Urteil des OLG Brandenburg vom 09.01.2009

OLG Brandenburg: schmerzensgeld, motorradfahrer, mitverschulden, mensch, behandlung, verkehrsunfall, fahren, erheblichkeit, link, quelle

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 29/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 253 BGB, § 254 Abs 1 BGB, §
823 Abs 1 BGB
Haftung bei Verkehrsunfall: Mitverschulden eines ansonsten
schuldlosen Motorradfahrers infolge Fahrens ohne
Schutzbekleidung; Schmerzensgeld für Sturzverletzungen
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 9. Januar 2009 verkündete Urteil der 2.
Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Neuruppin, Az.: 2 O 281/08, wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von den Beklagten ein Schmerzensgeld in Bezug auf einen
Verkehrsunfall vom 22.09.2005, hinsichtlich dessen eine Alleinschuld des Beklagten zu 1.
zwischen den Parteien nicht streitig ist. Der Kläger erlitt diverse im Tatbestand des
landgerichtlichen Urteils näher dargestellte Verletzungen, aufgrund derer er ein
Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 € sowie weitergehend eine Unterhaltsrente von
monatlich 250,00 € für angemessen erachtet. Wegen der weiteren Einzelheiten zum
Sachverhalt wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.
Das Landgericht hat die Klage unter Zuerkennung des Feststellungsbegehrens im
Übrigen abgewiesen und gemeint, dass das von der Beklagten zu 2. gezahlte
Schmerzensgeld von 14.000,00 € unter Berücksichtigung der von den Beklagten
angeführten ähnlich gelagerten Fälle angemessen sei, um die bereits erlittenen
immateriellen Schäden zu kompensieren. Eine Schmerzensgeldrente sei nicht
zuzusprechen. Eine solche komme in der Regel nur bei schweren oder schwersten
Dauerschäden in Betracht, wie z. B. einem Hirnschaden oder einer
Querschnittslähmung, die hier nicht vorlägen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 19.01.2009 zugestellte Urteil mit einem am
17.02.2009 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz
Berufung eingelegt und diese mit einem am 19.03.2009 eingegangenen Schriftsatz
begründet.
Er verfolgt sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter und macht
geltend, dass das Urteil des Landgerichts keinerlei Hinweise dafür biete, nach welchen
Kriterien das Schmerzensgeld bemessen worden sei. Die bloße Bezugnahme auf die von
den Beklagten zitierten Entscheidungen in der Schmerzensgeldtabelle reiche nicht aus.
Zu dem hier maßgeblichen Einzelfall, zu dem auch das Regulierungsverhalten der
Beklagten zu 2. gehöre, habe sich das Landgericht nicht verhalten. Insbesondere seien
die einzelnen dargestellten Unfallfolgen nicht gewürdigt worden. Ebenso habe das
Landgericht in Bezug auf die Schmerzensgeldrente den beim Kläger vorliegenden
dauernden schweren Körperschaden nicht hinreichend gewürdigt. Die Feststellung des
Landgerichts, die Verletzungen des Klägers seien bis auf die Narben weitestgehend gut
verheilt, und es seien keine weiteren Dauerschäden zurückgeblieben, sei nicht
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verheilt, und es seien keine weiteren Dauerschäden zurückgeblieben, sei nicht
nachvollziehbar. Bereits in der Klageschrift sei vorgetragen worden, dass das linke Bein
extrem wetterfühlig sei und sowohl bei niedrigen Temperaturen als auch bei
Wetterumschwüngen dem Kläger Schmerzen bereite. Er könne die Zehen nicht
vollständig zum Körper anziehen und das linke Bein sei anfangs vom Knie an abwärts
taub gewesen. Das Taubheitsgefühl habe sich zwar mit der Zeit gebessert, der Kläger
habe aber nach wie vor auf dem Spann ein taubes Gefühl.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner unter teilweiser Abänderung des Urteils des
Landgerichts Neuruppin vom 09.01.2009, Az.: 2 O 281/08, zu verurteilen, an ihn
1. ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.09.2005 zu zahlen,
2. 7.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 06.10.2008 zu zahlen sowie
3. ab dem 01.08.2008 bis zu seinem Ableben jeweils zahlbar bis zum 1. eines
jeden Monats eine Rente in Höhe von 250,00 € zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Ausgehend von der - unstreitig bestehenden - vollen Haftung der Beklagten steht dem
Kläger über den von den Beklagten als Schmerzensgeld gezahlten Betrag in Höhe von
14.000,00 € hinaus kein weiteres Schmerzensgeld aus § 253 BGB mehr zu. Der Kläger
rügt zwar zu Recht, dass das Urteil des Landgerichts eine tragfähige Begründung für die
Schmerzensgeldbemessung nicht enthält; im Ergebnis erscheinen jedoch die
Zuerkennung eines höheren Schmerzensgeldes oder gar einer Schmerzensgeldrente
nicht geboten.
