Urteil des OLG Brandenburg vom 03.04.2008
OLG Brandenburg: konstitutive wirkung, bauer, vergütung, beschwerderecht, zorn, anmerkung, familienrecht, freizeit, sammlung, leitbild
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 WF 167/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1836 Abs 1 S 2 BGB, § 70b
FGG, § 67a Abs 2 FGG, § 50 FGG
Verfahrenspflegschaft: Anspruch eines zum Verfahrenspfleger
bestellten Rechtsanwalts auf nachträgliche Feststellung der
Berufsmäßigkeit im Zusammenhang mit einem
Unterbringungsverfahren
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Verfahrenspflegerin die Pflegschaft berufsmäßig führt.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden
nicht erstattet.
Gründe
I.
Am 3.4.2008 hat die Mutter beantragt, ihren Sohn in einer geschlossenen Einrichtung
unterzubringen. Durch Beschluss des Amtsgerichts vom selben Tag ist die
Beschwerdeführerin gemäß § 70 b FGG zur Verfahrenspflegerin bestellt worden. Unter
dem 11.4.2008 hat die Mutter ihren Antrag auf geschlossene Unterbringung
zurückgenommen. Mit Schreiben vom 21.4.2008, später mit Schreiben vom 30.6.2008
korrigiert, hat die Beschwerdeführerin die Festsetzung einer Vergütung beantragt. Auf
den Hinweis des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Frankfurt (Oder), wonach ein
Anspruch auf Vergütung nur bestehe, wenn sie als Verfahrenspflegerin berufsmäßig tätig
geworden sei, hat die Beschwerdeführerin unter dem 2.7.2008 beantragt, den
Bestellungsbeschluss vom 3.4.2008 dahingehend zu ergänzen, dass sie ihre Tätigkeit als
Verfahrenspflegerin berufsmäßig ausführe. Durch den angefochtenen Beschluss hat das
Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine
nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit komme angesichts des eindeutigen
Wortlauts der Vorschrift des § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Betracht. Gegen diese
Entscheidung wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrem Rechtsmittel. Sie weist
insbesondere darauf hin, dass das Amtsgericht in anderen Fällen, in denen sie als
Verfahrenspflegerin tätig geworden sei, eine nachträgliche Feststellung der
berufsmäßigen Ausübung vorgenommen habe. Sollte das Amtsgericht schon bei der
Bestellung davon ausgegangen sein, die Pflegschaft werde nicht berufsmäßig ausgeübt,
so handele es sich um eine unzulässige aufgezwungene ehrenamtliche Tätigkeit.
II.
Die zulässige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen
Entscheidung. Antragsgemäß ist die Feststellung zu treffen, dass die
Beschwerdeführerin die Pflegschaft berufsmäßig führt.
1.
Allerdings handelt es sich bei der Bestellung eines Verfahrenspflegers um eine
Zwischenentscheidung (vgl. Keidel/Kayser, FGG, 15. Aufl., § 67, Rz. 18; Keidel/Engelhardt,
a.a.O., § 50, Rz. 47). Zwischenentscheidungen sind grundsätzlich unanfechtbar, es sei
denn, durch sie wird unmittelbar in die Rechte eines Beteiligten eingegriffen (vgl.
BayObLG, FamRZ 1996, 1023; Brudermüller, in: Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein,
Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 6. Aufl., 1. Kap., Rz. 31; Keidel/Kahl, a.a.O., §
19, Rz. 9). Bei der Bestellung eines Verfahrenspflegers für das Kind gemäß § 50 FGG ist
umstritten, ob den Eltern bzw. dem Kind wegen eines Eingriffs in Grundrechte ein
Beschwerderecht zusteht (vgl. hierzu Keidel/Engel-hardt, a.a.O., § 50, Rz. 45 ff.;
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Beschwerderecht zusteht (vgl. hierzu Keidel/Engel-hardt, a.a.O., § 50, Rz. 45 ff.;
Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 4. Aufl., § 50, Rz. 28 f.; Maier, in:
Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, a.a.O., 4. Kapitel, Rz. 330).
