Urteil des VG Saarlouis vom 16.12.2010

VG Saarlouis: befreiung, rücknahme, rundfunk, berufsausbildung, öffentlich, zustellung, behörde, einzelrichter, anhörung, zukunft

VG Saarlouis Urteil vom 16.12.2010, 3 K 2162/09
Anspruch auf Rücknahme eines Bescheides, mit dem eine Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht abgelehnt worden ist
Leitsätze
Wird die Rechtswidrigkeit eines Bescheides über die Ablehnung einer Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht geltend gemacht, ist für die Entscheidung über die Rücknahme
des betreffenden Bescheides § 48 SVwVfG einschlägig, obgleich das Saarländische
Verwaltungsverfahrensgesetz nach § 2 Abs. 1 SVwVfG für die Tätigkeit des Saarländischen
Rundfunks nicht gilt, da der Saarländische Rundfunk - wie auch andere öffentlich-rechtliche
Rundfunkanstalten - bei der Heranziehung der Rundfunkteilnehmer zu Rundfunkgebühren
eine nicht vom Normzweck des § 2 Abs. 1 SVwVfG erfasste originäre Verwaltungstätigkeit
ausübt.
Nach Maßgabe des § 6 RGebStV kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines
die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ablehnenden Bescheides grundsätzlich auf
den Zeitpunkt der Antragstellung an. Abweichend hiervon ist in den Fällen, in welchen dem
Antragsteller der nach § 6 Abs. 2 RGebStV zum Nachweis des Befreiungsgrundes
erforderliche Bewilligungsbescheid im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht vorliegt, auf
den Zeitpunkt der Entscheidung über den Befreiungsantrag abzustellen.
Es ist rechtlich unbedenklich, dass die für den Saarländischen Rundfunk handelnde GEZ für
die Fälle, in denen ein Antragsteller einen zum Nachweis des von ihm geltend gemachten
Befreiungsgrundes erforderlichen Bewilligungsbescheid noch nicht erhalten hat, einen
vorsorglichen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (formularmäßig)
vorsieht. Mit ihren allgemein zugänglichen Informationen zur sachdienlichen sowie
insbesondere vorsorglichen Antragstellung erfüllt die GEZ ihre diesbezüglichen
Hinweispflichten. Eine darüber hinausgehende Pflicht, den jeweiligen Antragsteller auf die
Unzulänglichkeit seines Antrages aufmerksam zu machen bzw. auf einen sachdienlichen
Antrag hinzuwirken, besteht nicht.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines
Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden
Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für die Zeit von September 2008 bis
einschließlich Mai 2009 von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien ist.
Mit am 12.8.2008 eingegangenem Formularantrag vom 31.7.2008 begehrte der Kläger
seine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für ein Fernsehgerät mit der Begründung,
er gehöre entsprechend dem Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 Nr. 5
Rundfunkgebührenstaatsvertrag - RGebStV - zum Kreis der nicht bei den Eltern lebenden
Empfängern von Ausbildungsgeld nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB III).
Mit seinem Antrag überreichte er den an ihn gerichteten Bescheid der Bundesagentur für
Arbeit in Saarlouis vom 16.6.2008 über die nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften
des SGB III ausgesprochene Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom
1.8.2007 bis 31.7.2008, seinen Berufsausbildungsvertrag vom 29.6.2006 mit einer
vorgesehenen Laufzeit vom 1.8.2006 bis 31.1.2010 sowie die Lohnabrechnung für Mai
2008.
Mit Bescheid vom 19.8.2008 lehnte der Beklagte bzw. die für ihn handelnde GEZ den
Antrag des Klägers ab mit der Begründung, der vorgelegte Bewilligungsbescheid über
Berufsausbildungsbeihilfe beziehe sich auf einen bereits abgelaufenen Zeitraum. Eine
rückwirkende Befreiung sei nicht zulässig, auch wenn die Befreiungsvoraussetzungen
bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hätten. Der Kläger ergriff hiergegen keinen
Rechtsbehelf. Auch reagierte er weder auf Zahlungserinnerungen hinsichtlich ausstehender
Rundfunkgebühren noch auf die gegen ihn in der Folgezeit erlassenen Gebührenbescheide.