1. Der Entscheidung des Landgerichts ist bereits nicht zu entnehmen, ob es bei der
Schmerzensgeldbemessung die zwischen den Parteien streitigen und im Tatbestand des
angefochtenen Urteils auch zu Recht als streitig dargestellten Verletzungen in die
Schmerzensgeldbemessung einbezogen hat oder nicht. Sollen sie in die
Schmerzensgeldbemessung einfließen, so würde dies grundsätzlich die Durchführung
einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erfordern, es
sei denn, das von den Beklagten gezahlte Schmerzensgeld von insgesamt 14.000,00 €
wäre auch für den Fall der Mitberücksichtigung der vom Kläger vorgetragenen
Folgeschäden noch ausreichend. So liegen die Dinge aus Sicht des Senats hier.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion
zu berücksichtigen. Dabei kommt es auf die Höhe und das Maß der
Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der
Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychischen Beeinträchtigungen, wobei Leiden
und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der
Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlungen, den
Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden
(Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 9. Aufl., Rn. 274 ff). Dabei muss
die Entschädigung zu Art und Dauer der erlittenen Schäden in eine angemessene
Beziehung gesetzt werden (BGH VersR 1976, 968; OLG Hamm MDR 2003, 1249). Zu
berücksichtigen ist auch ein etwaiges Mitwirken des Verschuldens des Verletzten, wobei
dieses bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes einen Bemessungsfaktor darstellt
und von vornherein derjenige Schmerzensgeldbetrag zuzubilligen ist, der unter
Berücksichtigung des Mitverschuldensanteils angemessen erscheint (BGH VersR 1970,
624; Küppersbusch, a.a.O., Rn. 282). Der Kläger erlitt bei dem Unfall im Bereich des
linken Kniegelenks oberhalb der Kniescheibe eine waagerechte, 5 cm lange Riss-
/Quetschwunde und unterhalb der Kniescheibe mehrere kleine Riss-/Quetschwunden mit
Hautabschürfungen bis in die Lederhaut im Bereich des linken Kniegelenks und des
linken Unterschenkels, im Bereich vor dem Schienenbein einen Bluterguss über den
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linken Unterschenkels, im Bereich vor dem Schienenbein einen Bluterguss über den
gesamten Unterschenkel, eine Schwellung im Bereich des Wadenbeins, eine Druck- und
Bewegungsschmerzhaftigkeit im Bereich des Sprunggelenks mit einem leichten
Bluterguss, eine leicht herabgesetzte Empfindung von Sinnesreizen im Bereich des
linken Fußrückens, eine nicht dislozierte Avulsionsfraktur der ventralen distalen Tibia links
und wurde in der Zeit vom 22.09. bis 09.11.2005 stationär behandelt. Es wurde eine
chirurgische Versorgung der Wunden erforderlich, und im Verlauf der stationären
Behandlung hatte sich krankhaftes von gesundem Gewebe am linken Unterschenkel
getrennt, und es kam zu einer trockenen Hautnekrose, die am 13.10.2005 entfernt
wurde. Am 25.10.2005 wurde großflächig Spalthaut vom linken Oberschenkel an den
linken Unterschenkel transplantiert. Nach seiner Entlassung wurde der Kläger ambulant
weiterbehandelt und war bis zum 13.01.2006 arbeitsunfähig. Es sind erhebliche Narben
am linken Ober- und Unterschenkel zurückgeblieben. Hinsichtlich der Folgeschäden
behauptet der Kläger, dass nach wie vor eine Bewegungseinschränkung und
Schwellneigung des linken Beines vorliege und er sich nicht altersgerecht - sportlich -
betätigen könne, aufgrund der schwerwiegenden Weichteilverletzung sei die linke Wade
unförmig und unansehnlich entstellt und es sei ein erhebliches Narbenareal am linken
Bein zurückgeblieben.
