Urteil des OLG Frankfurt vom 18.08.2009

OLG Frankfurt: gesetzliche vermutung, arrestgrund, gegenseitigkeit, argentinien, zwangsvollstreckung, inhaber, gefährdung, glaubhaftmachung, aktivlegitimation, drucksache

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Gericht:
OLG Frankfurt 8.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 68/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 917 ZPO
Arrestgrund der Auslandsvollstreckung
Leitsatz
Der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung enthält eine unwiderlegbare gesetzliche
Vermutung, dass die Durchsetzung eines Anspruchs gefährdet ist, wenn seine
Vollstreckung in einem Staat erfolgen muss, mit dem die Gegenseitigkeit bei der
Zwangsvollstreckung nicht verbürgt ist. Die Regelung gilt ausnahmslos, wenn kein
nennenswertes Inlandsvermögen vorhanden ist. Sie gilt auch dann, wenn zwar im
Zeitpunkt des Arrestverfahrens noch Vermögen vorhanden ist, aber zu befürchten ist,
dass dieses bis zum Abschluss des Hauptverfahrens ins Ausland verbracht wird.
Tenor
Die Berufung des Arrestklägers gegen das am 9. 3. 2009 verkündete Arresturteil
des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2 – 21 O 63/09) wird zurückgewiesen.
Der Arrestkläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 106.860 €.
Gründe
I. Der Arrestkläger begehrt einen dinglichen Arrest zur Sicherung von Forderungen
aus teilweise endfälligen und teilweise gekündigten Inhaberschuldverschreibungen.
Er hat behauptet, Inhaber von Teilschuldverschreibungen der Arrestbeklagten
nebst Zinscoupons im Gesamtwert von 586.631,07 € zu sein. Da ein etwaiges
Hauptsacheurteil im Ausland zu vollstrecken wäre und die Gegenseitigkeit mit
Argentinien nicht verbürgt sei, liege ein Arrestgrund vor (§ 917 Abs. 2 ZPO). Da die
Notstandsgesetzgebung in Argentinien fort gelte, müsse auch davon
ausgegangen werden, dass besondere Schwierigkeiten bei einer dortigen
Vollstreckung aufträten (§ 917 Abs. 1 ZPO). Wegen der weiteren Einzelheiten des
Sach- und Streitstands wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen
Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main
verwiesen (Bl. 28 – 32 d. A.).
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass des dinglichen Arrests zurückgewiesen.
Der Arrestkläger habe zwar glaubhaft gemacht, dass die Gegenseitigkeit der
Zwangsvollstreckung mit Argentinien nicht verbürgt sei. Das allein reiche aber
nicht aus, weil die Arrestvorschriften wegen ihres Sicherungszwecks nur dann
anwendbar seien, wenn eine zusätzliche Eilbedürftigkeit im Zusammenhang mit
der Durchsetzbarkeit der Forderung vorliege. Das ergebe sich auch aus der
Entstehungsgeschichte der Normen, wo man die sog. „Auslandsvollstreckung“
(damals noch bezogen auf die einzelnen Länder des Deutschen Reichs) nicht
dergestalt habe privilegieren müssen, dass die mit § 917 Abs. 1 ZPO bekämpfte
Gefahr der Vollstreckungsvereitelung gänzlich entfallen sei. Angesichts der
gerichtsbekannten Vermögenssituation der Arrestbeklagten könne nicht von einer
drohenden Erschwerung oder Verschlechterung der Vollstreckungssituation des
Klägers ausgegangen werden. Es sei nicht ersichtlich, dass dem Arrestkläger in
dem Zeitraum zwischen seinem Arrestantrag und einem möglichen
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dem Zeitraum zwischen seinem Arrestantrag und einem möglichen
Hauptsachetitel Vollstreckungsmöglichkeiten verloren gehen könnten.
Der Arrestkläger hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er
wirft dem Landgericht Rechtsfehler bei der Auslegung des § 917 Abs. 2 ZPO vor.
Diese Vorschrift beinhalte einen privilegierten Arrestgrund, der allein auf die mit
der Auslandsvollstreckung verbundenen Erschwernisse abstelle. Das Landgericht
habe nicht unterstellen dürfen, dass die Vermögenssituation der Arrestbeklagten
so schlecht sei, wie von ihr vorgetragen und vor allem, dass sie sich in näherer
Zukunft nicht verändern werde. Das Landgericht habe von ihm auch nicht
verlangen dürfen, dass er Auskunft über konkrete Vollstreckungsmöglichkeiten in
Deutschland gebe.
Der Arrestkläger beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, wegen einer Forderung des
Arrestklägers aus Inhaberteilschuldverschreibungen der von der Arrestbeklagten
herausgegebenen Anleihenserien mit den Wertpapierkennnummern (WKN) …, …,
…, … und … samt jeweils fälliger Zinscoupons aus diesen
Inhaberschuldverschreibungen in Höhe von 586.631,07 € den dinglichen Arrest in
das gesamte Vermögen der Arrestbeklagten anzuordnen.