Mit formlosem Schreiben vom 18.5.2009 beantragte der Kläger erneut seine Befreiung
von der Rundfunkgebührenpflicht und verwies auf den beigefügten Bescheid der
Bundesagentur für Arbeit in Saarlouis vom 20.10.2008 über die Gewährung einer
Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III vom 1.8.2008 bis 31.1.2010. Daraufhin
befreite der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 16.6.2009 von der Pflicht zur Zahlung
von Rundfunkgebühren für den Zeitraum vom 1.6.2009 bis 31.10.2010.
Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 15.7.2009 begehrte der Kläger seine
Befreiung auch für den Zeitraum von September 2008 bis einschließlich Mai 2009 sowie
die Aufhebung von diese Zeit betreffenden Gebührenbescheiden. Zur Begründung wurde
ausgeführt, der Bescheid vom 19.8.2008 über die Ablehnung einer Gebührenbefreiung sei
zwar bestandskräftig geworden. Für eine rechtliche Überprüfung bestehe indes ein
Bedürfnis, weil der Ablehnungsbescheid rechtswidrig, wenn nicht gar nichtig, sei. Dies folge
aus dem Ablehnungsgrund, dem Fehlen eines Nachweises über den zukünftigen Empfang
von Berufsausbildungsbeihilfe, denn damit habe man vom Kläger etwas Unmögliches, und
zwar die Vorlage eines damals noch nicht ergangenen Bewilligungsbescheides, verlangt.
Gleichzeitig sei aufgrund der eingereichten Unterlagen klar gewesen, dass der Kläger bis
zum 31.1.2010 in einer Berufsausbildung gestanden und Berufsausbildungsbeihilfe erhalten
habe bzw. dies immer noch der Fall sei. Ungeachtet der Frage, wann die Bundesagentur
für Arbeit über die Bewilligung der Berufsausbildungsbeihilfe konkret entschieden habe,
seien somit die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bereits
zum Zeitpunkt des Eingangs des Befreiungsantrages bei der GEZ erfüllt gewesen.
Den Antrag des Klägers lehnte die für den Beklagten handelnde GEZ mit Verfügung vom
8.10.2009 ab. Dazu führte sie aus, der auf die Rücknahme des Ablehnungsbescheides
vom 19.8.2008 gerichtete Antrag bleibe erfolglos, weil der betreffende
Ablehnungsbescheid entgegen der Voraussetzung für eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1
VwVfG nicht rechtswidrig sei. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der
Rechtmäßigkeit sei derjenige des Bescheiderlasses. Nach den einschlägigen
Rechtsvorschriften hätte zu diesem Zeitpunkt eine Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht frühestens für die Zeit ab September 2008 ausgesprochen
werden können. Dies sei aber zu Recht abgelehnt worden, weil der Kläger mit dem
beigefügten Bewilligungsbescheid über Berufsausbildungsbeihilfe den Bezug dieser Leistung
nur bis zum 31.7.2008 nachgewiesen habe.
Den gegen diese Entscheidung gerichteten Widerspruch des Klägers wies die GEZ mit
Widerspruchsbescheid vom 20.11.2009 als unbegründet zurück, weil der
Ablehnungsbescheid vom 19.8.2009 rechtmäßig ergangen sei und deshalb dessen
Rücknahme nach § 48 VwVfG nicht in Betracht komme. Dazu heißt es in der weiteren
Begründung im Wesentlichen, dass nach § 6 Abs. 2 RGebStV die Voraussetzungen einer
Gebührenbefreiung durch die Vorlage entsprechender Unterlagen vom jeweiligen
Antragsteller nachzuweisen seien, gemäß § 6 Abs. 5 RGebStV eine zu gewährende
Befreiung in dem Monat beginne, der dem Monat der Antragstellung folge, und die
Befreiung gemäß § 6 Abs. 6 RGebStV nach der Gültigkeitsdauer des die
Befreiungsvoraussetzungen nachweisenden Bescheides zu befristen sei. Angesichts dessen
hätte unter Berücksichtigung des Antragsdatums eine Befreiung frühestens für die Zeit ab
September 2008 gewährt werden können. Für diesen Zeitraum habe der Kläger durch die
von ihm eingereichten Unterlagen das Vorliegen eines Befreiungsgrundes indes nicht
nachgewiesen. Zu keiner anderen Entscheidung führe dessen Einwand, er habe einen bis
Januar 2010 gültigen Berufsausbildungsvertrag vorgelegt, denn dieser sei kein Beleg dafür,
dass die Befreiungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 RGebStV erfüllt würden. Der
Ablehnungsbescheid vom 8.10.2009 sei daher zum - durch das materielle Recht
vorgegebenen - maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Befreiungsantrag zu
Recht ergangen.
Nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 27.11.2009 hat der Kläger am
28.12.2009 die vorliegende Klage erhoben.
Er ist der Ansicht, die Anwendung der hier einschlägigen Vorschriften durch den Beklagten
verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) und sei darüber hinaus weder mit
Art. 2 GG noch dem aus Art. 5 Abs. 1 GG herzuleitenden Recht des Bürgers auf Teilhabe
am öffentlichen Rundfunk zu vereinbaren. Es sei rechtswidrig, wenn der Beklagte § 6 Abs.
6 RGebStV so verstehe und anwende, dass trotz Vorliegens der Voraussetzungen für die
Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ein diesbezüglicher Antrag abzulehnen sei, weil
der jeweilige Antragsteller, so wie hier der Kläger, im Zeitpunkt der Antragstellung die
Voraussetzungen noch nicht nachweisen könne, weil entsprechende Urkunden ihm noch
nicht vorlägen. Vielmehr müsse die Möglichkeit bestehen, diesen formalen Nachweis noch
im Nachhinein zu führen. Dies sei etwa in den Fällen geboten, in welchen der
Befreiungsantrag unmittelbar nach Beginn der Berufsausbildung gestellt werde und der
Bescheid über die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe wegen langer
Bearbeitungsdauer bei der zuständigen Behörde noch nicht ergangen sei. Es könne daher
nicht angehen, dass der Kläger mit seinem Antrag einen Berufsausbildungsvertrag vorlege,
der den gesamten Zeitraum der ins Auge gefassten Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht abdecke, sowie einen Bewilligungsbescheid über
Ausbildungsbeihilfe überreiche, jedoch eine positive Entscheidung über seinen Antrag an
dem rein formalen Kriterium scheitere, der Bewilligungsbescheid umfasse nicht den
gesamten Zeitraum der Berufsausbildung. Ein solches Verständnis des § 1 Abs. 6 RGebStV
sei verfehlt. Vielmehr sei verfassungsrechtlich nicht nur die grundsätzliche Möglichkeit einer
Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht geboten, sondern habe eine entsprechende
Regelung sämtliche Interessen des jeweiligen Bürgers zu berücksichtigen. Darüber hinaus
müsse diese so bestimmt sein, dass keinerlei Zweifel bei ihrer Anwendung entstehen
könnten. Gerade letzterem Erfordernis genüge die vom Beklagten angeführte Vorschrift
des § 1 Abs. 6 RGebStV nicht, denn sie lasse die Fälle, in denen ein Bewilligungsbescheid
nicht mit dem Antrag eingereicht werden könne, außer Acht.
Vorliegend seien mit dem Antrag des Klägers vom 18.5.2009 die Voraussetzungen für
dessen Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für den gesamten in Rede stehenden
Zeitraum lückenlos nachgewiesen worden. Der Beklagte nehme im Rahmen der
Begründung seiner angefochtenen Entscheidung rechtsirrig an, für die Beurteilung der
Rechtmäßigkeit eines Befreiungs- oder Ablehnungsbescheides sei auf die Sach- und
Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen; maßgebend sei für die hier
gegebene Verpflichtungsklage vielmehr der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beklagten zu verpflichten, den Kläger unter Aufhebung des
Bescheides vom 8.10.2009 (Teilnehmer Nr.: ...) in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20.11.2009 ab 1.9.2008 von der
Rundfunkgebührenpflicht zu befreien.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner in den angefochtenen Bescheiden dargelegten Rechtsauffassung fest.
Der Rechtsstreit ist mit Beschluss der Kammer vom 9.12.2010 dem Einzelrichter zur
Entscheidung übertragen worden. Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer
mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer entscheidet durch den Einzelrichter und mit Einverständnis der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Der Klageantrag ist bei verständiger Würdigung dahingehend aufzufassen (§ 88 VwGO),
dass der Kläger seine Befreiung von der Pflicht zur Zahlung von Rundfunkgebühren für den
Zeitraum von September 2008 bis einschließlich Mai 2009 begehrt, nachdem ihm für die
nachfolgende Zeit ab dem 1.6.2009 (bis 31.1.2010) eine entsprechende Befreiung bereits
gewährt worden ist.