Selbst unter Berücksichtigung von Ausmaß und Schwere sämtlicher vom Kläger
dargestellten Verletzungen und Folgeschäden erscheint nicht zuletzt auch unter
Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger an den Beinen keine Schutzkleidung
getragen hat, ein Schmerzensgeld in Höhe von 14.000,00 € angemessen. Dabei
orientiert sich der Senat auch zum Teil an ansatzweise vergleichbaren Entscheidungen,
in denen Schmerzensgelder in einer ähnlichen Größenordnung für angemessen erachtet
wurden. So hat der Senat in einer Entscheidung vom 20.12.2007, Az.: 12 U 141/07, ein
Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 € für folgende Verletzungen für angemessen
erachtet: Der Geschädigte hatte eine offene Unterschenkelschaftfraktur rechts mit
einem beginnenden Compartmentsyndrom, also einer schmerzhaften muskulären
Bewegungseinschränkung als Komplikation eines Bruches erlitten, befand sich etwa 7
Wochen in stationärer Behandlung und sah sich 5 operativen Eingriffen ausgesetzt, u. a.
auch einer Hauttransplantation vom rechten Oberschenkel; als Folgeschäden verblieben
eine Beeinträchtigung des Gangbildes, eine Muskelminderung am rechten Oberschenkel,
Operationsnarben sowie Bewegungseinschränkungen im rechten Kniegelenk und im
rechten oberen und unteren Sprunggelenk, wobei der rechte Unterschenkel um 1 cm
verkürzt war. Vorliegend hat ein schmerzhaftes Compartmentsyndrom gerade nicht
vorgelegen und auch im Übrigen sind die Beeinträchtigungen und Dauerschäden, die der
Senat in der zuvor dargestellten Entscheidung zu bewerten hatte, gravierender, wobei
auf der anderen Seite aber auch ein Mitverursachungsbeitrag an dem Unfallgeschehen
von einem Drittel bei der Schmerzensgeldbemessung zu berücksichtigen war. Das OLG
Hamm (OLGR 2001, 221) hat ein Schmerzensgeld von rd. 9.000,00 € unter
Berücksichtigung einer Mithaftung des Klägers von einem Drittel für angemessen
erachtet in einem Fall, in dem der Geschädigte mehrere tiefe Wunden am Fuß und im
Bereich des Kniegelenks erlitten hat sowie einen Defekt der Zehenstrecker und des
Fußwurzelknochens. Das Sprunggelenk war über einen Zeitraum von etwas mehr als 5
Wochen mit einem Fixateur externe versehen worden, und es musste auch eine
Hauttransplantation vom Oberschenkel vorgenommen werden. Dadurch kam es zu
einem 23 cm langen und 3 cm breiten Narbenstreifen am rechten Oberschenkel. Ähnlich
wie hier war der Geschädigte etwa 3 1/2 Monate arbeitsunfähig und litt in der Folge an
einer Sensibilitätsstörung am rechten Knie und am Fußrücken sowie einer
Bewegungseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenks und an einem Verlust der
Streckfähigkeit der Zehen 3 - 5 des rechten Fußes. Es wurde eine dauerhafte Minderung
der Erwerbstätigkeit von 20 % attestiert. In der von den Beklagten zitierten Entscheidung
des OLG Hamm aus dem Jahre 1998 mussten bei einer 27-jährigen Frau ebenfalls
mehrfache Operationen mit Hauptverpflanzungen vom rechten Bein vorgenommen
werden, wodurch es zu erheblichen optischen Entstellungen des linken Beins gekommen
ist, wobei überdies Knie und Fuß nicht mehr voll abgebogen und damit längere Strecken
bergauf oder bergab nur unter Schwierigkeiten bewältigt werden konnten. Die Klägerin
litt entsprechend den Feststellungen des Gerichts unter den Entstellungen, und ihre
sportlichen Aktivitäten waren stark eingeschränkt. Für die Operationen und
