Urteil des BFH vom 14.02.2008

Darlegungslast der Finanzbehörde für den Nachweis des Zugangs von schriftlichen Verwaltungsakten

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 14.2.2008, X B 11/08
Darlegungslast der Finanzbehörde für den Nachweis des Zugangs von schriftlichen Verwaltungsakten
Gründe
1 Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht in der
nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.
2 Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, so muss er substantiiert darauf
eingehen, weshalb die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der
Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der
Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage muss der Beschwerdeführer begründen, in welchem Umfang, von welcher
Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist.
3 Diesen Anforderungen genügt die Rüge der Klägerin nicht. Sie hat sinngemäß die Rechtsfrage aufgeworfen, welche
Darlegungs- und Beweislast der Finanzbehörde für den Nachweis des Zugangs von schriftlichen Verwaltungsakten
obliege, wenn der Adressat deren Zugang bestreite. Ihre Ausführungen zu diesem Punkt erschöpfen sich im
Wesentlichen --sachverhaltsbezogen-- in Darlegungen darüber, dass und warum die vom Finanzgericht (FG) vertretene
Auffassung, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei die Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2005 tatsächlich
zugegangen, unrichtig sei. Damit allein ist jedoch die grundsätzliche Bedeutung der von ihr herausgestellten Frage
nicht schlüssig dargelegt worden. Vielmehr hätte sie --woran es fehlt-- substantiiert, d.h. unter Heranziehung der zu
diesem Problem vorhandenen Rechtsprechung und/oder Literatur, darstellen müssen, weshalb diese Rechtsfrage
einer (weiteren) höchstrichterlichen Klärung bedürfe.
4 In diesem Zusammenhang weist der angerufene Senat darauf hin, dass es --soweit ersichtlich-- einmütiger Auffassung
entspricht, dass
5 · der Adressat eines schriftlichen Verwaltungsakts, der den Zugang des Schriftstücks überhaupt bestreitet, nicht
substantiiert vortragen muss, warum ihn die Sendung nicht erreicht hat. Er ist hierzu objektiv nicht in der Lage (Urteil
des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Dezember 1974 V R 111/74, BFHE 114, 176, BStBl II 1975, 286);
6 · der Finanzbehörde der volle Beweis für den Zugang des schriftlichen Verwaltungsakts auch dann obliegt, wenn der
Nichtzugang erst nach Jahren geltend gemacht wird (BFH-Urteil vom 14. März 1989 VII R 75/85, BFHE 156, 66, BStBl II
1989, 534);
7 · dieser Beweis auf Indizien gestützt und im Wege der freien Beweiswürdigung geführt werden kann. Bestimmte
Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen innerhalb eines längeren Zeitraums nach Absendung des Steuerbescheids
können im Zusammenhang mit dem Nachweis der Absendung des Bescheids vom FG dahingehend gewürdigt werden,
dass --entgegen der Behauptung des Steuerpflichtigen-- von einem Zugang des Bescheids ausgegangen wird (BFH-
Urteil in BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534);
8 · auf den sog. Anscheinsbeweis, der auf einen typischen, nicht aber auf den tatsächlichen Geschehensablauf abstellt,
der Zugangsbeweis nach § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung hingegen nicht gestützt werden kann (BFH-Urteil vom 15.
September 1994 XI R 31/94, BFHE 175, 327, BStBl II 1995, 41).