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere wahrt die am 28.12.2009 erhobene Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2
VwGO) die ab Zustellung des Widerspruchsbescheides am 27.11.2009 gemäß § 57 Abs. 2
VwGO i.V.m. §§ 222, 224 Abs. 2 und 3 ZPO, 187 BGB ff. zu berechnende einmonatige
Klagefrist (vgl. § 74 Abs. 2 i.V.m Abs. 1 VwGO), die hier am 28.12.2009 endete, weil der
27.12.2009 ein Sonntag war.
Die Klage ist indes unbegründet.
Der streitbefangene Bescheid des Beklagten vom 8.10.2010 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20.11.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher
nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat mit seiner
angefochtenen Entscheidung die vom Kläger beantragte Rücknahme des eine
Rundfunkgebührenbefreiung versagenden Bescheides vom 19.8.2008 sowie - damit
einhergehend - die von diesem erstrebte Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für
den Zeitraum September 2008 bis einschließlich Mai 2009 zu Recht abgelehnt.
Als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers kommt allein der vom Beklagten für
seine Entscheidung herangezogene § 48 Abs. 1 SVwVfG in Betracht. Nach Satz 1 dieser
Vorschrift kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar
geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit
zurückgenommen werden.
§ 48 SVwVfG ist anwendbar, obgleich nach § 2 Abs. 1 SVwVfG das Saarländische
Verwaltungsverfahrensgesetz für die Tätigkeit des Beklagten nicht gilt. § 2 Abs. 1 SVwVfG
bedarf insoweit nach seinem Sinn und Zweck, den Schutz des Kernbereichs der
Rundfunkfreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gewährleisten, einer
einschränkenden Auslegung, da der Beklagte bei der Heranziehung der Rundfunkteilnehmer
zu Rundfunkgebühren nicht in diesem vor staatlichem Einfluss zu schützenden Kernbereich
der Rundfunkfreiheit tätig wird, sondern eine originäre Verwaltungstätigkeit ausübt
so überzeugend zum gleichlautenden § 2 Abs. 1 VwVfG NRW OVG
Münster in seinem Beschluss vom 29.4.2008 - 19 A 368/04 -, zitiert
nach juris.
Hiervon ausgehend hat der Beklagte zutreffend festgestellt, dass der vom Kläger geltend
gemachte Anspruch auf Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 19.8.2008 bereits
daran scheitert, dass der betreffende Bescheid nicht rechtswidrig ist. Vielmehr ist der
Ablehnungsbescheid rechtmäßig ergangen und daher entgegen der vom Kläger geäußerten
Einschätzung erst recht nicht nichtig (§ 44 SVwVfG). Zur Begründung im Einzelnen wird
zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Beklagten
sowie im dazugehörigen Widerspruchsbescheid verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist mit Blick auf das Klagevorbringen Folgendes anzumerken:
Der Ablehnungsbescheid vom 19.8.2008 ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht gemäß
§ 44 Abs. 2 Nr. 4 SVwVfG nichtig, denn mit der geforderten Vorlage eines Bescheides über
die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe für einen (zumindest teilweise) in der Zukunft
liegenden Zeitraum ist von ihm nichts Unmögliches bzw. etwas verlangt worden, was aus
tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann. Insoweit missversteht der Kläger die
streitbefangene Entscheidung und auch die Rechtsauffassung des Beklagten zu Fällen
dieser Art, denn gefordert wurde und wird nicht, wie der Kläger meint, dass ein
entsprechender Bewilligungsbescheid bereits mit dem Antrag auf
Rundfunkgebührenbefreiung eingereicht werden muss. Vielmehr hat der Beklagte
erkennbar darauf abgestellt, dass es an diesem Nachweis im Zeitpunkt des
Bescheiderlasses gefehlt habe und deshalb ablehnend entschieden worden sei.
Demgegenüber kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, dass er den erforderlichen
Bescheid damals nicht vorlegen konnte, weil die zuständige Bundesanstalt für Arbeit über
seinen Antrag auf Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe noch nicht entschieden hatte.