Transplantationen war ein stationärer Aufenthalt von immerhin knapp 10 Monaten
erforderlich geworden. Das OLG Hamm hat ein Schmerzensgeld von 15.000,00 € für
angemessen erachtet, ebenso wie das OLG München in einer Entscheidung aus dem
Jahre 1998 bei einer Beinverletzung und Weichteilnekrosen einhergehend mit
entstellenden Narben und einer Beinverkürzung um 1,5 cm mit dem Dauerschaden
einer Gehbehinderung (vgl. Slizyk, Beck’sche Schmerzensgeldtabelle, lfd. Nr. 2570, S.
468). Demgegenüber hat der Kläger keine zumindest im Ansatz vergleichbare
Entscheidung benannt, die ein Schmerzensgeld in der von ihm für mindestens
gerechtfertigten Größenordnung von 25.000,00 € begründet erscheinen lassen könnte.
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gerechtfertigten Größenordnung von 25.000,00 € begründet erscheinen lassen könnte.
Ein solches Schmerzensgeld hat das OLG Saarbrücken (NJW 2008, 1166 f) in einem Fall
für angemessen erachtet, bei dem ebenfalls operative Eingriffe mit
Hauttransplantationen erforderlich wurden und der Geschädigte erwiesener Maßen auch
weiterhin unter Schmerzen litt und es ebenfalls zu erheblichen Narbenbildungen
gekommen war. Insgesamt hat der Geschädigte bei dem Unfall aber auch einen
Beckenbruch, eine Radiusfraktur, einen Schädelbruch, eine Orbitabodenfraktur
(Augenhöhlenbodenbruch), eine Unterkieferfraktur sowie Verbrennungen am rechten
Oberschenkel erlitten. Er hatte bei dem Unfall Todesangst und litt auch weiterhin unter
Schlafstörungen sowie Angstträumen, einhergehend mit äußerlichen Entstellungen
durch die Narbenbildung in sämtlichen zuvor dargestellten Bereichen zzgl. einer
schmerzhaften Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk. Außerdem war im
Rahmen der Genugtuungsfunktion eine vorsätzliche Herbeiführung des Unfalls aus
nichtigem Anlass zu berücksichtigen. Hiervon sind die Beeinträchtigungen, unter denen
der Kläger zu leiden hat, ungeachtet ihrer nicht zu verkennenden, durchaus
vorhandenen Erheblichkeit weit entfernt.
Schließlich ist auch in gewissem Umfang - wie bereits in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat erörtert - ein Mitverschulden des Klägers insoweit anzunehmen, als er an
den Beinen keine Schutzkleidung getragen hat, sondern lediglich mit einer Stoffhose
bekleidet war. Zwar existieren anders als bei der Helmpflicht keine gesetzlichen
Vorschriften darüber, dass jeder Motorradfahrer über das Tragen eines Helmes hinaus
insgesamt eine Motorradschutzkleidung zu tragen hat. Ein Mitverschulden des
Verletzten ist aber auch bereits dann anzunehmen, wenn er diejenige Sorgfalt außer
Acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen
Schadens anzuwenden pflegt (BGH NJW 1979, 980, in einem Fall, in dem der
Geschädigte noch vor Einführung der Helmpflicht keinen Helm getragen hat). Zu
berücksichtigen sind bei der Beantwortung der Frage, ob ein so genanntes Verschulden
gegen sich selbst vorliegt, die konkreten Umstände und Gefahren im Verkehr sowie der
Gesichtspunkt, was den Verkehrsteilnehmern zuzumuten ist, um diese Gefahren
möglichst gering zu halten. Eine Schutzbekleidung hat die primäre Aufgabe, den
Motorradfahrer vor den negativen Folgen eines Sturzes zu schützen bzw. diese zu
vermindern. Aufgrund der Instabilität des Fahrzeugs ist der Motorradfahrer nicht nur bei
Rennveranstaltungen, sondern auch im normalen Straßenverkehr besonders gefährdet.
