Jeder weiß: Wie der Arzt ein unangenehmer Patient ist, so ist der Anwalt ein unangenehmer Mandant: Selbstbewusst, fordernd, rechthaberisch, besserwisserisch; ein Mensch eben, der kein Problem damit hat, aufzustehen, eine ernste Miene aufzusetzen und mit fester Stimme den größtmöglichen Blödsinn zu erzählen. Das ist im Prinzip kein Problem, jedenfalls solange es das Problem anderer Leute ist. Weil der Anwalt ein unangenehmer Geschäftspartner ist, meidet der gemeine Geschäftsmann den Anwalt als Vertragspartner; und auch ich muss zugeben, dass ich meine Wohnung nur deswegen mieten konnte, weil ich meinem Vermieter erzählte, ich arbeite bei einer Bank. Betrug war das nicht, ich zahle ja meine Miete. Aber ich bin nicht so blöd, bei einer derart angespannten Situation auf dem Münchner Mietmarkt meinem Vermieter auf die Nase zu binden, dass ich, wenn ich nur wollte, seine Nebenkostenabrechnung solange auf Fehler überprüfen kann, bis er eher den Müll selber wegfährt, bevor er mir nochmal eine derart überhöhte Abrechnung vorlegt. Aber wie gesagt, eigentlich ist das alles kein Problem und auch ich werde meinem Vermieter keinen Ärger machen, solange die Nebenkostenabrechnung in Ordnung ist. Wenn man mit Anwälten Geschäfte macht, sollten das einfache Geschäfte sein. Keinesfalls kann ich empfehlen mit so komplizierten Dingen wie dem Internet auf Anwälte zuzugehen. „Also meine Kanzlei ist schon lange im Internet, schon seit vielen Jahren“ sagte mir neulich ein Kollege „…und wir sind eigentlich mit unserer Situation im Internet sehr zufrieden. Unsere Internetadresse lautet: ra-kanzlei-mueller-luedenscheid@t-online.de“. Was sagt man da? „Nein, nein, das ist doch eine Email-Adresse.“ verursacht jedenfalls einen skeptischen ungläubigen Blick des Kollegen. Wenn man jetzt noch versucht, mehr zu erklären, verhäddert man sich zwangsläufig in einem Monolog über neue Formen der Kommunikation, über Onlinemarketing und die wachsende Bedeutung des Internets für alle Lebensbereiche. Man erntet dann große Augen, aber im Leben keinen Abschluss. Es gibt aber auch Kollegen, die einem erklären, dass sie eigentlich schon vor der Erfindung des Internets eine ganz ähnliche Idee gehabt haben und in den 90er Jahren mal zusammen mit sehr talentierten Leuten diese wunderbare Website aufgebaut haben, die (ähnlich wie jetzt beck-online, aber weniger fachbezogen) spezifisch für die Bedürfnisse des Mandanten, juristische Informationen geordnet, aber auch leicht verständlich darbieten sollen. Das Projekt sei jetzt leider nicht mehr so gut gepflegt, aber der Ansatz sei doch sehr durchdacht gewesen. Wenn man so etwas hört, ist man hocherfreut, einen Kenner auf der anderen Seite zu wissen, mit dem man augenscheinlich nicht nur über eine Website, sondern auch über Onlinemarketing, Twitter, Facebook, GoogleAdwords, Suchmaschinenoptimierung, Conversion-Tracking und viele andere spannende Themen sprechen kann. Selbst wenn am Ende keine Website verkaufen würde, so hätte man zumindest ein angenehmes Gespräch gehabt und vielleicht einen guten Kontakt für später gewonnen. Wenn man dann auf eine Website klickt, die z.B. so ausschaut, stellt sich die Frage erneut: Was soll man da sagen? „Sehr spammendes Projekt, Herr Kollege. Ich bin mir sicher, dass Ihre Mandanten sich für Viagra sehr interessieren.“
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05.12.2010