Dem Verfahrenspfleger kann ein Beschwerderecht zustehen, wenn er, ohne dass seine
diesbezügliche Bereitschaft vorher erfragt worden ist, (vgl. zu dieser Problematik Rogalla
in: Salgo/ Zenz/Fegert/Bauer/Weber/Zitelmann, Verfahrenspflegschaft für Kinder und
Jugendliche, Rz. 1069), bestellt wird (vgl. Johannsen/Henrich/Brudermüller, a.a.O., § 50,
Rz. 29 und zu der Frage, ob im Falle der §§ 50, 70 b FGG eine Übernahmepflicht besteht,
obwohl die Vorschriften der §§ 1785, 1788 Abs. 1, 1915 Abs. 1 BGB nicht unmittelbar
gelten, Bienwald, Verfahrenspflegschaft, 2002, Rz. 305 ff., 752 ff.; Bienwald,
Verfahrenspflegschaft, 2002, Rz. 305 ff., 752 ff.; Bienwald, Anmerkung zu BVerfG, FamRZ
2000, 1280, 1283). Ein Eingriff in seine Rechte, der ein Beschwerderecht nach § 19 FGG
nach sich zieht, ist aber auch dann gegeben, wenn er zur Führung der
Verfahrenspflegschaft grundsätzlich bereit ist, jedoch beanstandet, dass im
Bestellungsbeschluss die Feststellung, er übe die Pflegschaft berufsmäßig aus,
unterblieben ist (BGH, FamRZ 2006, 110, 114; BayObLG, FamRZ 2001, 868; OLG
Frankfurt, FamRZ 2001, 790; Zimmermann, FamRZ 1999, 630, 632; Wagenitz/Engers,
FamRZ 1998, 1273, 1274; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1836
BGB, Rz. 9; Jansen/Zorn, FGG, 3. Aufl., § 50, Rz. 90; Bauer, in:
Salgo/Zenz/Fegert/Bauer/Weber/Zitelmann, a.a.O., Rz. 1267, 1331; Dodegge, in:
Dodegge/Roth, Betreuungsrecht, 2. Aufl., Teil F, Rz. 71). Das Beschwerderecht folgt
schon daraus, dass die gerichtliche Anerkennung der berufsmäßigen Führung der
Pflegschaft für die Vergütung konstitutive Wirkung hat (BayObLG, a.a.O.;
Wagenitz/Engers, a.a.O.; Staudinger/Bienwald, BGB, Januar 2004, § 1836, Rz. 47; anders
noch Bienwald, Verfahrenspflegschaft, 2002, Rz. 750 f.).
Das zulässige Rechtsmittel gegen die Zwischenentscheidung ist die einfache
Beschwerde nach § 19 FGG. Die besonderen Voraussetzungen, die § 56 g Abs. 5 FGG für
die Beschwerde im Rahmen des Vergütungsfestsetzungsverfahrens vorsieht, gelten hier
nicht, da die Feststellung der Berufsmäßigkeit Teil des Verfahrens zur Bestellung des
Betreuers, nicht Teil des Vergütungsverfahrens ist (BayObLG, a.a.O.; Zimmermann,
a.a.O.).
2.
berufsmäßigen Führung der Pflegschaft zu treffen, sind gegeben.
a)
hat, ist hier noch nachträglich möglich.
aa)
a FGG entsprechend, § 70 b Abs. 1 Satz 3 FGG. § 67 a Abs. 2 Satz 1 FGG wiederum sieht
die entsprechende Geltung von § 1836 Abs. 1 und 3 BGB vor. Entsprechend § 1836 Abs.
1 Satz 1 BGB wird die Pflegschaft unentgeltlich geführt. Sie wird ausnahmsweise
entgeltlich geführt, wenn das Gericht bei der Bestellung des Pflegers die Feststellung der
Berufsmäßigkeit trifft, § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend. Daher ist die Frage der
berufsmäßigen Führung der Pflegschaft grundsätzlich bei der Bestellung zu klären. Denn
das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung soll nicht mit einem Streit über die
Berufsmäßigkeit belastet und die Klärung von Zweifelsfragen deshalb in das
Bestellungsverfahren vorverlagert werden (BGH, FamRZ 2006, 111, 114).
Dies hat aber nicht zur Folge, dass eine nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit
schlechthin ausscheidet. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts führt die
Verwendung der Begriffe „bei der Bestellung„ in § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht
zwingend dazu, die nachträgliche Feststellung für ausgeschlossen zu halten. Es ist schon
nicht eindeutig, dass mit der genannten Formulierung gemeint ist, die Feststellung
müsse stets unmittelbar zusammen mit der Bestellung erfolgen. Doch selbst wenn man
davon ausginge, käme eine abweichende Auslegung unter Berücksichtigung des
Gesetzeszwecks dennoch in Frage (vgl. Palandt/Hein-richs, BGB, 67. Aufl., Einleitung vor
§ 1, Rz. 41).
Aus dem Gesetzeszweck, die Klärung von Zweifelsfragen hinsichtlich der
Berufsmäßigkeit in das Bestellungsverfahren vorzuverlagern, folgt, dass es dem
bestellten Pfleger möglich sein muss, die Bestellung im Wege der unbefristeten
Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung anzufechten, die Betreuung werde
berufsmäßig geführt. In einem solchen Fall wirkt die Feststellung auf den Zeitpunkt der
angefochtenen Entscheidung zurück. Sofern es für die geltend gemachten Ansprüche
auf die Feststellung der Berufsmäßigkeit ankommt, kann der Beschluss folglich auch
schon für die Zeit vor seiner Wirksamkeit Vergütungsansprüche oder Ansprüche auf
Aufwendungsersatz begründen (BGH, a.a.O.; MünchKomm/Wagenitz, BGB, 5. Aufl., §
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Aufwendungsersatz begründen (BGH, a.a.O.; MünchKomm/Wagenitz, BGB, 5. Aufl., §
1836, Rz. 6).