Die Arrestbeklagte beantragt,
die Berufung des Arrestklägers zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil, weil das Landgericht i. E. mit Recht die
fehlende Eilbedürftigkeit angenommen habe. Der Arrestgrund des § 917 Abs. 2
ZPO liege nicht vor, denn die zivilprozessualen Vorschriften Argentiniens würden
die Gegenseitigkeit bei der Zwangsvollstreckung deutscher Urteile verbürgen. Die
Arrestbeklagte habe keine Vermögenswerte außer Landes gebracht. Sämtliche
hier vorhandenen und nicht der Immunität unterliegenden
Vermögensgegenstände seien gepfändet worden. Im Übrigen bestreitet sie nach
wie vor die Aktivlegitimation und wendet ein, dass die Papiere nicht fristgerecht
vorgelegt worden seien und dass die Forderungen verjährt seien.
II. Die Berufung des Arrestklägers ist unbegründet, denn er hat nicht glaubhaft
gemacht, dass ihm ein Arrestanspruch zusteht. Dazu im Einzelnen:
1. Die Berechtigung, Ansprüche aus Inhaberschuldverschreibungen geltend zu
machen, steht dem Inhaber der Wertpapiere zu (§ 793 BGB). Die Inhaberschaft ist
im Arrestverfahren glaubhaft zu machen (§§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Dafür reicht es
aus, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Inhaberschaft des
Anspruchstellers spricht; der Vollbeweis muss nicht geführt werden (vgl. BGH
VersR 1976, 928; Stein/Jonas – Leipold, ZPO, 22. Aufl., Rn 7 zu § 294 ZPO m. w.
N.).
Der Arrestkläger hat vorgetragen, die streitgegenständlichen, in effektiven
Stücken verbrieften Schuldverschreibungen würden teilweise im Depot seiner
Bank, teilweise von ihm selbst verwahrt; außerdem sei er Inhaber eines
Miteigentumsanteils an einer global verbrieften Anleihe. Dazu hat er mit der
Antragsschrift eine Depotbestätigung vom 3. 2. 2009 der ...bank AG (Anlage K 1)
sowie Ablichtungen von Inhaber-Teilschuldverschreibungen vorgelegt (Anlage K 2).
Es kann offen bleiben, ob diese Unterlagen bei Einleitung des Eilverfahrens zur
Glaubhaftmachung des Arrestanspruchs ausreichend waren. Mit Rücksicht auf den
Zeitablauf bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat reichen
sie jedenfalls nicht aus.
Da es sich bei den von der Arrestbeklagten begebenen
Inhaberschuldverschreibungen um frei handelbare Wertpapiere handelt, verlangt
der Senat – ebenso wie das Landgericht – von einem Anspruchsteller, dass er zum
Nachweis seiner Anspruchsberechtigung entweder einen bei Schluss der
mündlichen Verhandlung zeitnahen Depotauszug oder dass er die Wertpapiere im
Original vorlegt (§ 420 ZPO). Dies ist dem Prozessbevollmächtigten des
Arrestklägers aus vorangegangenen Parallelverfahren (vgl. u. a. die Urteile vom
28. 11. 2008 - 8 U 243/07 und vom 31. 3. 2009 - 8 U 277/08) auch bekannt.
Beides ist hier nicht geschehen. Der Depotauszug vom 3. 2. 2009 kann nicht als
„zeitnah“ zur mündlichen Verhandlung vom 10. 7. 2009 angesehen werden. Der
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„zeitnah“ zur mündlichen Verhandlung vom 10. 7. 2009 angesehen werden. Der
Prozessbevollmächtigte des Arrestklägers hat im Senatstermin angegeben, ihm
lägen weder ein neuerer Depotauszug noch die Originale der
Inhaberschuldverschreibungen vor. Auch aus dem Inhalt der Verfahrensakte
ergeben sich keine weiteren Erkenntnisse für die Aktivlegitimation, denn dem
Protokoll der erstinstanzlichen Verhandlung lässt sich nicht entnehmen, dass der
Arrestkläger dort die Originale der als Anlage K 2 vorgelegten Kopien von
Wertpapieren vorgelegt hätte. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, aus den
bislang vorgelegten Unterlagen ausreichende Rückschlüsse auf die jetzige
Anspruchsberechtigung des Arrestklägers zu ziehen. Das gilt selbst dann, wenn
man zu seinen Gunsten annimmt, dass er zu Beginn des Verfahrens seine
Inhaberschaft glaubhaft gemacht hat, wenn man seine vorgerichtlichen Aktivitäten
heranzieht (z. B. dokumentiert in den Anlagen K 3 und K 5, K8 und K 9) und wenn
man berücksichtigt, dass er sich entschieden hat, die Durchsetzung seiner
Ansprüche gerichtlich sichern zu wollen. Nachdem die Arrestbeklagte in der
Berufungserwiderung die Anspruchsberechtigung nochmals und hinreichend
bestritten hatte (§ 138 Abs. 4 ZPO), hätte sich der Prozessbevollmächtigte des
Arrestklägers darauf einstellen müssen, dass er aktuelle Beweismittel für die
Glaubhaftmachung seines Arrestanspruchs beschaffen und vorlegen musste. Ein
zusätzlicher Hinweis des Senats war nicht erforderlich. Im Übrigen ist der
Prozessbevollmächtigte des Arrestklägers im Senatstermin auf die Bedenken zur
Glaubhaftmachung des Arrestgrundes hingewiesen worden. Er hat sich darauf
beschränkt, die verminderten Beweisanforderungen im Eilverfahren zu erwähnen,
was unter den bereits dargelegten Umständen nicht ausreichend war.