Einer solchen Fallgestaltung wird in dem auch von ihm verwendeten Formularantrag auf
Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht hinreichend Rechnung getragen, indem dort
durch bloßes Ankreuzen des entsprechenden Textvordrucks der Antrag mit Blick auf eine
beantragte Sozialleistung (bzw. Zuerkennung des RF-Merkzeichens) vorsorglich gestellt
werden kann. Der Kläger hat von dieser Möglichkeit einer vorsorglichen Antragstellung
indes keinen Gebrauch gemacht, obwohl ihm offenkundig bewusst war, dass der von ihm
bei der GEZ eingereichte Bescheid über Berufsausbildungsbeihilfe seine Gültigkeit vor einer
möglichen Entscheidung über seine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht verlieren
würde. Nur so lässt sich die handschriftliche Anmerkung auf dem betreffenden Bescheid
der Bundesagentur für Arbeit deuten, in welcher es zu dem zuletzt bis 31.7.2008
festgesetzten monatlichen Betrag heißt: "bleibt ungefähr gleich bis ans Ende meiner
Ausbildung".
Ist somit vom Kläger nichts Unmögliches, sondern allenfalls die in eigenen Angelegenheiten
gebotene Sorgfalt gefordert worden, ergeben sich insgesamt gesehen keine Anhaltspunkte
für die von ihm geltend gemachte Nichtigkeit des Ablehnungsbescheides vom 19.8.2008.
Der Ablehnungsbescheid ist auch nicht (schlicht) rechtswidrig.
Der Kläger folgert zunächst zu Unrecht, ihm stehe ein Anspruch auf Aufhebung des seines
Erachtens rechtswidrigen Ablehnungsbescheides vom 19.8.2008 und Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht für den Zeitraum von September 2008 bis einschließlich Mai
2009 schon deshalb zu, weil er mit seinem Antrag vom 18.5.2009 im Nachhinein die
Voraussetzungen für den von ihm geltend gemachten Befreiungsgrund für den gesamten
in Rede stehenden Zeitraum lückenlos nachgewiesen habe. Die von ihm damit verlangte
rückwirkende Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ist nämlich nicht zulässig.
Der Kläger nimmt insoweit rechtsirrig an, dass es, weil es sich vorliegend um eine
Verpflichtungsklage handelt, für die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheides vom
19.8.2008 bzw. die Prüfung des Anspruchs auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht
für den Zeitraum September 2008 bis einschließlich Mai 2009 auf den Zeitpunkt der
(letzten) mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung durch das Gericht ankommt.
Zwar ergibt sich aus dem Prozessrecht, dass ein Kläger im verwaltungsgerichtlichen
Rechtsstreit ebenso mit einem Aufhebungsbegehren wie mit einem
Verpflichtungsbegehren nur dann durchzudringen vermag, wenn er im Zeitpunkt der
letzten gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf die erstrebte Aufhebung des
Verwaltungsaktes bzw. auf die erstrebte Leistung hat. Ob ein solcher Anspruch in dem
einen oder anderen Sinne besteht, beurteilt sich jedoch nach dem materiellen Recht, dem
nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs selbst, sondern auch zu
entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Nur in
diesem Rahmen ist tendenziell davon auszugehen, dass es bei der Anfechtung eines
belastenden Verwaltungsaktes grundsätzlich auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten
Behördenentscheidung und bei einem mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten
Leistungsanspruch auf diejenige im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz
ankommt
so das BVerwG in ständiger Rechtsprechung bereits im Urteil vom
3.11.1987 - 9 C 254/86 – mit weiteren Nachweisen, zitiert nach
juris.
Mit anderen Worten handelt es sich bei dem vom Kläger herangezogenen Grundsatz zur
Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in
Abhängigkeit vom Klagetyp lediglich um eine juristische "Faustformel", die dann nicht
zutrifft, wenn das materielle Recht etwas anderes vorgibt. Letzteres ist hier der Fall, denn
aus der Regelung des § 6 Abs. 5 RGebStV, wonach die Befreiung von der
Rundfunkgebührenpflicht ab dem Monat zu gewähren ist, der dem Monat der
Antragstellung folgt, ergibt sich eindeutig, dass eine rückwirkende Befreiung nicht möglich
ist, und zwar selbst dann nicht, wenn die Befreiungsvoraussetzungen in der Vergangenheit
tatsächlich vorgelegen haben. Dies ist in der Rechtsprechung der saarländischen
Verwaltungsgerichtsbarkeit geklärt
siehe nur OVG des Saarlandes, Beschluss vom 9.2.2007 – 3 A
461/08 - und Urteil der Kammer vom 29.6.2010 -3 K 641/09 -.