Dementsprechend kommt auch vorliegend, nachdem die Beschwerdeführerin ein
unbefristetes Rechtsmittel mit dem Ziel der Ergänzung des Bestellungsbeschlusses um
die Feststellung der Berufsmäßigkeit eingelegt hat, in Betracht, die begehrte
Feststellung nunmehr zu treffen.
bb)
eingelegt hat, kann dahinstehen, ob daran festzuhalten ist, dass die Feststellung der
Berufsmäßigkeit uneingeschränkt auch noch im Vergütungsfestsetzungsverfahren,
gegebenenfalls durch das Beschwerdegericht, erfolgen kann (so Senat, FamRZ 2004,
1403 mit kritischer Anmerkung Bienwald; OLG Karlsruhe, NJWE-FER 2001, 312; OLG
Dresden, FamRZ 2003, 935; OLG Hamm, FamRZ 2004, 1324; Karmasin, FamRZ 1999,
348, 349; Jansen/Sonnenfeld, a.a.O., § 70 b, Rz. 30; Damrau/Zimmermann, a.a.O.; vgl.
auch OLG Frankfurt, FG Prax 2003, 176 f.) oder ob insoweit eine rückwirkende
Feststellung bis auf den Tag der Betreuerbestellung - je nach Fallgestaltung - etwa
ausgeschlossen ist (vgl. hierzu BayObLG, FamRZ 2001, 868; FamRZ 2001, 1484, 1485;
Jansen/Zorn, a.a.O., § 50, Rz. 89; Wagenitz, a.a.O.; Dodegge, a.a.O., Teil F, Rz. 71;
Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl. § 1 VBVG, Rz. 9; Staudinger/Bien-wald, a.a.O., § 1836,
Rz. 26 ff.).
b)
vorliegend nicht darauf an, ob ein Regelfall entsprechend § 1 Abs. 1 Satz 2 VBVG
feststellbar ist. Vielmehr ist, wenn, wie vorliegend, eine Rechtsanwältin zur Pflegerin
bestellt worden ist, von einer berufsmäßigen Ausübung unabhängig von der Zahl der
übernommenen Einzelfälle immer schon dann auszugehen, wenn der Aufgabenkreis zu
ihrer Berufstätigkeit gehört (OLG Frankfurt, FamRZ 2001, 790; Bauer, a.a.O., Rz. 1273,
jeweils unter Bezugnahme auf BT-Druck-sache 13/10331, S. 41; vgl. auch Bienwald,
Verfahrenspflegschaft, Rz. 328 einerseits, Rz. 764 ff. andererseits). Dabei ist auch zu
berücksichtigen, dass eine unentgeltliche Führung von Pflegschaften nur dann in
Betracht kommt, wenn dies dem Leitbild der echten Einzelpflegschaft, die als allgemeine
staatsbürgerliche Pflicht in der Freizeit zu erfüllen ist, entspricht, während von einer
Führung im Rahmen der Berufsausübung auszugehen ist, wenn deren Übernahme nur
im Rahmen einer Berufstätigkeit erwartet werden kann und die Pflegschaft dem Pfleger
gerade im Hinblick auf seine Ausbildung und beruflichen Kenntnisse übertragen wurde,
wie es insbesondere bei Rechtsanwälten und Steuerberatern häufig der Fall ist (OLG
Frankfurt, a.a.O.; Bauer, a.a.O., Rz. 1269, jeweils unter Bezugnahme auf BVerfG, NJW
1980, 2179; vgl. auch OLG Brandenburg - 3. Senat für Familiensachen -, Beschluss vom
2.9.2002 - 15 WF 191/02 -, veröffentlicht bei juris).
Die Beschwerdeführerin ist Fachanwältin für Familienrecht und demzufolge in dem
Aufgabenkreis, der die Pflegschaft betrifft, ohnehin berufsmäßig tätig. Vor diesem
Hintergrund ist eindeutig davon auszugehen, dass sie auch die Pflegschaft berufsmäßig
führt, eine Feststellung, die das Amtsgericht unschwer jedenfalls dann selbst hätte
treffen können, wenn es die gebotene Anhörung der Beschwerdeführerin - etwa auch
telefonisch - vor ihrer Bestellung durchgeführt hätte.
3.
FGG.
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