Urteil des BGH vom 21.02.2008

BGH (berufungsschrift, unterschrift, zpo, sache, absicht, linie, unterzeichnung, sicherung, echtheit, wiedergabe)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 96/07
vom
21. Februar 2008
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. Februar 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Czub
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 14. August 2007 wird auf
Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
10.000 €.
Gründe:
I.
Der Kläger hat von dem Beklagten verlangt, es zu unterlassen, sein
Grundstück zu begehen und/oder zu befahren oder es von Dritten begehen
und/oder befahren zu lassen. Das Landgericht hat der Klage teilweise stattge-
geben. Innerhalb der Rechtsmittelfrist ist bei dem Oberlandesgericht eine auf
dem Geschäftspapier des Prozessbevollmächtigten des Beklagten geschriebe-
ne und mit einer geschwungenen Linie unterschriebene Berufungsschrift einge-
gangen. Das Oberlandesgericht hat, soweit hier von Interesse, die Berufung
des Beklagten als unzulässig verworfen.
1
Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Beklagte die Aufhebung des ange-
fochtenen Beschlusses, soweit er ihn beschwert, und die Zurückverweisung der
2
- 3 -
Sache an das Oberlandesgericht erreichen. Der Kläger beantragt die Zurück-
weisung des Rechtsmittels.
II.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts fehlt es an der wirksamen fristge-
rechten Einlegung der Berufung, weil die Unterzeichnung der Berufungsschrift
dem für bestimmende Schriftsätze geltenden Unterschriftserfordernis nicht ge-
recht werde. Die Berufungsschrift sei mit einer "Welle" unterzeichnet; nicht ein-
mal ansatzweise sei auch nur ein Buchstabe erkennbar. Dies sei kein die Identi-
tät des Ausstellers hinreichend kennzeichnender Schriftzug. Hinzu komme,
dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Berufungsbegründung in so
erheblich anderer Weise unterzeichnet habe, dass ein unbefangener Betrachter
nicht vermuten würde, dass die Berufungsschrift und die Berufungsbegründung
von derselben Person unterzeichnet worden seien. Auf einem von dem Pro-
zessbevollmächtigten des Beklagten am 17. Juli 2007 unterzeichneten Emp-
fangsbekenntnis sei zu erkennen, dass die geschwungene Linie unter der Beru-
fungsschrift offenbar den ersten Teil des Buchstabens "H" seines Nachnamens
darstellen solle. Dies belege, dass es sich bei der "Welle" unter der Berufungs-
schrift allenfalls um eine aus der ersten Hälfte des Anfangsbuchstabens des
Nachnamens des Beklagtenvertreters bestehende Paraphe handele, die auch
bei Annahme erheblicher Abschleifung der Unterschrift und großzügiger Be-
trachtung nicht die Absicht einer Unterschrift mit vollem Namen erkennen lasse.
3
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
4
- 4 -
III.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 ZPO) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden
(§ 575 ZPO). Sie ist jedoch unzulässig, weil der Beklagte weder die grundsätzli-
che Bedeutung der Sache noch das Erfordernis einer Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung ei-
ner einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 ZPO) dargelegt hat.
5
Der Beklagte macht lediglich geltend, dass die Sicherung einer einheitli-
chen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfor-
dere, weil das Beschwerdegericht überhöhte Anforderungen an die Lesbarkeit
einer Unterschrift unter einer Berufungsschrift gestellt und die Voraussetzungen
verkannt habe, welche die höchstrichterliche Rechtsprechung für die Formwirk-
samkeit der Rechtsmittelschrift verlange; es habe damit die Bestimmungen in
§§ 519 Abs. 4, 130 Nr. 6 ZPO in symptomatischer Weise fehlerhaft interpretiert
und dem Beklagten aus sachfremden Erwägungen den Zugang zu einer in der
Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz in nicht zu rechtfertigender Weise
verwehrt.
6
Das bleibt ohne Erfolg.
7
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei
bestimmenden Schriftsätzen die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers er-
forderlich, um diesen unzweifelhaft identifizieren zu können (siehe nur Urt. v.
24. Juli 2001, VIII ZR 58/01, WM 2001, 1866, 1867 m.w.N.). Was unter einer
Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch und dem
Zweck der Formvorschrift (hier: § 130 Nr. 6 i.V.m. § 519 Abs. 4 ZPO). Eine Un-
terschrift setzt danach einen individuellen Schriftzug voraus, der sich - ohne
lesbar sein zu müssen - als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht
8
- 5 -
einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt; ein Schriftzug, der als bewuss-
te und gewollte Namensabkürzung erscheint (Handzeichen, Paraphe), stellt
demgegenüber keine formgültige Unterschrift dar (BGH, Urt. v. 10. Juli 1997,
IX ZR 24/97, NJW 1997, 3380, 3381 m.w.N.).
2. Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es
hat das äußere Erscheinungsbild des Schriftzugs unter der Berufungsschrift
sowohl bei isolierter Betrachtung als auch im Zusammenhang mit den Unter-
schriften des Prozessbevollmächtigten des Beklagten unter der Berufungsbe-
gründung und einem Empfangsbekenntnis beurteilt und ist dabei zu dem Er-
gebnis gekommen, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Beru-
fungsschrift allenfalls mit einer Paraphe unterzeichnet hat. Das ist rechtlich nicht
zu beanstanden (vgl. BGH, Urt. v. 10. Juli 1997, IX ZR 24/97, aaO).
9
3. Bei dieser Sachlage ist es - entgegen der in der Rechtsbeschwerde-
begründung vertretenen Ansicht - unerheblich, dass sich dem Berufungsgericht
letztlich die Identität des Ausstellers erschlossen hat. Der Beklagte übersieht,
dass das Berufungsgericht - in Einklang mit der vorstehend zitierten Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs - keine zweifelsfrei lesbare, sondern eine voll-
ständige Namensunterschrift verlangt und die Unterzeichnung der Berufungs-
schrift mit einer Paraphe als nicht ausreichend angesehen hat. Auf andere Um-
stände wie das Beifügen einer maschinenschriftlichen Namensangabe des Pro-
zessbevollmächtigten unter dem Schriftzug und der Verwendung des Schrift-
zugs in gleicher oder ähnlicher Weise unter früheren Schriftsätzen kommt es
deshalb nicht an. Außerdem übersieht der Beklagte, dass das Berufungsgericht
seine Erkenntnisse von der Urheberschaft der Paraphe erst durch Umstände
gewonnen hat, die nach dem Eingang der Berufungsschrift und Ablauf der Be-
rufungsfrist eingetreten sind. Deshalb konnte es in dem maßgeblichen Zeitpunkt
den Aussteller der Berufungsschrift nicht identifizieren.
10
- 6 -
4. Soweit der Beklagte die Rechtsbeschwerde darauf stützt, dass Zweifel
des Berufungsgerichts an der Echtheit der Unterschrift nicht gerechtfertigt seien
und allenfalls durch ein Schriftsachverständigengutachten oder hinreichend ei-
gene Sachkunde des Berufungsgerichts bei der graphologischen Beurteilung
einer Unterschrift begründet werden könnten, liegt das neben der Sache. Denn
das Berufungsgericht hat den Schriftzug nicht als Unterschrift, sondern als Pa-
raphe angesehen; deren Echtheit hat es nicht angezweifelt.
11
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
12
Krüger
Klein
Lemke
Schmidt-Räntsch
Czub
Vorinstanzen:
LG Regensburg, Entscheidung vom 29.12.2006 - 4 O 2133/06 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 14.08.2007 - 13 U 252/07 -