der angesprochene Verbraucher verstehe die Bezeichnung nämlich als rein geografische.

Keine Assoziation zu der "hoheitlich agierenden Staatskanzlei Niedersachsen“
Der Senat geht davon aus, dass bei Referenzverbrauchern durch den Begriff "Kanzlei-Niedersachsen" keine Assoziation zu der "hoheitlich agierenden Staatskanzlei Niedersachsen" hervorrufen werden. Abgesehen davon, dass die Staatskanzlei nicht "Staatskanzlei Niedersachsen", sondern "Niedersächsische Staatskanzlei" heißt, verbinde der angesprochene Verbraucher gerade und nur das im vorliegenden Fall nicht vorhandene "Staats-" mit hoheitlicher Tätigkeit, während er unter "Kanzlei" üblicherweise lediglich den Sitz von RAen oder Steuerberatern verstehe. Auch in der Kombination mit der Landesbezeichnung ändere sich dieses Verbraucherverständnis nicht. "Niedersachsen" sei vorrangig eine Regionalbezeichnung, die vom Verbraucher in unterschiedlichsten, nichthoheitlichen Zusammenhängen wahrgenommen wird (z.B. Tourismusland Niedersachsen usw). Die Angaben "Kanzlei" und "Niedersachsen" seien zudem auch wahr, denn der Bekl. betreibe seine Rechtsanwaltskanzlei in Niedersachsen.

Keine Alleinstellungs- bzw. Spitzenstellungswerbung
Es besteht auch kein Unterlassungsanspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Der Senat vermochte in der Verwendung der Bezeichnung "Kanzlei-Niedersachsen" keine Alleinstellungs- bzw. Spitzenstellungswerbung erblicken. Das OLG Celle nimmt andere Entscheidungen hierzu in den Blick uns stellt fest, dass sich daraus nichts anderes ergibt: Zwar habe das OLG Stuttgart für den Begriff "Bodenseekanzlei" eine unlautere Spitzenstellungswerbung bejaht (vgl. Urt. v. 16.3.2006 - 2 U 147/05), weil es meinte, die Einvernahme des gesamten Wirtschaftsraums Bodensee eröffne die Deutung, dass das Unternehmen mit diesem in ganz besonderer Beziehung stehe und qualitativ und/oder quantitativ im Vergleich zu anderen Kanzleien in hervorgehobener Weise Dienstleistungen anbiete. Jedoch habe das OLG Hamm (vgl. Urt. v. 19.6.2008 - 4 U 63/08) - in Abwendung von seinem früheren Urteil "Tauchschule Dortmund" - ausgeführt, dass eine Spitzenstellungswerbung regelmäßig zumindest voraussetze, dass einer Bezeichnung der bestimmte Artikel vorangestellt werde, weil bei dessen Betonung der jeweilige Geschäftsbetrieb gemäß den allgemeinen Sprachgewohnheiten als hervorgehoben erscheine. Eine solche Herausstellung leiste auch kein Ortsname. Dem Verkehr sei nämlich bekannt, dass es in großen Städten eine Fülle von Rechtsanwaltskanzleien gebe. Von daher messe der Verkehr der Anführung des Ortsnamens nur die Bedeutung der Angabe des Sitzes der Kanzlei zu. Das OLG Hamm habe damit die Domain "anwaltskanzlei-(xxx = Ortsname).de" für zulässig erklärt, so der Senat.

Einklang mit neueren Entscheidung des BGH
Das OLG Celle will dieser – neueren- Rechtsprechung den Vorzug geben, da „sie im Einklang mit einer ebenfalls neueren Entscheidung des BGH steht“ (vgl. BGH, Urt. v. 1.9.2010 - StbSt (R) 2/10). Der BGH habe darin die Verwendung der Internet-Domain "steuerberater-suedniedersachsen.de" auf Verstöße gegen Werbeverbote aus dem Steuerberatergesetz untersucht und solche i.E. verneint.Insbesondere habe der BGH den Verbraucher weder irregeführt noch eine Sonder- oder Spitzenstellungswerbung als gegeben angesehen. Die Entscheidung könne auf den vorliegenden Fall übertragen werden, auch wenn dort die Verwendung einer Internetdomain zu bewerten war. Denn es stellten sich dieselben Fragen nach der wettbewerbs- und berufsrechtlichen Zulässigkeit einer Verwendung von Orts- oder Regionsbezeichnungen. Danach sei davon auszugehen, dass der angesprochene Verbraucher ohne weiteres in der Lage ist zu ermessen, dass es sich bei der Bezeichnung "Kanzlei-Niedersachsen" lediglich um eine anpreisende Darstellung zur Kennzeichnung des Sitzlandes handelt. Er wisse zugleich, dass es in Niedersachsen eine große Anzahl von Rechtsanwaltskanzleien gibt und messe der Angabe des Bundeslandes in der Bezeichnung daher nur im Hinblick auf den Sitz und den wesentlichen Tätigkeitsbereich der Kanzlei Bedeutung bei. Die (Fehl-)Vorstellung einer herausragenden Stellung habe er schon deswegen nicht, weil die Bezeichnung keinen bestimmten Artikel enthält (wie: "Die Kanzlei-Niedersachsen").