Deshalb empfehlen sämtliche maßgeblichen Verbände, die sich u. a. mit der Sicherheit
und im Besonderen auch mit der Motorradsicherheit befassen, einen Schutz bei jeder
Fahrt mit sicherer Motorradbekleidung. Entsprechende Empfehlungen findet man z. B.
beim ADAC, beim Institut für Zweiradsicherheit (ifz), das zudem eine Statistik
veröffentlich hat, wonach die Verletzungshäufigkeit gerade im Bereich der Beine bei etwa
80 % liegt, sowie des Deutschen Verkehrssicherheitsrates e. V. Letztgenannter hat im
Jahre 2008 beschlossen, an die Motorradfahrer zu appellieren, Schutzkleidung
einschließlich Protektoren zu tragen. Die meisten Motorradfahrer empfinden es
heutzutage als eine persönliche Verpflichtung, mit Schutzkleidung zu fahren. Jeder weiß,
dass das Fahren ohne Schutzkleidung ein um ein vielfaches höheres Verletzungsrisiko in
sich birgt, wobei natürlich nicht verkannt werden soll, dass auch mit dem Tragen von
Motorradschutzkleidung nicht jeglichen Verletzungsgefahren entgegengewirkt werden
kann. Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, zu welchen Leistungen das
Motorrad letztlich in der Lage ist. Auch für „kleine Maschinen“ kann auf Schutzkleidung
zur Vermeidung schwerer Verletzungen nicht verzichtet werden. Dass es ungeachtet von
Überlegungen (auch in der EU) zur Einführung einer Tragepflicht von Motorradkleidung
noch nicht zu einer entsprechenden normierten Festlegung gekommen ist, ändert nichts
an der Tatsache, dass ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung
eigenen Schadens eine Schutzkleidung trägt und er, sofern er darauf verzichtet, bewusst
ein erhebliches Verletzungsrisiko im Falle eines Unfalls eingeht und es deshalb
sachgerecht erscheint, im Rahmen der Bemessung des Schmerzensgeldes ein
Verschulden gegen sich selbst schmerzensgeldmindernd zu berücksichtigen (so auch -
allerdings ohne Begründung - OLG Düsseldorf NZV 2006, 415 f).
Vorliegend hat der Kläger auf das Tragen einer Schutzkleidung ausgerechnet an den
Beinen (Kopf und Oberkörper waren hinreichend geschützt), also dort, wo die
Verletzungsgefahr am Größten ist, verzichtet. Es kann ohne weiteres davon
ausgegangen werden, dass jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil der am linken Bein
erlittenen Verletzungen wie Prellungen und Riss-wunden, die eine umfangreiche
chirurgische Wundversorgung erforderten, nicht eingetreten wären, wenn der Kläger
auch an den Beinen eine Schutzbekleidung getragen hätte.