Kommt es somit nach Maßgabe der materiellen Regelungen in § 6 RGebStV für die
Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht
ablehnenden Bescheides grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Antragstellung an, ist
abweichend hiervon in den Fällen, in welchen der nach § 6 Abs. 2 RGebStV zum Nachweis
eines Befreiungsgrundes erforderliche Bewilligungsbescheid (zunächst) nicht vorliegt, auf
den Zeitpunkt der Entscheidung über den Befreiungsantrag abzustellen
Gall/Siekmann, in: Hahn/Vesting, Kommentar zum Rundfunkrecht, 2.
Aufl. 2008, § 6 RGebStV Rdnr. 46 mit weiteren Nachweisen aus der
Rechtsprechung.
Hiervon ausgehend ergeben sich keine Anhaltspunkte für die vom Kläger geltend gemachte
Rechtswidrigkeit des Ablehnungsbescheides vom 19.8.2008.
Zunächst teilt das Gericht die mit der Klage geäußerten rechtlichen Bedenken hinsichtlich
der inhaltlichen Bestimmtheit des § 6 RGebStV nicht. Die Argumentation des Klägers, die
Vorschrift sei zu unbestimmt, weil sie keine Regelung für die Fälle enthalte, in denen ein
Bewilligungsbescheid nicht bereits mit dem Befreiungsantrag eingereicht werden könne,
vermag nicht zu überzeugen.
Zwar unterliegen dem für öffentliche Abgaben geltenden Bestimmtheitsgebot auch die
Vorschriften über die Erhebung von Rundfunkgebühren zur Finanzierung der öffentlich-
rechtlichen Rundfunkanstalten
siehe dazu im Einzelnen VGH München, Urteil vom 11.7.2001 - 7 B
00.2866 -, zitiert nach juris.
Die Regelungen des § 6 RGebStV sind indes hinreichend bestimmt. Diesen ist zweifelsfrei
zu entnehmen, dass nur ein genau bezeichneter Kreis von Begünstigten auf Antrag zu
befreien ist und die Voraussetzungen hierfür durch die Vorlage eines den Befreiungsgrund
bestätigenden Bescheides über Sozialleistungen oder festgestellte Behinderungen im
Original oder in beglaubigter Kopie nachzuweisen sind. Dabei muss der Nachweis
regelmäßig zusammen mit dem Antrag geführt werden, weil die Rundfunkanstalt bei ihrer
Entscheidung über die Befreiung an den Inhalt des Bewilligungsbescheides – insbesondere
hinsichtlich der Geltungsdauer der Befreiung (vgl. § 6 Abs. 6 Satz 1 RGebStV) - gebunden
ist und aus diesem Grunde über den Antrag erst entscheiden kann, wenn der
Bewilligungsbescheid vorliegt
Gall/Siekmann, a.a.O., § 6 RGebStV Rdnr. 42 mit weiteren
Nachweisen aus der Rechtsprechung.
Enthält somit § 6 RGebStV eine hinreichend bestimmte Regelung, bedarf es darüber hinaus
im Massenverfahren der Erhebung von Rundfunkgebühren keiner ausdrücklichen
Bestimmungen zu einzelnen Verfahrensmodalitäten in besonders gelagerten Fällen. Hier
gilt vielmehr der Grundsatz des § 10 Satz 2 SVwVfG, wonach das Verfahren einfach,
zweckmäßig und zügig durchzuführen ist. Mit Blick darauf erscheint es daher - auch
gemessen an § 6 Abs. 2 RGebStV - rechtlich unbedenklich, dass der Beklagte für die Fälle,
in denen ein Antragsteller einen zum Nachweis des von ihm geltend gemachten
Befreiungsgrundes erforderlichen Bewilligungsbescheid noch nicht erhalten hat, einen
vorsorglichen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (formularmäßig)
vorsieht.
Angesichts dessen ist die vom Kläger wegen einer unklaren oder unvollständigen
gesetzlichen Regelung befürchtete Benachteiligung von einkommensschwachen Bürgern
hinsichtlich des Rechts auf Informationsfreiheit bzw. Teilhabe am öffentlich-rechtlichen
Rundfunk nicht zu erkennen. Dies gilt umso mehr, als die Möglichkeit einer vorsorglichen
Antragstellung nicht nur aus dem Anmeldeformular ersichtlich ist, sondern die GEZ in ihren
Informationsschriften, die etwa auf ihrer Homepage im Internet
(www.gez.de/gebuehren/gebuehrenbefreiung...) eingesehen bzw. dort herunter geladen
werden können, ausführlich das Verfahren der Gebührenbefreiung sowie insbesondere die
vorsorgliche Antragstellung darstellt bzw. erläutert. Mit diesen allgemein zugänglichen
Informationen erfüllt die GEZ ihre Hinweispflichten.