2. Auch wenn es für die Entscheidung dieses Falls nicht darauf ankommt, weist der
Senat darauf hin, dass er die Rechtsauffassung des Landgerichts zu § 917 Abs. 2
ZPO nicht teilt.
Der Arrestkläger hat glaubhaft gemacht, dass der Arrestgrund der
Auslandsvollstreckung vorliegt (§ 917 Abs. 2 ZPO). Es ist unstreitig, dass die
Arrestbeklagte in Deutschland nach wie vor nicht über nennenswertes pfändbares
Vermögen verfügt, so dass eine Vollstreckung des Hauptsachetitels in Argentinien
erforderlich werden wird. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 29. April 2008
(8 U 149/07) im Einzelnen begründet, warum es glaubhaft ist, dass die
Gegenseitigkeit der Vollstreckung in Argentinien nicht „verbürgt“ ist. An der
Sachlage hat sich in der Zwischenzeit nichts geändert.
Der Arrestgrund der Auslandsvollstreckung enthält eine unwiderlegbare
gesetzliche Vermutung, dass die Durchsetzung eines Anspruchs gefährdet ist,
wenn seine Vollstreckung in einem Staat erfolgen muss, mit dem die
Gegenseitigkeit bei der Zwangsvollstreckung nicht verbürgt ist. Der Gesetzgeber
folgert diese Gefährdung aus den mit der Auslandsvollstreckung in solchen
Staaten verbundenen Schwierigkeiten, weswegen eine konkrete Gefährdung der
Vollstreckung nicht glaubhaft gemacht werden muss (allg. Ansicht, vgl.
Schuschke/Walker a. a. O., Rn 63 vor §§ 916 ff. ZPO; weitere Nachweise bei Berger:
Einstweiliger Rechtsschutz im Zivilrecht, 2. Teil, Kap. 4, FN 82 in Rn 22).
Die Regelung gilt ausnahmslos, wenn – wie hier – kein nennenswertes
Inlandsvermögen vorhanden ist (Schuschke/Walker a. a. O., Rn 6 zu § 917 ZPO).
Sie gilt auch dann, wenn zwar im Zeitpunkt des Arrestverfahrens noch Vermögen
vorhanden ist, aber zu befürchten ist, dass dieses bis zum Abschluss des
Hauptverfahrens ins Ausland verbracht wird (vgl. KG – Report 2002, 356;
Münchener Kommentar zur ZPO/Drescher, 3. Aufl, Rn 10 zu § 917 ZPO).
Die Auffassung des Landgerichts lässt sich auch nicht mit den gesetzgeberischen
Motiven des Reichsgesetzgebers zu § 741 CPO rechtfertigen. Es mag sein, dass
die Regelung in § 742 CPO in erster Linie zur Vereinheitlichung der Bestimmungen
der Auslandsvollstreckung im Reich intendiert war und keine Privilegierung
beinhalten sollte. Wenn das aber der einzige Grund gewesen wäre, so hätte diese
Sonderregelung bei der Reform der Arrestvorschriften (zuletzt durch das
Beweisaufnahmedurchführungsgesetz BGBl I, S. 2166, 2168) gänzlich gestrichen
werden können. Die Materialien zur Novelle des § 917 Abs. 2 ZPO belegen jedoch,
dass der Gesetzgeber hier ein Privileg schaffen wollte, weil er schon in der
Auslandsvollstreckung eine Gefährdung der Anspruchsdurchsetzung sieht (BT-
Drucksache 13/10871, S. 18; BT-Drucksache 15/1062, S. 8).
Da das Rechtsmittel des Arrestklägers erfolglos bleibt, hat er die Kosten des
Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).Das Urteil ist rechtskräftig, weil
Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).Das Urteil ist rechtskräftig, weil
der Instanzenzug im Eilverfahren beim Berufungsgericht endet (§ 542 Abs. 2 S. 1
ZPO). Der Streitwert ist mit 1/3 der Hauptsacheforderung angesetzt worden
(Zöller – Herget, ZPO, 26. Aufl., Rn 16 zu § 3 ZPO). Da bei der Hauptsacheklage
die Zinsforderungen außer Betracht bleiben (§ 4 ZPO), ist dieser Bruchwert nur
aus dem Nennwert der zu sichernden Schuldverschreibungen ermittelt worden.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.