Bei der Schmerzensgeldbemessung nicht zu berücksichtigen ist der Vortrag des Klägers
zu einer etwaigen beabsichtigten Aufnahme des Wehrdienstes, verbunden mit der
Prüfung, sich dort möglicherweise längerfristig zu verpflichten. Dieser Gesichtspunkt wird
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Prüfung, sich dort möglicherweise längerfristig zu verpflichten. Dieser Gesichtspunkt wird
mit der Berufungsbegründung nicht mehr ausdrücklich aufgegriffen und ist auch deshalb
zu vernachlässigen, weil die diesbezüglichen Absichten viel zu unklar formuliert sind und
im Übrigen auch nicht ersichtlich ist, weshalb die Bundeswehr für den Kläger im Vergleich
zu seiner jetzigen Berufstätigkeit (er hat im Juli 2008 die Lehre zum
Holzbearbeitungsmechaniker beendet) vorzugswürdig gewesen wäre. Vor diesem
Hintergrund kommt es auch auf den erstinstanzlich bestehenden Streit zwischen den
Parteien, inwieweit die dem Kläger bescheinigte Wehrdienstunfähigkeit auf die
Unfallverletzungen zurückzuführen ist, nicht weiter an.
Auch ein zögerliches Regulierungsverhalten der Beklagten kommt
schmerzensgelderhöhend nicht in Betracht. Soweit ein solches im Einzelfall
schmerzensgelderhöhend berücksichtigt werden kann, liegen die Voraussetzungen
hierfür im vorliegenden Fall nicht vor. Inwieweit die bereits 2006 nach und nach gezahlten
Beträge auch vor dem Hintergrund dessen, dass diese nicht zugleich als
Schmerzensgeldzahlungen bezeichnet worden waren, das Leiden des Klägers spürbar
erhöht haben sollen, ist nicht erkennbar.
2. Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf die Zuerkennung einer
Schmerzensgeldrente zu. Eine solche kommt nur in Betracht bei schweren lebenslangen
Dauerschäden, die der Verletzte immer wieder schmerzlich empfindet, etwa bei
Querschnittslähmungen oder schwersten Hirnschäden (vgl. Küppersbusch a.a.O., Rn.
298 m.w.N.). Derartige schwere Dauerschäden bestehen im Streitfall nicht, selbst wenn
man die Richtigkeit des Klägervortrages zu den Folgeschäden unterstellt. Daran vermag
auch der Umstand nichts zu ändern, dass beim Kläger am linken Bein großflächig
Narben zurückgeblieben sind, die in bestimmten Situationen auch immer wieder
Schmerzen verursachen können. Narbenbildungen, die im Einzelfall tatsächlich einmal
eine Schmerzensgeldrente begründen können, liegen hier nicht vor, zumal es sich
insbesondere um keine ständig sichtbaren Entstellungen wie z. B. im Gesicht handelt,
sondern am Bein, die weitestgehend durch das Tragen einer langen Hose überdeckt
werden können. Soweit dies bei Ausführung bestimmter Aktivitäten wie z. B. dem
Schwimmen nicht möglich ist, kann dieser Beeinträchtigung durch die grundsätzlich zu
leistende Kapitalentschädigung in Form einer Einmalzahlung hinreichend Rechnung
getragen werden.
Unabhängig von alledem wäre bei einer Schmerzensgeldrente darauf zu achten, dass
der Kapitalbetrag in Addition mit dem kapitalisierten Rentenbetrag ein
Gesamtschmerzensgeld ergibt, das in einer Größenordnung annähernd einem lediglich
als Einmalbetrag ausgezahlten Schmerzensgeld entspricht (Slizyk, S. 102). Ausgehend
von der vom Kläger für angemessen erachteten monatlichen Rente von 250,00 € würde
dies bereits bei einer Lebenserwartung von lediglich 70 Jahren ein
Gesamtschmerzensgeld von nahezu 180,000,00 € ergeben, welches zu den hier zu
bewertenden Verletzungen völlig außer Verhältnis steht.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 S. 1
ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht. Es
handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die unter Berücksichtigung der
Besonderheiten der hier maßgeblichen Umstände ergeht und die zu grundsätzlichen
Rechtsfragen auch nicht von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abweicht.
Streitwert für das Berufungsverfahren:
insgesamt 33.000,00 € (11.000,00 € für den Antrag zu 1., 7.000,00 € für den Antrag zu
2. und 15.000,00 € für den Antrag zu 3.)
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