Entgegen der Ansicht des Klägers traf die GEZ bzw. den Beklagten in seinem Fall keine
darüber hinausgehende Pflicht, ihn auf die Unzulänglichkeit seines Antrages und die hier
gebotene vorsorgliche Antragstellung hinzuweisen. Eine solche Verpflichtung der GEZ lässt
sich dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag nicht entnehmen, denn dort fehlt es an einer
Regelung wie derjenigen des - hier nicht einschlägigen - § 16 Abs. 3 SGB I, wonach die
Behörde verpflichtet ist, auf vollständige und sachdienliche Anträge hinzuwirken. Auch
würde eine derartige Verpflichtung die beabsichtigte Vereinfachung des Massenverfahrens
zur Gewährung der Gebührenbefreiung konterkarieren
in diesem Sinne zutreffend auch VG Ansbach, Urteile vom 2.1.2006 -
AN 5 K 05. 02954 - sowie vom 23.3.2006 - AN 5 K 05. 03096 -,
zitiert nach juris.
Aus dem gleichen Grund ist nach dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag keine Anhörung
bzw. damit verbundene Möglichkeit zur Nachbesserung eines Antrages vorgesehen. Eine
Anhörungspflicht ergibt sich ferner nicht gemäß § 28 Abs. 1 SVwVfG, weil diese Vorschrift
eine Anhörung lediglich vorschreibt für den Fall, dass ein Verwaltungsakt erlassen werden
soll, der in Rechte eines Beteiligten eingreift und daher nicht einschlägig ist, wenn - wie hier
- ein Antrag abgelehnt wird, durch den erstmals eine Rechtsposition gewährt werden soll
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG des Bundes, Kommentar, 7. Aufl.
2008, § 28 Rdnrn. 26 ff..
Ungeachtet dessen war dem Kläger vorliegend bereits damit gedient, dass die GEZ über
seinen bei ihr am 12.8.2008 eingegangenen Antrag rasch, und zwar mit Bescheid vom
19.8.2008, entschieden hat. Damit eröffnete sie ihm in zumutbarer Weise die Möglichkeit,
sich über die Verfahrensweise in Fällen der vorliegenden Art zu informieren (vgl. bereits
oben) und einen vorsorglichen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht noch
so rechtzeitig zu stellen, dass ihm entweder kein oder nur ein geringer Nachteil entstanden
wäre.
Der ursprüngliche Antrag des Klägers auf Rundfunkgebührenbefreiung scheiterte aufgrund
der Ablehnung wegen eines bereits "abgelaufenen" Bewilligungsbescheides auch nicht – wie
der Kläger meint - an einem lediglich formalen Kriterium. Entgegen der Ansicht des Klägers
ist nicht maßgebend, dass er einen Berufsausbildungsvertrag mit einer Laufzeit vorgelegt
hat, die den gesamten Zeitraum der von ihm begehrten Befreiung abdeckte und ihm mit
Blick auf diesen Vertrag bereits Berufausbildungsbeihilfe bewilligt worden war. Der
Berufsausbildungsvertrag ist nämlich weder ein nach den einschlägigen Vorschriften
vorgesehenes noch zum Nachweis der Voraussetzungen des hier geltend gemachten
Befreiungsgrundes taugliches Dokument, denn er beweist nur, dass ein Arbeitsvertrag mit
einer bestimmten vorgesehenen Laufzeit geschlossen worden ist. Mit anderen Worten ist
der Berufsausbildungsvertrag in Verbindung mit einer für einen bereits abgelaufen Zeitraum
bewilligten Beihilfe kein Beleg dafür, dass der Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe
weiterhin tatsächlich besteht.
Die Klage kann nach alledem keinen Erfolg haben und ist daher mit der Kostenfolge aus §§
154 Abs.1, 188 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Für eine Zulassung der Berufung besteht kein Anlass (vgl. §§ 124a Abs. 1 i.V.m. § 124
Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO).
Beschluss
Der Gegenstandswert wird gemäß §§ 2, 30 RVG auf 158,02 EUR (Rundfunkgebühr für
09/2008 bis einschließlich 05/2009) festgesetzt.